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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Rriegcrvercinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt

Anschauungen und Richtungen, die allerdings insofern eines Sinnes sind, als
sie auf dem Boden der bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse stehen und zu
den staatserhaltenden Elementen der bürgerlichen Gesellschaft gehören. Das
Prinzip der Kameradschaft wirkt hier ausgleichend und bringt auch Leute näher
zusammen, die nicht dieselben Ansichten teilen. Durch solchen Ausgleich trägt
die Kriegergemeinschaft mit zur Erfüllung einer der Aufgaben unsers nationalen
Lebens bei, indem sie das Werk, das der Staat in der Schule und in der Armee
begonnen hat, das er aber bei dem selbständigen Staatsbürger nicht mehr fort¬
setzen kann, weiterführt. Mit andern Worten, in den Kriegervereinen erwachsen
dem Staat Mächte, die seine Sache stützen, und die mit seinen Organen zu¬
sammenwirken. Es ist dies namentlich an den Stellen der Fall, wo die höhern
Stände einen regern Anteil an dem Vereinswesen genommen haben. Wo dies
der Fall ist, da blühen die Vereine, da schätzt es sich ein jeder zur Ehre, ihnen
anzugehören, da üben sie durch ihr Beispiel einen erziehenden Einfluß auf die
heranwachsende Generation, die in den Kriegervereinen die Elite der Gesellschaft
sieht, zumal wenn ihnen bei festlichen Anlässen auch äußerliche Ehren erwiesen
werden. ^ .

In der jüngsten Zeit hat sich in dem deutschen Kriegervereinswefen eine
Erscheinung bemerkbar gemacht, die geeignet ist, dessen so mühsam und nach
langem Ringen hergestellte Einheit zu beeinträchtigen und ihr zu schaden. Der
erst im Jahre 1899 in das Leben getretene Preußische Landeskriegerverband,
der den Abschluß der langjährigen Bestrebungen von Nord und Süd, zu einem
ungeteilten Ganzen zu gelangen, brachte, beruht bekanntlich auf dem Gedanken
der territorialen Zusammenfassung der Kriegervereine nach Landesverbänden. So
bildet denn jetzt, wie schon gesagt worden ist, jede staatliche Körperschaft auch
ein selbständiges Glied im Kriegervereinswesen. Dieser Organisation widerspricht
die Bildung von Sonderverbänden, wie sie jetzt mehrfach hervorgetreten sind.
So haben sich Vereine ehemaliger Artilleristen, Pioniere, Jäger, Gardisten,
Kavalleristen usw., bisweilen noch wiederum nach Provinzen gegliedert, gebildet,
die den Landesverbänden viele Mitglieder entzogen haben und eine Zersplitte¬
rung herbeiführen. Der wirkliche Nutzen der Kriegervereine und ihre Bedeutung
im öffentlichen Leben beruht auf der Zusammenfassung aller ehemaligen Sol¬
daten, wie das Gebiet des Wohnorts sie vereinigt hat, in einen Verband, ohne
Rücksicht auf Sonderinteressen und Sonderbestrebungen. Gerade in der Ver¬
schmelzung aller Waffen und aller Truppengattungen zu organischen Einheiten,
worin der frühere Jäger oder Kavallerist kein Vorurteil hat gegen seinen Vor¬
sitzenden, der vielleicht der Infanterie oder der Artillerie angehörte, sondern
vertrauensvoll seinem Führer folgt, liegt die Stärke des Kriegervereinswesens.
Richtig geleitet und von vaterländischen Sinne getragen wird es ein das innere
Staatsleben und seine Entwicklung und Fortbildung schützender Damm und
andrerseits eine die Wehrkraft unsers Vaterlandes nach außen erhaltende und
verstärkende Macht sein. i


Das deutsche Rriegcrvercinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt

Anschauungen und Richtungen, die allerdings insofern eines Sinnes sind, als
sie auf dem Boden der bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse stehen und zu
den staatserhaltenden Elementen der bürgerlichen Gesellschaft gehören. Das
Prinzip der Kameradschaft wirkt hier ausgleichend und bringt auch Leute näher
zusammen, die nicht dieselben Ansichten teilen. Durch solchen Ausgleich trägt
die Kriegergemeinschaft mit zur Erfüllung einer der Aufgaben unsers nationalen
Lebens bei, indem sie das Werk, das der Staat in der Schule und in der Armee
begonnen hat, das er aber bei dem selbständigen Staatsbürger nicht mehr fort¬
setzen kann, weiterführt. Mit andern Worten, in den Kriegervereinen erwachsen
dem Staat Mächte, die seine Sache stützen, und die mit seinen Organen zu¬
sammenwirken. Es ist dies namentlich an den Stellen der Fall, wo die höhern
Stände einen regern Anteil an dem Vereinswesen genommen haben. Wo dies
der Fall ist, da blühen die Vereine, da schätzt es sich ein jeder zur Ehre, ihnen
anzugehören, da üben sie durch ihr Beispiel einen erziehenden Einfluß auf die
heranwachsende Generation, die in den Kriegervereinen die Elite der Gesellschaft
sieht, zumal wenn ihnen bei festlichen Anlässen auch äußerliche Ehren erwiesen
werden. ^ .

In der jüngsten Zeit hat sich in dem deutschen Kriegervereinswefen eine
Erscheinung bemerkbar gemacht, die geeignet ist, dessen so mühsam und nach
langem Ringen hergestellte Einheit zu beeinträchtigen und ihr zu schaden. Der
erst im Jahre 1899 in das Leben getretene Preußische Landeskriegerverband,
der den Abschluß der langjährigen Bestrebungen von Nord und Süd, zu einem
ungeteilten Ganzen zu gelangen, brachte, beruht bekanntlich auf dem Gedanken
der territorialen Zusammenfassung der Kriegervereine nach Landesverbänden. So
bildet denn jetzt, wie schon gesagt worden ist, jede staatliche Körperschaft auch
ein selbständiges Glied im Kriegervereinswesen. Dieser Organisation widerspricht
die Bildung von Sonderverbänden, wie sie jetzt mehrfach hervorgetreten sind.
So haben sich Vereine ehemaliger Artilleristen, Pioniere, Jäger, Gardisten,
Kavalleristen usw., bisweilen noch wiederum nach Provinzen gegliedert, gebildet,
die den Landesverbänden viele Mitglieder entzogen haben und eine Zersplitte¬
rung herbeiführen. Der wirkliche Nutzen der Kriegervereine und ihre Bedeutung
im öffentlichen Leben beruht auf der Zusammenfassung aller ehemaligen Sol¬
daten, wie das Gebiet des Wohnorts sie vereinigt hat, in einen Verband, ohne
Rücksicht auf Sonderinteressen und Sonderbestrebungen. Gerade in der Ver¬
schmelzung aller Waffen und aller Truppengattungen zu organischen Einheiten,
worin der frühere Jäger oder Kavallerist kein Vorurteil hat gegen seinen Vor¬
sitzenden, der vielleicht der Infanterie oder der Artillerie angehörte, sondern
vertrauensvoll seinem Führer folgt, liegt die Stärke des Kriegervereinswesens.
Richtig geleitet und von vaterländischen Sinne getragen wird es ein das innere
Staatsleben und seine Entwicklung und Fortbildung schützender Damm und
andrerseits eine die Wehrkraft unsers Vaterlandes nach außen erhaltende und
verstärkende Macht sein. i


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[0406] Das deutsche Rriegcrvercinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt Anschauungen und Richtungen, die allerdings insofern eines Sinnes sind, als sie auf dem Boden der bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse stehen und zu den staatserhaltenden Elementen der bürgerlichen Gesellschaft gehören. Das Prinzip der Kameradschaft wirkt hier ausgleichend und bringt auch Leute näher zusammen, die nicht dieselben Ansichten teilen. Durch solchen Ausgleich trägt die Kriegergemeinschaft mit zur Erfüllung einer der Aufgaben unsers nationalen Lebens bei, indem sie das Werk, das der Staat in der Schule und in der Armee begonnen hat, das er aber bei dem selbständigen Staatsbürger nicht mehr fort¬ setzen kann, weiterführt. Mit andern Worten, in den Kriegervereinen erwachsen dem Staat Mächte, die seine Sache stützen, und die mit seinen Organen zu¬ sammenwirken. Es ist dies namentlich an den Stellen der Fall, wo die höhern Stände einen regern Anteil an dem Vereinswesen genommen haben. Wo dies der Fall ist, da blühen die Vereine, da schätzt es sich ein jeder zur Ehre, ihnen anzugehören, da üben sie durch ihr Beispiel einen erziehenden Einfluß auf die heranwachsende Generation, die in den Kriegervereinen die Elite der Gesellschaft sieht, zumal wenn ihnen bei festlichen Anlässen auch äußerliche Ehren erwiesen werden. ^ . In der jüngsten Zeit hat sich in dem deutschen Kriegervereinswefen eine Erscheinung bemerkbar gemacht, die geeignet ist, dessen so mühsam und nach langem Ringen hergestellte Einheit zu beeinträchtigen und ihr zu schaden. Der erst im Jahre 1899 in das Leben getretene Preußische Landeskriegerverband, der den Abschluß der langjährigen Bestrebungen von Nord und Süd, zu einem ungeteilten Ganzen zu gelangen, brachte, beruht bekanntlich auf dem Gedanken der territorialen Zusammenfassung der Kriegervereine nach Landesverbänden. So bildet denn jetzt, wie schon gesagt worden ist, jede staatliche Körperschaft auch ein selbständiges Glied im Kriegervereinswesen. Dieser Organisation widerspricht die Bildung von Sonderverbänden, wie sie jetzt mehrfach hervorgetreten sind. So haben sich Vereine ehemaliger Artilleristen, Pioniere, Jäger, Gardisten, Kavalleristen usw., bisweilen noch wiederum nach Provinzen gegliedert, gebildet, die den Landesverbänden viele Mitglieder entzogen haben und eine Zersplitte¬ rung herbeiführen. Der wirkliche Nutzen der Kriegervereine und ihre Bedeutung im öffentlichen Leben beruht auf der Zusammenfassung aller ehemaligen Sol¬ daten, wie das Gebiet des Wohnorts sie vereinigt hat, in einen Verband, ohne Rücksicht auf Sonderinteressen und Sonderbestrebungen. Gerade in der Ver¬ schmelzung aller Waffen und aller Truppengattungen zu organischen Einheiten, worin der frühere Jäger oder Kavallerist kein Vorurteil hat gegen seinen Vor¬ sitzenden, der vielleicht der Infanterie oder der Artillerie angehörte, sondern vertrauensvoll seinem Führer folgt, liegt die Stärke des Kriegervereinswesens. Richtig geleitet und von vaterländischen Sinne getragen wird es ein das innere Staatsleben und seine Entwicklung und Fortbildung schützender Damm und andrerseits eine die Wehrkraft unsers Vaterlandes nach außen erhaltende und verstärkende Macht sein. i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/406>, abgerufen am 23.07.2024.