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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Deutsche Liebesbriefe

Demselben Jahre, wie die Korrespondenz dieses Paares. 1752. entstammt
ein Brief Wielands an seine Cousine Sophie von Gutermann. Er ist eben¬
falls nicht frei von Überschwang, hatte doch der junge Poet damals seine
seraphische Periode noch nicht abgeschlossen. Bodmer nannte ihn um lere
Zeit den ..jüngeren. zweiten Klopstock". und er selbst kannte keinen großer"
Ehrgeiz, als dem vielbewunderten. frommen Dichter nachzustreben. Eine der
hier abgedruckten Episteln enthält den Ausruf: ..Warum bin ich doch tem so
schöner Geist als .Herr Klopstock!" Trotz der leidenschaftlichen Liebe, die er
für seine ..göttliche'Freundin" empfand, hat er diese oft nicht wenig verletzt
und gepeinigt. Ein andrer Brief aus dem Juni 1753. der kurz vor der Auf¬
hebung der' Verlobung geschrieben ist. als Wieland den Gegenstand seiner
Liebe wieder einmal durch Launen gekränkt hatte, zeugt von der üußerstcu
Zerknirschung.

..Sehr bezeichnend für den Geist der Zeit sind die brieflichen Ergüsse. mit
denen die als "deutsche Sappho" gefeierte Karschin den liebenswürdigen
Gleim verfolgte. Ihre Tändeleien erregten sogar dem überaus gutmütigen
Halberstädter Kanonikus Widerwillen, sodaß er sich bisweilen brüsk von ihr
losriß. Nach einer solchen Szene bittet sie ihn flehentlich: "lassen Sie mir
doch diese kleine Enthusiüsterey in der Freundschaft, die mir so fuß ist."

Drei Briefe gewähren uns einen Einblick in das Verhältnis zwischen
Pestalozzi und der mehr als sechs Jahre ältern Anna Schultheß. Dn haben
Wir seine bange Erklürnng. ihre Ablehnung des Antrags und schließlich ihr
nach langer Prüfungszeit geschriebnes von tiefer Religiosität zeugendes Ver¬
lobungsschreiben. Eine ähnliche Frömmigkeit finden wir bei ewigen Adlichen
spätrer Zeit.

^_
Von Lessings Briefwechsel mit Eva König gibt Zeidler aus den ersten
Jahren Proben, die an Herzlichkeit trotz des steifen "Sie" nichts zu wünschen
übrig lassen, aber im ganzen reizlos sind. Weit mehr vermag die Korrespondenz
zu interessieren, die Herder mit seiner Braut führte, ungeachtet ihrer über¬
triebnen, uns heute unangenehmen Empfindsamkeit. Herder gab das Pro¬
gramm: "Unsre Briefe sollen die Geschichte unsres Herzens, unsrer Gcdanwi
u"d unsres ^ einen^gswises enthalten." So entstanden die wundersamen
Liebesakten die er beiden edeln. aber komplizierten Menschen, die teils dnrch
eigne, teils dnrch fremde Schuld manchen Stürmen ausgesetzt waren, ehe ste
endlich in den Hafen der Ehe einliefen.

^ JohannHnich Voß. dessen Eheglück fast sprichwörtlich geworden
eben wir dnrch fromme Briefe an seine Braut Ernestine B i vert n.
Anton Matthias Sprickmann durch gedankenreiche Episte n an Jemiy u V°'g s
geborne Möser. mit der ihn eine schwärmerische Freundschaft verband. Fenng
treibt der gefangne Sckubart vom Asperg an eme Frau, d^i t^ich
Eigenschaften er uicht müde wird zu preisen: .wie ich L'eb^dürstet keiner." Mozart dagegen hat seiner Konstanze, mit so zärtlichen Ge-


Deutsche Liebesbriefe

Demselben Jahre, wie die Korrespondenz dieses Paares. 1752. entstammt
ein Brief Wielands an seine Cousine Sophie von Gutermann. Er ist eben¬
falls nicht frei von Überschwang, hatte doch der junge Poet damals seine
seraphische Periode noch nicht abgeschlossen. Bodmer nannte ihn um lere
Zeit den ..jüngeren. zweiten Klopstock". und er selbst kannte keinen großer»
Ehrgeiz, als dem vielbewunderten. frommen Dichter nachzustreben. Eine der
hier abgedruckten Episteln enthält den Ausruf: ..Warum bin ich doch tem so
schöner Geist als .Herr Klopstock!" Trotz der leidenschaftlichen Liebe, die er
für seine ..göttliche'Freundin" empfand, hat er diese oft nicht wenig verletzt
und gepeinigt. Ein andrer Brief aus dem Juni 1753. der kurz vor der Auf¬
hebung der' Verlobung geschrieben ist. als Wieland den Gegenstand seiner
Liebe wieder einmal durch Launen gekränkt hatte, zeugt von der üußerstcu
Zerknirschung.

..Sehr bezeichnend für den Geist der Zeit sind die brieflichen Ergüsse. mit
denen die als „deutsche Sappho" gefeierte Karschin den liebenswürdigen
Gleim verfolgte. Ihre Tändeleien erregten sogar dem überaus gutmütigen
Halberstädter Kanonikus Widerwillen, sodaß er sich bisweilen brüsk von ihr
losriß. Nach einer solchen Szene bittet sie ihn flehentlich: „lassen Sie mir
doch diese kleine Enthusiüsterey in der Freundschaft, die mir so fuß ist."

Drei Briefe gewähren uns einen Einblick in das Verhältnis zwischen
Pestalozzi und der mehr als sechs Jahre ältern Anna Schultheß. Dn haben
Wir seine bange Erklürnng. ihre Ablehnung des Antrags und schließlich ihr
nach langer Prüfungszeit geschriebnes von tiefer Religiosität zeugendes Ver¬
lobungsschreiben. Eine ähnliche Frömmigkeit finden wir bei ewigen Adlichen
spätrer Zeit.

^_
Von Lessings Briefwechsel mit Eva König gibt Zeidler aus den ersten
Jahren Proben, die an Herzlichkeit trotz des steifen „Sie" nichts zu wünschen
übrig lassen, aber im ganzen reizlos sind. Weit mehr vermag die Korrespondenz
zu interessieren, die Herder mit seiner Braut führte, ungeachtet ihrer über¬
triebnen, uns heute unangenehmen Empfindsamkeit. Herder gab das Pro¬
gramm: „Unsre Briefe sollen die Geschichte unsres Herzens, unsrer Gcdanwi
u"d unsres ^ einen^gswises enthalten." So entstanden die wundersamen
Liebesakten die er beiden edeln. aber komplizierten Menschen, die teils dnrch
eigne, teils dnrch fremde Schuld manchen Stürmen ausgesetzt waren, ehe ste
endlich in den Hafen der Ehe einliefen.

^ JohannHnich Voß. dessen Eheglück fast sprichwörtlich geworden
eben wir dnrch fromme Briefe an seine Braut Ernestine B i vert n.
Anton Matthias Sprickmann durch gedankenreiche Episte n an Jemiy u V°'g s
geborne Möser. mit der ihn eine schwärmerische Freundschaft verband. Fenng
treibt der gefangne Sckubart vom Asperg an eme Frau, d^i t^ich
Eigenschaften er uicht müde wird zu preisen: .wie ich L'eb^dürstet keiner." Mozart dagegen hat seiner Konstanze, mit so zärtlichen Ge-


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[0537] Deutsche Liebesbriefe Demselben Jahre, wie die Korrespondenz dieses Paares. 1752. entstammt ein Brief Wielands an seine Cousine Sophie von Gutermann. Er ist eben¬ falls nicht frei von Überschwang, hatte doch der junge Poet damals seine seraphische Periode noch nicht abgeschlossen. Bodmer nannte ihn um lere Zeit den ..jüngeren. zweiten Klopstock". und er selbst kannte keinen großer» Ehrgeiz, als dem vielbewunderten. frommen Dichter nachzustreben. Eine der hier abgedruckten Episteln enthält den Ausruf: ..Warum bin ich doch tem so schöner Geist als .Herr Klopstock!" Trotz der leidenschaftlichen Liebe, die er für seine ..göttliche'Freundin" empfand, hat er diese oft nicht wenig verletzt und gepeinigt. Ein andrer Brief aus dem Juni 1753. der kurz vor der Auf¬ hebung der' Verlobung geschrieben ist. als Wieland den Gegenstand seiner Liebe wieder einmal durch Launen gekränkt hatte, zeugt von der üußerstcu Zerknirschung. ..Sehr bezeichnend für den Geist der Zeit sind die brieflichen Ergüsse. mit denen die als „deutsche Sappho" gefeierte Karschin den liebenswürdigen Gleim verfolgte. Ihre Tändeleien erregten sogar dem überaus gutmütigen Halberstädter Kanonikus Widerwillen, sodaß er sich bisweilen brüsk von ihr losriß. Nach einer solchen Szene bittet sie ihn flehentlich: „lassen Sie mir doch diese kleine Enthusiüsterey in der Freundschaft, die mir so fuß ist." Drei Briefe gewähren uns einen Einblick in das Verhältnis zwischen Pestalozzi und der mehr als sechs Jahre ältern Anna Schultheß. Dn haben Wir seine bange Erklürnng. ihre Ablehnung des Antrags und schließlich ihr nach langer Prüfungszeit geschriebnes von tiefer Religiosität zeugendes Ver¬ lobungsschreiben. Eine ähnliche Frömmigkeit finden wir bei ewigen Adlichen spätrer Zeit. ^_ Von Lessings Briefwechsel mit Eva König gibt Zeidler aus den ersten Jahren Proben, die an Herzlichkeit trotz des steifen „Sie" nichts zu wünschen übrig lassen, aber im ganzen reizlos sind. Weit mehr vermag die Korrespondenz zu interessieren, die Herder mit seiner Braut führte, ungeachtet ihrer über¬ triebnen, uns heute unangenehmen Empfindsamkeit. Herder gab das Pro¬ gramm: „Unsre Briefe sollen die Geschichte unsres Herzens, unsrer Gcdanwi u"d unsres ^ einen^gswises enthalten." So entstanden die wundersamen Liebesakten die er beiden edeln. aber komplizierten Menschen, die teils dnrch eigne, teils dnrch fremde Schuld manchen Stürmen ausgesetzt waren, ehe ste endlich in den Hafen der Ehe einliefen. ^ JohannHnich Voß. dessen Eheglück fast sprichwörtlich geworden eben wir dnrch fromme Briefe an seine Braut Ernestine B i vert n. Anton Matthias Sprickmann durch gedankenreiche Episte n an Jemiy u V°'g s geborne Möser. mit der ihn eine schwärmerische Freundschaft verband. Fenng treibt der gefangne Sckubart vom Asperg an eme Frau, d^i t^ich Eigenschaften er uicht müde wird zu preisen: .wie ich L'eb^dürstet keiner." Mozart dagegen hat seiner Konstanze, mit so zärtlichen Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/537>, abgerufen am 23.07.2024.