Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

aussprechen, daß es den Eintritt in den Nordbund zu vollzieh" gedenke,
sobald ein Friedensschluß in Aussicht stehe. Jedenfalls sei die Berechtigung
in Anspruch zu nehmen, einzeln und selbständig mit dem Norddeutschen Bunde
zu verhandeln und den separaten Eintritt in diesen Bund zu verlangen.
Zugleich regte der Großherzog auch noch die Frage an, persönlich und münd¬
lich mit dem Könige von Bayern zu verkehren, um die Kaiserfrage sowohl
als die Verfassungsfrage vorwärts zu bringen. In diesem Sinne ist dann,
nachdem sich ein persönlicher Besuch des Großherzogs in München als un¬
durchführbar erwiesen hatte, später die Entsendung Gelzers mit einem Hand¬
schreiben an den König nach München erfolgt.

Eine Woche vor Eingang der preußischen Antwort in Karlsruhe war im
Hauptquartier zu Lampertsheim der oldenburgische Staatsrat Imsen einge¬
troffen, von dem vor Metz bei seinen oldenburgischen Truppen stehenden Gro߬
herzog von Oldenburg um den Großherzog Friedrich entsendet. Der Großherzog
von Oldenburg hatte' es nachteilig empfunden, in einer Zeit, wo wichtige und
folgenschwere politische Verhandlungen vielleicht nahe bevorstünden, von seinen
fürstlichen Standesgenossen und dem Verkehr mit ihnen ziemlich abgeschlossen
zu sein. Er ging, wie Imsen in seiner Biographie des verewigten Fürsten
berichtet, von der Annahme aus, daß der Eintritt Bayerns in den Bund zu
Verfassungsänderungen führen müsse, und daß sich somit Gelegenheit bieten
werde, auf verschiedne im Jahre 1867 beiseite geschobne Fragen zurückzu¬
kommen. Neben der Kaiserfrage rechnete der Großherzog dahin namentlich die
Frage der Errichtung eines Oberhauses oder Fürstenhauses, die ihm besonders
am Herzen lag. Imsen wurde am 12. September, just an dem Tage, an dem die
erste bayrische Mitteilung im Hauptquartier einlief, vom Großherzog Friedrich in
anderthalbstündiger Audienz empfangen. Der Bericht, den er seinem Landes¬
herrn über diese Audienz erstattet hat, und der sich zu seinem größten Teil
in der Anlage zu der erwähnten Biographie abgedruckt findet, gibt einen
vollständigen Überblick der Politik Badens, wie sie Großherzog Friedrich dem
Abgesandten Oldenburgs mit großer Übersichtlichkeit vorgetragen und wobei
er ihm auch über den Inhalt der Denkschrift vom 31. August Mitteilung gemacht
hat. Der Vortrag des Großherzogs berührte die Frage der Zukunft Elsaß-
Lothringens, die Kaiserfrage, bezüglich deren er hinzufügte, ihm sei schon seit
dem Mürz bekannt, daß Graf Bismarck eine weitere Verfolgung der Kaiseridee
jetzt gern sehe, auch der Kronprinz, mit dem er über diese Gegenstünde zuletzt
am Tage vor der Schlacht von Wörth in Sulz gesprochen habe, stehe auf dem
Boden derselben Austastung. Bringe man die projektierten elsaß-lothringischen
Erwerbungen direkt oder indirekt unter die Krone Preußens, so werde damit,
auch wenn es nicht sofort zu einer vollen bundesstaatlichen Einigung zwischen
dem Norden und dem Süden kommen sollte, die ganze Position der süddeutschen
Staaten verschoben und deren engere Vereinigung mit dem Norden von selbst
unendlich näher gerückt, denn auch Preußen werde alsdann ein süddeutscher


Grenzboten IV 1906 2
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

aussprechen, daß es den Eintritt in den Nordbund zu vollzieh» gedenke,
sobald ein Friedensschluß in Aussicht stehe. Jedenfalls sei die Berechtigung
in Anspruch zu nehmen, einzeln und selbständig mit dem Norddeutschen Bunde
zu verhandeln und den separaten Eintritt in diesen Bund zu verlangen.
Zugleich regte der Großherzog auch noch die Frage an, persönlich und münd¬
lich mit dem Könige von Bayern zu verkehren, um die Kaiserfrage sowohl
als die Verfassungsfrage vorwärts zu bringen. In diesem Sinne ist dann,
nachdem sich ein persönlicher Besuch des Großherzogs in München als un¬
durchführbar erwiesen hatte, später die Entsendung Gelzers mit einem Hand¬
schreiben an den König nach München erfolgt.

Eine Woche vor Eingang der preußischen Antwort in Karlsruhe war im
Hauptquartier zu Lampertsheim der oldenburgische Staatsrat Imsen einge¬
troffen, von dem vor Metz bei seinen oldenburgischen Truppen stehenden Gro߬
herzog von Oldenburg um den Großherzog Friedrich entsendet. Der Großherzog
von Oldenburg hatte' es nachteilig empfunden, in einer Zeit, wo wichtige und
folgenschwere politische Verhandlungen vielleicht nahe bevorstünden, von seinen
fürstlichen Standesgenossen und dem Verkehr mit ihnen ziemlich abgeschlossen
zu sein. Er ging, wie Imsen in seiner Biographie des verewigten Fürsten
berichtet, von der Annahme aus, daß der Eintritt Bayerns in den Bund zu
Verfassungsänderungen führen müsse, und daß sich somit Gelegenheit bieten
werde, auf verschiedne im Jahre 1867 beiseite geschobne Fragen zurückzu¬
kommen. Neben der Kaiserfrage rechnete der Großherzog dahin namentlich die
Frage der Errichtung eines Oberhauses oder Fürstenhauses, die ihm besonders
am Herzen lag. Imsen wurde am 12. September, just an dem Tage, an dem die
erste bayrische Mitteilung im Hauptquartier einlief, vom Großherzog Friedrich in
anderthalbstündiger Audienz empfangen. Der Bericht, den er seinem Landes¬
herrn über diese Audienz erstattet hat, und der sich zu seinem größten Teil
in der Anlage zu der erwähnten Biographie abgedruckt findet, gibt einen
vollständigen Überblick der Politik Badens, wie sie Großherzog Friedrich dem
Abgesandten Oldenburgs mit großer Übersichtlichkeit vorgetragen und wobei
er ihm auch über den Inhalt der Denkschrift vom 31. August Mitteilung gemacht
hat. Der Vortrag des Großherzogs berührte die Frage der Zukunft Elsaß-
Lothringens, die Kaiserfrage, bezüglich deren er hinzufügte, ihm sei schon seit
dem Mürz bekannt, daß Graf Bismarck eine weitere Verfolgung der Kaiseridee
jetzt gern sehe, auch der Kronprinz, mit dem er über diese Gegenstünde zuletzt
am Tage vor der Schlacht von Wörth in Sulz gesprochen habe, stehe auf dem
Boden derselben Austastung. Bringe man die projektierten elsaß-lothringischen
Erwerbungen direkt oder indirekt unter die Krone Preußens, so werde damit,
auch wenn es nicht sofort zu einer vollen bundesstaatlichen Einigung zwischen
dem Norden und dem Süden kommen sollte, die ganze Position der süddeutschen
Staaten verschoben und deren engere Vereinigung mit dem Norden von selbst
unendlich näher gerückt, denn auch Preußen werde alsdann ein süddeutscher


Grenzboten IV 1906 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300520"/>
          <fw type="header" place="top"> Großherzog Friedrich von Baden in Versailles</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_39" prev="#ID_38"> aussprechen, daß es den Eintritt in den Nordbund zu vollzieh» gedenke,<lb/>
sobald ein Friedensschluß in Aussicht stehe. Jedenfalls sei die Berechtigung<lb/>
in Anspruch zu nehmen, einzeln und selbständig mit dem Norddeutschen Bunde<lb/>
zu verhandeln und den separaten Eintritt in diesen Bund zu verlangen.<lb/>
Zugleich regte der Großherzog auch noch die Frage an, persönlich und münd¬<lb/>
lich mit dem Könige von Bayern zu verkehren, um die Kaiserfrage sowohl<lb/>
als die Verfassungsfrage vorwärts zu bringen. In diesem Sinne ist dann,<lb/>
nachdem sich ein persönlicher Besuch des Großherzogs in München als un¬<lb/>
durchführbar erwiesen hatte, später die Entsendung Gelzers mit einem Hand¬<lb/>
schreiben an den König nach München erfolgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Eine Woche vor Eingang der preußischen Antwort in Karlsruhe war im<lb/>
Hauptquartier zu Lampertsheim der oldenburgische Staatsrat Imsen einge¬<lb/>
troffen, von dem vor Metz bei seinen oldenburgischen Truppen stehenden Gro߬<lb/>
herzog von Oldenburg um den Großherzog Friedrich entsendet. Der Großherzog<lb/>
von Oldenburg hatte' es nachteilig empfunden, in einer Zeit, wo wichtige und<lb/>
folgenschwere politische Verhandlungen vielleicht nahe bevorstünden, von seinen<lb/>
fürstlichen Standesgenossen und dem Verkehr mit ihnen ziemlich abgeschlossen<lb/>
zu sein.  Er ging, wie Imsen in seiner Biographie des verewigten Fürsten<lb/>
berichtet, von der Annahme aus, daß der Eintritt Bayerns in den Bund zu<lb/>
Verfassungsänderungen führen müsse, und daß sich somit Gelegenheit bieten<lb/>
werde, auf verschiedne im Jahre 1867 beiseite geschobne Fragen zurückzu¬<lb/>
kommen. Neben der Kaiserfrage rechnete der Großherzog dahin namentlich die<lb/>
Frage der Errichtung eines Oberhauses oder Fürstenhauses, die ihm besonders<lb/>
am Herzen lag. Imsen wurde am 12. September, just an dem Tage, an dem die<lb/>
erste bayrische Mitteilung im Hauptquartier einlief, vom Großherzog Friedrich in<lb/>
anderthalbstündiger Audienz empfangen. Der Bericht, den er seinem Landes¬<lb/>
herrn über diese Audienz erstattet hat, und der sich zu seinem größten Teil<lb/>
in der Anlage zu der erwähnten Biographie abgedruckt findet, gibt einen<lb/>
vollständigen Überblick der Politik Badens, wie sie Großherzog Friedrich dem<lb/>
Abgesandten Oldenburgs mit großer Übersichtlichkeit vorgetragen und wobei<lb/>
er ihm auch über den Inhalt der Denkschrift vom 31. August Mitteilung gemacht<lb/>
hat.  Der Vortrag des Großherzogs berührte die Frage der Zukunft Elsaß-<lb/>
Lothringens, die Kaiserfrage, bezüglich deren er hinzufügte, ihm sei schon seit<lb/>
dem Mürz bekannt, daß Graf Bismarck eine weitere Verfolgung der Kaiseridee<lb/>
jetzt gern sehe, auch der Kronprinz, mit dem er über diese Gegenstünde zuletzt<lb/>
am Tage vor der Schlacht von Wörth in Sulz gesprochen habe, stehe auf dem<lb/>
Boden derselben Austastung. Bringe man die projektierten elsaß-lothringischen<lb/>
Erwerbungen direkt oder indirekt unter die Krone Preußens, so werde damit,<lb/>
auch wenn es nicht sofort zu einer vollen bundesstaatlichen Einigung zwischen<lb/>
dem Norden und dem Süden kommen sollte, die ganze Position der süddeutschen<lb/>
Staaten verschoben und deren engere Vereinigung mit dem Norden von selbst<lb/>
unendlich näher gerückt, denn auch Preußen werde alsdann ein süddeutscher</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1906 2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles aussprechen, daß es den Eintritt in den Nordbund zu vollzieh» gedenke, sobald ein Friedensschluß in Aussicht stehe. Jedenfalls sei die Berechtigung in Anspruch zu nehmen, einzeln und selbständig mit dem Norddeutschen Bunde zu verhandeln und den separaten Eintritt in diesen Bund zu verlangen. Zugleich regte der Großherzog auch noch die Frage an, persönlich und münd¬ lich mit dem Könige von Bayern zu verkehren, um die Kaiserfrage sowohl als die Verfassungsfrage vorwärts zu bringen. In diesem Sinne ist dann, nachdem sich ein persönlicher Besuch des Großherzogs in München als un¬ durchführbar erwiesen hatte, später die Entsendung Gelzers mit einem Hand¬ schreiben an den König nach München erfolgt. Eine Woche vor Eingang der preußischen Antwort in Karlsruhe war im Hauptquartier zu Lampertsheim der oldenburgische Staatsrat Imsen einge¬ troffen, von dem vor Metz bei seinen oldenburgischen Truppen stehenden Gro߬ herzog von Oldenburg um den Großherzog Friedrich entsendet. Der Großherzog von Oldenburg hatte' es nachteilig empfunden, in einer Zeit, wo wichtige und folgenschwere politische Verhandlungen vielleicht nahe bevorstünden, von seinen fürstlichen Standesgenossen und dem Verkehr mit ihnen ziemlich abgeschlossen zu sein. Er ging, wie Imsen in seiner Biographie des verewigten Fürsten berichtet, von der Annahme aus, daß der Eintritt Bayerns in den Bund zu Verfassungsänderungen führen müsse, und daß sich somit Gelegenheit bieten werde, auf verschiedne im Jahre 1867 beiseite geschobne Fragen zurückzu¬ kommen. Neben der Kaiserfrage rechnete der Großherzog dahin namentlich die Frage der Errichtung eines Oberhauses oder Fürstenhauses, die ihm besonders am Herzen lag. Imsen wurde am 12. September, just an dem Tage, an dem die erste bayrische Mitteilung im Hauptquartier einlief, vom Großherzog Friedrich in anderthalbstündiger Audienz empfangen. Der Bericht, den er seinem Landes¬ herrn über diese Audienz erstattet hat, und der sich zu seinem größten Teil in der Anlage zu der erwähnten Biographie abgedruckt findet, gibt einen vollständigen Überblick der Politik Badens, wie sie Großherzog Friedrich dem Abgesandten Oldenburgs mit großer Übersichtlichkeit vorgetragen und wobei er ihm auch über den Inhalt der Denkschrift vom 31. August Mitteilung gemacht hat. Der Vortrag des Großherzogs berührte die Frage der Zukunft Elsaß- Lothringens, die Kaiserfrage, bezüglich deren er hinzufügte, ihm sei schon seit dem Mürz bekannt, daß Graf Bismarck eine weitere Verfolgung der Kaiseridee jetzt gern sehe, auch der Kronprinz, mit dem er über diese Gegenstünde zuletzt am Tage vor der Schlacht von Wörth in Sulz gesprochen habe, stehe auf dem Boden derselben Austastung. Bringe man die projektierten elsaß-lothringischen Erwerbungen direkt oder indirekt unter die Krone Preußens, so werde damit, auch wenn es nicht sofort zu einer vollen bundesstaatlichen Einigung zwischen dem Norden und dem Süden kommen sollte, die ganze Position der süddeutschen Staaten verschoben und deren engere Vereinigung mit dem Norden von selbst unendlich näher gerückt, denn auch Preußen werde alsdann ein süddeutscher Grenzboten IV 1906 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/21>, abgerufen am 23.07.2024.