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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Freunde mit dem ungerechte" (?) Mammon der Redensart machen und nicht
als Preußen wie an jeder andern Spitze, auch an der des Partikularismus
stehen." Es geht hieraus hervor, daß Bismarck im Jahre 1869 sehr wohl schon
an ein "königlich deutsches Heer" dachte, also wenigstens an die militärische
Einheit. Es liegt nahe, anzunehmen, daß ihn der Fortgang der Gedanken¬
entwicklung, die in diesem Briefe zum Ausdruck kommt, innerhalb der nächsten
Monate auch zur Kaiseridce geführt hat. Eine kleine Ursache und eine große
Wirkung.

In betreff des Kaisertitels stießen nun die Anschauungen der nüchst-
beteiligten Persönlichkeiten sowie auch der andern fürstlichen Bundesmitglieder
sehr hart mit denen des Bundeskanzlers zusammen. Sie hatten durchaus keine
Neigung, Bayern auch noch hierin nachzugeben, sondern empfanden es als ein
beschämendes Gefühl, daß die Meinung aller andern deutschen Fürsten gegen
die der bayrischen Minister -- von der Ansicht des Königs Ludwig wußte
man überhaupt nichts -- zurückstehen solle. Es muß hier eingeschaltet werden,
daß der Titel "Kaiser von Deutschland" anfangs von den Bayern nicht
prinzipiell angefochten worden zu sein scheint. Wenigstens berichtet der Großherzog
von Oldenburg in seinen Aufzeichnungen über eine Unterredung, die er am
23. November 1870 in Versailles mit dem bayrischen Minister von Lutz gehabt
hat. Dieser habe berichtet: in betreff der Kaiserfrage hätten die Minister wieder
dringend den König gebeten, die Initiative zu ergreifen, sowohl brieflich wie tele¬
graphisch. Bismarck habe versprochen, seinen ganzen Einfluß aufzuwenden, daß
sich der Reichstag in dieser Frage passiv verhalte, bis ihm Vorlagen zugingen.
Es sei zu hoffen, daß der König von Bayern an die Fürsten die Aufforderung
erlasse, mit ihm gemeinschaftlich die Kaiserwürde dem König von Preußen an¬
zubieten. Wegen des Titels sei es unzweifelhaft, daß Kaiser von Deutsch¬
land gewählt werde. Herr von Lutz erzählte weiter, daß Bennigsen und Laster
in München erklärt hätten, der Reichstag werde bayrischen Sonderwünschen
alle Rücksicht zuteil werden lassen, und dies auch schriftlich getan Hütten. Diese
Aktenstücke habe er Bismarck gezeigt, als dieser sich auf den Reichstag berufen
hätte; der Kanzler sei sehr erstaunt darüber gewesen, habe aber gute Miene zum
bösen Spiel gemacht und sich eine Abschrift ausgebeten, um sich nötigenfalls
darauf dem Reichstag gegenüber berufen zu können. -- Soweit die Aufzeichnung
des Großherzogs von Oldenburg, die von Lorenz in der Anmerkung zu seinem Buche
Seite 610 mitgeteilt wird. Es geht daraus hervor, daß bei der Unterzeichnung
der Versailler Verträge, die am 23. November stattfand, der Titel "Kaiser von
Deutschland" von bayrischer Seite noch nicht beanstandet worden war. Wenigstens
scheint Lutz davon nichts gewußt zu haben, und es hätte somit eine Abmachung
nur zwischen Bismarck und dem Grafen Bray stattgefunden, vielleicht auch nur
mit dem Grafen Holnstein.

Was aber die Sache besonders kompliziert machte, war der Umstand, daß
dem König Wilhelm am 11. Januar von bayrischer Seite eine persönliche


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Freunde mit dem ungerechte« (?) Mammon der Redensart machen und nicht
als Preußen wie an jeder andern Spitze, auch an der des Partikularismus
stehen." Es geht hieraus hervor, daß Bismarck im Jahre 1869 sehr wohl schon
an ein „königlich deutsches Heer" dachte, also wenigstens an die militärische
Einheit. Es liegt nahe, anzunehmen, daß ihn der Fortgang der Gedanken¬
entwicklung, die in diesem Briefe zum Ausdruck kommt, innerhalb der nächsten
Monate auch zur Kaiseridce geführt hat. Eine kleine Ursache und eine große
Wirkung.

In betreff des Kaisertitels stießen nun die Anschauungen der nüchst-
beteiligten Persönlichkeiten sowie auch der andern fürstlichen Bundesmitglieder
sehr hart mit denen des Bundeskanzlers zusammen. Sie hatten durchaus keine
Neigung, Bayern auch noch hierin nachzugeben, sondern empfanden es als ein
beschämendes Gefühl, daß die Meinung aller andern deutschen Fürsten gegen
die der bayrischen Minister — von der Ansicht des Königs Ludwig wußte
man überhaupt nichts — zurückstehen solle. Es muß hier eingeschaltet werden,
daß der Titel „Kaiser von Deutschland" anfangs von den Bayern nicht
prinzipiell angefochten worden zu sein scheint. Wenigstens berichtet der Großherzog
von Oldenburg in seinen Aufzeichnungen über eine Unterredung, die er am
23. November 1870 in Versailles mit dem bayrischen Minister von Lutz gehabt
hat. Dieser habe berichtet: in betreff der Kaiserfrage hätten die Minister wieder
dringend den König gebeten, die Initiative zu ergreifen, sowohl brieflich wie tele¬
graphisch. Bismarck habe versprochen, seinen ganzen Einfluß aufzuwenden, daß
sich der Reichstag in dieser Frage passiv verhalte, bis ihm Vorlagen zugingen.
Es sei zu hoffen, daß der König von Bayern an die Fürsten die Aufforderung
erlasse, mit ihm gemeinschaftlich die Kaiserwürde dem König von Preußen an¬
zubieten. Wegen des Titels sei es unzweifelhaft, daß Kaiser von Deutsch¬
land gewählt werde. Herr von Lutz erzählte weiter, daß Bennigsen und Laster
in München erklärt hätten, der Reichstag werde bayrischen Sonderwünschen
alle Rücksicht zuteil werden lassen, und dies auch schriftlich getan Hütten. Diese
Aktenstücke habe er Bismarck gezeigt, als dieser sich auf den Reichstag berufen
hätte; der Kanzler sei sehr erstaunt darüber gewesen, habe aber gute Miene zum
bösen Spiel gemacht und sich eine Abschrift ausgebeten, um sich nötigenfalls
darauf dem Reichstag gegenüber berufen zu können. — Soweit die Aufzeichnung
des Großherzogs von Oldenburg, die von Lorenz in der Anmerkung zu seinem Buche
Seite 610 mitgeteilt wird. Es geht daraus hervor, daß bei der Unterzeichnung
der Versailler Verträge, die am 23. November stattfand, der Titel „Kaiser von
Deutschland" von bayrischer Seite noch nicht beanstandet worden war. Wenigstens
scheint Lutz davon nichts gewußt zu haben, und es hätte somit eine Abmachung
nur zwischen Bismarck und dem Grafen Bray stattgefunden, vielleicht auch nur
mit dem Grafen Holnstein.

Was aber die Sache besonders kompliziert machte, war der Umstand, daß
dem König Wilhelm am 11. Januar von bayrischer Seite eine persönliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/208>, abgerufen am 23.07.2024.