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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

daß er seinen Beistand in einer sehr wichtigen Frage erbitte. Württemberg habe
bis auf einige untergeordnete militärische Fragen, in denen Preußen aber nicht
nachgeben werde, den Beitritt erklärt. Der Beitritt Bayerns aber müsse erkauft
werden durch Gewährung einer bayrischen diplomatischen Vertretung und einer
selbständigen Militärverwaltung. Die Bildung eines Ausschusses für diplomatische
Angelegenheiten, worin Bayern den Vorsitz führen solle, hätte die bayrischen
Bevollmächtigten befriedigt, ebenso das Substitutionsrecht der bayrischen Ge¬
sandten für die Bundesgesandten. Die Armee solle selbständig bleiben. Im
Kriege wolle sich Bayern unterordnen, wie jetzt, im Frieden aber nur Inspektionen
zugeben, wie im ehemaligen Deutschen Bunde. Die Verwaltung wolle es selbst
führen und mit seinen Kammern das Spezialbudget feststellen, das summarische
Budget nach Maßgabe der Festsetzungen könne im Reichstag beraten werden,
dem entsprechend würden die Heereseinrichtuugen wie in Preußen geordnet
werden. Wenn diese Zugeständnisse gemacht würden, so wolle Bayern die
Bildung eines Deutschen Bundes ermöglichen und die Initiative zur Herstellung
von Kaiser und Reich ergreifen. Ihm persönlich würden zwar diese Zugestündnisse
für eine Einigung durchaus ungenügend erscheinen, aber die Lage der europäischen
Verhältnisse nötige ihn, sobald als möglich die Einigung Deutschlands als voll¬
endete Tatsache hinzustellen. Die Verwicklungen, die aus der russischen Kün¬
digung des Schwarzen - Meer-Vertrags entsteh" könnten, seien unberechenbar.
Deutschland werde aber eine entscheidende Stimme in dieser Frage führen, wenn
es ein Reich und durch seinen Kaiser mächtig vertreten sei. Lasse auch die
innere Verbindung zu wünschen übrig, so sei doch ein gemeinsames Band vor¬
handen, das durch die wachsenden Bedürfnisse der Nation immer fester geschlungen
werden würde. Es sei eine gemeinsame Vertretung der Interessen der Nation
und auch die monarchische Spitze geschaffen, die zugleich als Heerführer die
Einheit des Heeres verkörpere. Alle diese Vorzüge erlaubten nicht nur, sondern
geböten, das Gute dem Bessern vorzuziehen und somit das Mögliche auszu¬
führen. Habe Bayern diese Schwelle mit unserm Beistande betreten, so sei vom
Rückzug keine Rede mehr, es könne nur noch vorwärtsschreiten, und man dürfe
der Zukunft die bessere Entwicklung getrost überlassen.

Bismarck wies dann des weitern darauf hin, daß sich der König ungern
zu diesen militärischen Konzessionen entschließen werde, denen doch der große
und schätzbare Vorteil gegenüberstehe, die Kaiserfrage zu lösen, noch bevor der
Krieg zu Ende sei. Auch beim Kronprinzen sei Widerstand zu befürchten, ebenso
von der Militärpartei. Überzeugt, daß der Großherzog mit ihm diesen Augenblick
als einen entscheidenden Wendepunkt für die künftigen Geschicke Deutschlands
erkennen werde, glaube er hoffen zu dürfen, daß der Großherzog seinen Einfluß
beim Könige und beim Kronprinzen dahin geltend machen werde, daß sie von
der Größe dieser Lage Gebrauch machten. "Benutzen wir diesen Vorteil nicht,
so füllt Bayern in die Hände Österreichs und wird seine Truppen abrufen.
Dann geben wir der Welt ein Schauspiel deutscher Zwietracht, das alle Unter-


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

daß er seinen Beistand in einer sehr wichtigen Frage erbitte. Württemberg habe
bis auf einige untergeordnete militärische Fragen, in denen Preußen aber nicht
nachgeben werde, den Beitritt erklärt. Der Beitritt Bayerns aber müsse erkauft
werden durch Gewährung einer bayrischen diplomatischen Vertretung und einer
selbständigen Militärverwaltung. Die Bildung eines Ausschusses für diplomatische
Angelegenheiten, worin Bayern den Vorsitz führen solle, hätte die bayrischen
Bevollmächtigten befriedigt, ebenso das Substitutionsrecht der bayrischen Ge¬
sandten für die Bundesgesandten. Die Armee solle selbständig bleiben. Im
Kriege wolle sich Bayern unterordnen, wie jetzt, im Frieden aber nur Inspektionen
zugeben, wie im ehemaligen Deutschen Bunde. Die Verwaltung wolle es selbst
führen und mit seinen Kammern das Spezialbudget feststellen, das summarische
Budget nach Maßgabe der Festsetzungen könne im Reichstag beraten werden,
dem entsprechend würden die Heereseinrichtuugen wie in Preußen geordnet
werden. Wenn diese Zugeständnisse gemacht würden, so wolle Bayern die
Bildung eines Deutschen Bundes ermöglichen und die Initiative zur Herstellung
von Kaiser und Reich ergreifen. Ihm persönlich würden zwar diese Zugestündnisse
für eine Einigung durchaus ungenügend erscheinen, aber die Lage der europäischen
Verhältnisse nötige ihn, sobald als möglich die Einigung Deutschlands als voll¬
endete Tatsache hinzustellen. Die Verwicklungen, die aus der russischen Kün¬
digung des Schwarzen - Meer-Vertrags entsteh» könnten, seien unberechenbar.
Deutschland werde aber eine entscheidende Stimme in dieser Frage führen, wenn
es ein Reich und durch seinen Kaiser mächtig vertreten sei. Lasse auch die
innere Verbindung zu wünschen übrig, so sei doch ein gemeinsames Band vor¬
handen, das durch die wachsenden Bedürfnisse der Nation immer fester geschlungen
werden würde. Es sei eine gemeinsame Vertretung der Interessen der Nation
und auch die monarchische Spitze geschaffen, die zugleich als Heerführer die
Einheit des Heeres verkörpere. Alle diese Vorzüge erlaubten nicht nur, sondern
geböten, das Gute dem Bessern vorzuziehen und somit das Mögliche auszu¬
führen. Habe Bayern diese Schwelle mit unserm Beistande betreten, so sei vom
Rückzug keine Rede mehr, es könne nur noch vorwärtsschreiten, und man dürfe
der Zukunft die bessere Entwicklung getrost überlassen.

Bismarck wies dann des weitern darauf hin, daß sich der König ungern
zu diesen militärischen Konzessionen entschließen werde, denen doch der große
und schätzbare Vorteil gegenüberstehe, die Kaiserfrage zu lösen, noch bevor der
Krieg zu Ende sei. Auch beim Kronprinzen sei Widerstand zu befürchten, ebenso
von der Militärpartei. Überzeugt, daß der Großherzog mit ihm diesen Augenblick
als einen entscheidenden Wendepunkt für die künftigen Geschicke Deutschlands
erkennen werde, glaube er hoffen zu dürfen, daß der Großherzog seinen Einfluß
beim Könige und beim Kronprinzen dahin geltend machen werde, daß sie von
der Größe dieser Lage Gebrauch machten. „Benutzen wir diesen Vorteil nicht,
so füllt Bayern in die Hände Österreichs und wird seine Truppen abrufen.
Dann geben wir der Welt ein Schauspiel deutscher Zwietracht, das alle Unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/31>, abgerufen am 25.08.2024.