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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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polnischen Edelmann abzuhalten, hier ein Gut in deutscher Umgebung für einen
exorbitanten Preis zu erwerben. Die dritte Kategorie umfaßt die Kreise, wo
sich die beiden Nationalitäten einigermaßen die Wage halten. Hier ist natür¬
lich das dankbarste Gebiet für die deutsche Kolonisation, hier sind in die
Augen fallende Erfolge erreicht worden. In einigen Kreisen, wo schon die
Deutschen die starkem waren, wie in den Kreisen Graudenz. Flatow, Brom¬
berg, ist mit verhältnismäßig geringen Anstrengungen die deutsche Position so
gestärkt worden, daß sie nach menschlicher Berechnung durch polnischen Ansturm
nicht mehr zu erschüttern ist.

Dasselbe ist erfreulicherweise auch in einem westpreußischen Kreise erreicht
worden, wo eine numerische Überlegenheit der Deutschen vor 1886 nicht vor¬
handen war, im Kreise Briefen, wo 23 Prozent der gesamten Kreisfläche an¬
gekauft worden sind, und die Deutschen einen Zuwachs von sechs- bis sieben¬
tausend Köpfen erhalten haben. In diesen Kreisen, die jetzt eine sichergestellte
deutsche Mehrheit haben, kann selbstverständlich jede weitere deutsche Koloni¬
sation entbehrt werden; dagegen muß in einer größern Anzahl von Landrats¬
kreisen mit aller Energie weiter daran gearbeitet werden, diese unantastbare
deutsche Suprematie noch zu erlangen, vor allen: in den durch ihre hohe Frucht¬
barkeit ausgezeichneten beiden Kreisen Kulm und Thorn. Hier im westlichen
Kulmerlande begann im Jahre 1230 das Ringen der Deutschen um die
Herrschaft über Preußen. 5mer wollen wir den bald siebeuhundertjähngen Kampf
definitiv beenden, in dieser politisch und militärisch wichtigsten Landschaft jen¬
seits der Weichsel wollen wir die Polen zu einer machtlosen Minderheit hmab-
drückcn. Übrigens hat die Ansiedlungskommission die hervorragende Wichtigkeit
dieses Hinterlandes von Thorn und Kulm von vornherein erkannt und auch in
den beiden letzten Jahren ohne Ansehung der hohen Preisforderung nicht un¬
bedeutende Landflächen dort angekauft.

Ebensowenig wie hier in diesen Kreisen, wo es sich darum handelt, die
Mehrheit zu erlangen, kann von einer Erreichung des gesteckten Ziels bei den
meisten der Kreise die Rede sein, in denen es nur daraus ankommt, die dort
We langer Zeit ansässigen Deutschen durch Begründung neuer Kolonien ihrer
Isolierung zu entreißen. Die Kreise dieser Kategorie, in denen der deutsche
Anteil an der Bevölkerungszahl häufig uur 13 Prozent beträgt, sind über da.
ganze Gebiet der Ansiedlungsprovinzen verteilt, von der Grenze ObersGestens
bis zu dem Strande der Ostsee. Sie enthalten Gegenden von der höchsten Frucht¬
barkeit, wie die Zuckerrübendistrikte in Kujavien und bei Opalemtza, andrerseits
°ber auch Landstriche. die zu deu sterilsten der ganzen Monarchie gehören w'e
das Gebiet der obern Brahe und des obern Schwarzwasserflnffes in der Na^der ponunerschen Grenze. Manche dieser Kreise mit großer polnischer Bcvol^ungs-
majorität sind bis jetzt von der Wirksamkeit der Ansiedlnngs ommiffiou ga.
°der fast anz unberührt geblieben. So im Herzen der Pr°vuiz Po n der
Kreis Grätz mit sehr günstigen Bodenverhältnissen. Hier scheint ein prinzipieller


polnischen Edelmann abzuhalten, hier ein Gut in deutscher Umgebung für einen
exorbitanten Preis zu erwerben. Die dritte Kategorie umfaßt die Kreise, wo
sich die beiden Nationalitäten einigermaßen die Wage halten. Hier ist natür¬
lich das dankbarste Gebiet für die deutsche Kolonisation, hier sind in die
Augen fallende Erfolge erreicht worden. In einigen Kreisen, wo schon die
Deutschen die starkem waren, wie in den Kreisen Graudenz. Flatow, Brom¬
berg, ist mit verhältnismäßig geringen Anstrengungen die deutsche Position so
gestärkt worden, daß sie nach menschlicher Berechnung durch polnischen Ansturm
nicht mehr zu erschüttern ist.

Dasselbe ist erfreulicherweise auch in einem westpreußischen Kreise erreicht
worden, wo eine numerische Überlegenheit der Deutschen vor 1886 nicht vor¬
handen war, im Kreise Briefen, wo 23 Prozent der gesamten Kreisfläche an¬
gekauft worden sind, und die Deutschen einen Zuwachs von sechs- bis sieben¬
tausend Köpfen erhalten haben. In diesen Kreisen, die jetzt eine sichergestellte
deutsche Mehrheit haben, kann selbstverständlich jede weitere deutsche Koloni¬
sation entbehrt werden; dagegen muß in einer größern Anzahl von Landrats¬
kreisen mit aller Energie weiter daran gearbeitet werden, diese unantastbare
deutsche Suprematie noch zu erlangen, vor allen: in den durch ihre hohe Frucht¬
barkeit ausgezeichneten beiden Kreisen Kulm und Thorn. Hier im westlichen
Kulmerlande begann im Jahre 1230 das Ringen der Deutschen um die
Herrschaft über Preußen. 5mer wollen wir den bald siebeuhundertjähngen Kampf
definitiv beenden, in dieser politisch und militärisch wichtigsten Landschaft jen¬
seits der Weichsel wollen wir die Polen zu einer machtlosen Minderheit hmab-
drückcn. Übrigens hat die Ansiedlungskommission die hervorragende Wichtigkeit
dieses Hinterlandes von Thorn und Kulm von vornherein erkannt und auch in
den beiden letzten Jahren ohne Ansehung der hohen Preisforderung nicht un¬
bedeutende Landflächen dort angekauft.

Ebensowenig wie hier in diesen Kreisen, wo es sich darum handelt, die
Mehrheit zu erlangen, kann von einer Erreichung des gesteckten Ziels bei den
meisten der Kreise die Rede sein, in denen es nur daraus ankommt, die dort
We langer Zeit ansässigen Deutschen durch Begründung neuer Kolonien ihrer
Isolierung zu entreißen. Die Kreise dieser Kategorie, in denen der deutsche
Anteil an der Bevölkerungszahl häufig uur 13 Prozent beträgt, sind über da.
ganze Gebiet der Ansiedlungsprovinzen verteilt, von der Grenze ObersGestens
bis zu dem Strande der Ostsee. Sie enthalten Gegenden von der höchsten Frucht¬
barkeit, wie die Zuckerrübendistrikte in Kujavien und bei Opalemtza, andrerseits
°ber auch Landstriche. die zu deu sterilsten der ganzen Monarchie gehören w'e
das Gebiet der obern Brahe und des obern Schwarzwasserflnffes in der Na^der ponunerschen Grenze. Manche dieser Kreise mit großer polnischer Bcvol^ungs-
majorität sind bis jetzt von der Wirksamkeit der Ansiedlnngs ommiffiou ga.
°der fast anz unberührt geblieben. So im Herzen der Pr°vuiz Po n der
Kreis Grätz mit sehr günstigen Bodenverhältnissen. Hier scheint ein prinzipieller


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[0519] polnischen Edelmann abzuhalten, hier ein Gut in deutscher Umgebung für einen exorbitanten Preis zu erwerben. Die dritte Kategorie umfaßt die Kreise, wo sich die beiden Nationalitäten einigermaßen die Wage halten. Hier ist natür¬ lich das dankbarste Gebiet für die deutsche Kolonisation, hier sind in die Augen fallende Erfolge erreicht worden. In einigen Kreisen, wo schon die Deutschen die starkem waren, wie in den Kreisen Graudenz. Flatow, Brom¬ berg, ist mit verhältnismäßig geringen Anstrengungen die deutsche Position so gestärkt worden, daß sie nach menschlicher Berechnung durch polnischen Ansturm nicht mehr zu erschüttern ist. Dasselbe ist erfreulicherweise auch in einem westpreußischen Kreise erreicht worden, wo eine numerische Überlegenheit der Deutschen vor 1886 nicht vor¬ handen war, im Kreise Briefen, wo 23 Prozent der gesamten Kreisfläche an¬ gekauft worden sind, und die Deutschen einen Zuwachs von sechs- bis sieben¬ tausend Köpfen erhalten haben. In diesen Kreisen, die jetzt eine sichergestellte deutsche Mehrheit haben, kann selbstverständlich jede weitere deutsche Koloni¬ sation entbehrt werden; dagegen muß in einer größern Anzahl von Landrats¬ kreisen mit aller Energie weiter daran gearbeitet werden, diese unantastbare deutsche Suprematie noch zu erlangen, vor allen: in den durch ihre hohe Frucht¬ barkeit ausgezeichneten beiden Kreisen Kulm und Thorn. Hier im westlichen Kulmerlande begann im Jahre 1230 das Ringen der Deutschen um die Herrschaft über Preußen. 5mer wollen wir den bald siebeuhundertjähngen Kampf definitiv beenden, in dieser politisch und militärisch wichtigsten Landschaft jen¬ seits der Weichsel wollen wir die Polen zu einer machtlosen Minderheit hmab- drückcn. Übrigens hat die Ansiedlungskommission die hervorragende Wichtigkeit dieses Hinterlandes von Thorn und Kulm von vornherein erkannt und auch in den beiden letzten Jahren ohne Ansehung der hohen Preisforderung nicht un¬ bedeutende Landflächen dort angekauft. Ebensowenig wie hier in diesen Kreisen, wo es sich darum handelt, die Mehrheit zu erlangen, kann von einer Erreichung des gesteckten Ziels bei den meisten der Kreise die Rede sein, in denen es nur daraus ankommt, die dort We langer Zeit ansässigen Deutschen durch Begründung neuer Kolonien ihrer Isolierung zu entreißen. Die Kreise dieser Kategorie, in denen der deutsche Anteil an der Bevölkerungszahl häufig uur 13 Prozent beträgt, sind über da. ganze Gebiet der Ansiedlungsprovinzen verteilt, von der Grenze ObersGestens bis zu dem Strande der Ostsee. Sie enthalten Gegenden von der höchsten Frucht¬ barkeit, wie die Zuckerrübendistrikte in Kujavien und bei Opalemtza, andrerseits °ber auch Landstriche. die zu deu sterilsten der ganzen Monarchie gehören w'e das Gebiet der obern Brahe und des obern Schwarzwasserflnffes in der Na^der ponunerschen Grenze. Manche dieser Kreise mit großer polnischer Bcvol^ungs- majorität sind bis jetzt von der Wirksamkeit der Ansiedlnngs ommiffiou ga. °der fast anz unberührt geblieben. So im Herzen der Pr°vuiz Po n der Kreis Grätz mit sehr günstigen Bodenverhältnissen. Hier scheint ein prinzipieller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/519>, abgerufen am 23.07.2024.