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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt

gestählt und mit einer Reihe ersprießlicher Kenntnisse und Fertigkeiten aus-
gestattet ist.

Im Frieden haben die Sanitütstolonnen häufig bei Unglücksfällen auf der
Eisenbahn, bei Überschwemmungen, Feuersbrünsten, bei Ereignissen mit großen
Menschenansammlungen usw. schützenswerte Dienste geleistet.

Zu den Tendenzen des Vereinslebens gehört auch die Pflege der Gesellig¬
keit, um einen gewissen Zusammenhang zwischen den verschieden Berufskreisen
und verschiednen Ständen angehörenden Mitgliedern aufrecht zu erhalten. Die
Erinnerung an die Soldatenzeit, namentlich wenn sich damit Erinnerungen an
den Krieg und gemeinsame Erlebnisse im Kriege verbinden, ist ein natürliches
Bindemittel, besonders zwischen Angehörigen desselben Truppenteils, die auf diese
Weise angeregt werden, der Zeiten zu gedenken, wo sie des Königs Rock trugen,
und wo ihnen das Festhalten an Ehre, Pflicht und Anhänglichkeit an den
Landesherrn und an das Vaterland als eine der ersten Tugenden im soldatischen
Leben eingeprägt wurden.

Die ehrenvolle äußere Stellung, die die Kricgervereine in der Öffentlichkeit
einnehmen, der Umstand, daß ihnen namentlich in kleinern Städten und auf dem
Lande die angesehensten und bemitteltsten Leute augehören, heben und stärken das
Selbstbewußtsein und sind dem Mann ein Sporn, den Gesinnungen und den
Empfindungen treu zu bleiben, die ihm in seiner Jugend eingeprägt worden
sind. Der leichte moralische Zwang, der dem Individuum dadurch auferlegt
wird, daß er Mitglied einer Gemeinschaft ist, der gewisse äußere Vorrechte bei
Festlichkeiten, Aufzügen, Aufstellungen, Familienfeiern eingeräumt werden, das
Recht, dabei Uniform anzulegen und Ehrenzeichen zu tragen, schützt ihn vor
der Berührung mit unlautern Elementen und hält ihn von agitatorischen Be¬
strebungen fern, denen er vielleicht durch seiue Beschäftigung und seinen Erwerb
im bürgerlichen oder wirtschaftlichen Leben ausgesetzt wäre.

Eine wichtige Frage ist die der Führung und der Leitung der Krieger¬
vereine. In dem Lande der allgemeinen Wehrpflicht, wo der Dienst mit der
Waffe eine Ehrenpflicht ist, ja als ein Vorrecht jedes wehrpflichtigen Mannes gilt,
sind zwei Kategorien von Führern in den inaktiven Offizieren und in den
Offizieren des Beurlaubtenstandes von selbst gegeben. Der aus der Armee in
das bürgerliche Leben eingetretne Offizier, der alter Gewohnheit gemäß mit dein
Heere in steter Fühlung bleibt und durch mannigfache Bande mit ihr verbunden
ist, der zwischen Heer und Bürgertum steht, ist besonders geeignet, im Krieger¬
verein einen Platz einzunehmen. Was ihm besonders zustatten kommt, ist, daß
der gediente Soldat seinem Offizier, auch wenn dieser außer Dienst ist, eine
große Anhänglichkeit entgegenbringt. Das Gefühl der Autorität versagt dem
Offizier gegenüber fast niemals, und endlich gibt der Offizier dem Verein ein
erhöhtes Ansehen. Fast in noch höherm Maße sind die Reserve- und Landwehr¬
offiziere berufen, leitende Stellen im Kriegervereinswesen einzunehmen, namentlich
wenn sie als Gutsbesitzer oder als Fabrikanten, Großindustrielle, Unternehmer


Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt

gestählt und mit einer Reihe ersprießlicher Kenntnisse und Fertigkeiten aus-
gestattet ist.

Im Frieden haben die Sanitütstolonnen häufig bei Unglücksfällen auf der
Eisenbahn, bei Überschwemmungen, Feuersbrünsten, bei Ereignissen mit großen
Menschenansammlungen usw. schützenswerte Dienste geleistet.

Zu den Tendenzen des Vereinslebens gehört auch die Pflege der Gesellig¬
keit, um einen gewissen Zusammenhang zwischen den verschieden Berufskreisen
und verschiednen Ständen angehörenden Mitgliedern aufrecht zu erhalten. Die
Erinnerung an die Soldatenzeit, namentlich wenn sich damit Erinnerungen an
den Krieg und gemeinsame Erlebnisse im Kriege verbinden, ist ein natürliches
Bindemittel, besonders zwischen Angehörigen desselben Truppenteils, die auf diese
Weise angeregt werden, der Zeiten zu gedenken, wo sie des Königs Rock trugen,
und wo ihnen das Festhalten an Ehre, Pflicht und Anhänglichkeit an den
Landesherrn und an das Vaterland als eine der ersten Tugenden im soldatischen
Leben eingeprägt wurden.

Die ehrenvolle äußere Stellung, die die Kricgervereine in der Öffentlichkeit
einnehmen, der Umstand, daß ihnen namentlich in kleinern Städten und auf dem
Lande die angesehensten und bemitteltsten Leute augehören, heben und stärken das
Selbstbewußtsein und sind dem Mann ein Sporn, den Gesinnungen und den
Empfindungen treu zu bleiben, die ihm in seiner Jugend eingeprägt worden
sind. Der leichte moralische Zwang, der dem Individuum dadurch auferlegt
wird, daß er Mitglied einer Gemeinschaft ist, der gewisse äußere Vorrechte bei
Festlichkeiten, Aufzügen, Aufstellungen, Familienfeiern eingeräumt werden, das
Recht, dabei Uniform anzulegen und Ehrenzeichen zu tragen, schützt ihn vor
der Berührung mit unlautern Elementen und hält ihn von agitatorischen Be¬
strebungen fern, denen er vielleicht durch seiue Beschäftigung und seinen Erwerb
im bürgerlichen oder wirtschaftlichen Leben ausgesetzt wäre.

Eine wichtige Frage ist die der Führung und der Leitung der Krieger¬
vereine. In dem Lande der allgemeinen Wehrpflicht, wo der Dienst mit der
Waffe eine Ehrenpflicht ist, ja als ein Vorrecht jedes wehrpflichtigen Mannes gilt,
sind zwei Kategorien von Führern in den inaktiven Offizieren und in den
Offizieren des Beurlaubtenstandes von selbst gegeben. Der aus der Armee in
das bürgerliche Leben eingetretne Offizier, der alter Gewohnheit gemäß mit dein
Heere in steter Fühlung bleibt und durch mannigfache Bande mit ihr verbunden
ist, der zwischen Heer und Bürgertum steht, ist besonders geeignet, im Krieger¬
verein einen Platz einzunehmen. Was ihm besonders zustatten kommt, ist, daß
der gediente Soldat seinem Offizier, auch wenn dieser außer Dienst ist, eine
große Anhänglichkeit entgegenbringt. Das Gefühl der Autorität versagt dem
Offizier gegenüber fast niemals, und endlich gibt der Offizier dem Verein ein
erhöhtes Ansehen. Fast in noch höherm Maße sind die Reserve- und Landwehr¬
offiziere berufen, leitende Stellen im Kriegervereinswesen einzunehmen, namentlich
wenn sie als Gutsbesitzer oder als Fabrikanten, Großindustrielle, Unternehmer


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[0404] Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt gestählt und mit einer Reihe ersprießlicher Kenntnisse und Fertigkeiten aus- gestattet ist. Im Frieden haben die Sanitütstolonnen häufig bei Unglücksfällen auf der Eisenbahn, bei Überschwemmungen, Feuersbrünsten, bei Ereignissen mit großen Menschenansammlungen usw. schützenswerte Dienste geleistet. Zu den Tendenzen des Vereinslebens gehört auch die Pflege der Gesellig¬ keit, um einen gewissen Zusammenhang zwischen den verschieden Berufskreisen und verschiednen Ständen angehörenden Mitgliedern aufrecht zu erhalten. Die Erinnerung an die Soldatenzeit, namentlich wenn sich damit Erinnerungen an den Krieg und gemeinsame Erlebnisse im Kriege verbinden, ist ein natürliches Bindemittel, besonders zwischen Angehörigen desselben Truppenteils, die auf diese Weise angeregt werden, der Zeiten zu gedenken, wo sie des Königs Rock trugen, und wo ihnen das Festhalten an Ehre, Pflicht und Anhänglichkeit an den Landesherrn und an das Vaterland als eine der ersten Tugenden im soldatischen Leben eingeprägt wurden. Die ehrenvolle äußere Stellung, die die Kricgervereine in der Öffentlichkeit einnehmen, der Umstand, daß ihnen namentlich in kleinern Städten und auf dem Lande die angesehensten und bemitteltsten Leute augehören, heben und stärken das Selbstbewußtsein und sind dem Mann ein Sporn, den Gesinnungen und den Empfindungen treu zu bleiben, die ihm in seiner Jugend eingeprägt worden sind. Der leichte moralische Zwang, der dem Individuum dadurch auferlegt wird, daß er Mitglied einer Gemeinschaft ist, der gewisse äußere Vorrechte bei Festlichkeiten, Aufzügen, Aufstellungen, Familienfeiern eingeräumt werden, das Recht, dabei Uniform anzulegen und Ehrenzeichen zu tragen, schützt ihn vor der Berührung mit unlautern Elementen und hält ihn von agitatorischen Be¬ strebungen fern, denen er vielleicht durch seiue Beschäftigung und seinen Erwerb im bürgerlichen oder wirtschaftlichen Leben ausgesetzt wäre. Eine wichtige Frage ist die der Führung und der Leitung der Krieger¬ vereine. In dem Lande der allgemeinen Wehrpflicht, wo der Dienst mit der Waffe eine Ehrenpflicht ist, ja als ein Vorrecht jedes wehrpflichtigen Mannes gilt, sind zwei Kategorien von Führern in den inaktiven Offizieren und in den Offizieren des Beurlaubtenstandes von selbst gegeben. Der aus der Armee in das bürgerliche Leben eingetretne Offizier, der alter Gewohnheit gemäß mit dein Heere in steter Fühlung bleibt und durch mannigfache Bande mit ihr verbunden ist, der zwischen Heer und Bürgertum steht, ist besonders geeignet, im Krieger¬ verein einen Platz einzunehmen. Was ihm besonders zustatten kommt, ist, daß der gediente Soldat seinem Offizier, auch wenn dieser außer Dienst ist, eine große Anhänglichkeit entgegenbringt. Das Gefühl der Autorität versagt dem Offizier gegenüber fast niemals, und endlich gibt der Offizier dem Verein ein erhöhtes Ansehen. Fast in noch höherm Maße sind die Reserve- und Landwehr¬ offiziere berufen, leitende Stellen im Kriegervereinswesen einzunehmen, namentlich wenn sie als Gutsbesitzer oder als Fabrikanten, Großindustrielle, Unternehmer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/404>, abgerufen am 23.07.2024.