Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das preußische Gffizierkorxs von ^306 im Lichte neuer Forschungen

von Schmidt erscheint in der Rangliste von 1806 Blücher als General¬
leutnant, Chef des Husarenregiments Ur. 8 und Gouverneur von Münster,
Gneisenau als Kapitän in der Niederschlesischen Füsilierbrigade in Jauer,
Scharnhorst als Oberst im Generalquartiermeisterstabe in Berlin, Dort als
Oberst und Kommandeur des Feldjägerregiments in Mittenwalde, Bülow als
Oberst und Bataillonskommandeur in der 2. Ostpreußischen Füsilierbrigade
in Soltau, Tauentzien als Generalmajor, Chef des Infanterieregiments
Ur. 56 in Neuenkirchen bei Bayreuth, Kleist als Oberst und Generaladjutant
in Berlin, Clausewitz als Stabskapitän und Adjutant des Prinzen August
von Preußen.

Wenn an den Namen Blüchers und Scharnhorsts die Namen Lübeck
und Ratkau, wo sie ehrenvoll unterlagen und kapitulierten, haften geblieben
wären, gereichte ihnen das nicht zur Schande. Wie sie haben aber auch noch
viele andre Offiziere von 1806 in engerm Wirkungskreise ihre Pflicht getan.
Das darf man nicht vergessen.

Damit soll nicht gesagt sein, daß aus den Besiegten von 1806 ohne jede
Veränderung ihrer Gesinnung die Sieger von 1813 geworden sind. Das
preußische Offizierkorps wurde nach 1806 "auf eine neue sittlich hohe Grund¬
lage gestellt", auf die Grundlage, "die noch immer fest gefügt dasteht, die aber
nur dadurch aufzurichten war, daß die Bausteine nicht fehlten".

Diese Umgestaltung schildert ein von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II
des Großen Generalstabs herausgegebnes Werk mit dem Titel: 1806. Das
Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse.*)

Die Herausgeber gehn von der Tatsache aus, daß Preußen die Führer,
die es für seine Streiter in den Befreiungskriegen brauchte, in dem Offizier¬
korps seiner Armee fand, in demselben Offizierkorps, das im Jahre 1806
geschlagen worden war. Sie zeigen, daß dies hauptsächlich dadurch möglich
wurde, daß das Offizierkorps nach dem Kriege auf Befehl des Königs selbst
über sich zu Gericht gesessen und alle seine Mitglieder, die in dem unglück¬
lichen Kriege gefehlt oder auch nur geirrt hatten, mit rücksichtloser Strenge
bestraft und ausgeschieden hatte.

Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des militärischen Organismus
begann das Heilungsverfahren, so wenig Hoffnung auf Genesung geblieben
war. Denn der Zusammenbruch war furchtbar.

Im Oktober und im November 1806 kapitulierten neun feste Plätze,
Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Fort Clarenberg bei Czen-
stochau, Hameln, Nienburg und Plassenburg, und im freien Felde bei Wich-
mannsdorf, Prenzlau, Pasewalk, Ankam, Boldekow, Wahren, Wolgast,
Wismar, Krempersdorf, Ratkau, Tmvemünde und Lüneburg die Trümmer
des in den Schlachten und Gefechten an der Saale geschlagner Heeres und



*) Berlin 1906, Ernst Siegfried Mittler und Sohn.
Das preußische Gffizierkorxs von ^306 im Lichte neuer Forschungen

von Schmidt erscheint in der Rangliste von 1806 Blücher als General¬
leutnant, Chef des Husarenregiments Ur. 8 und Gouverneur von Münster,
Gneisenau als Kapitän in der Niederschlesischen Füsilierbrigade in Jauer,
Scharnhorst als Oberst im Generalquartiermeisterstabe in Berlin, Dort als
Oberst und Kommandeur des Feldjägerregiments in Mittenwalde, Bülow als
Oberst und Bataillonskommandeur in der 2. Ostpreußischen Füsilierbrigade
in Soltau, Tauentzien als Generalmajor, Chef des Infanterieregiments
Ur. 56 in Neuenkirchen bei Bayreuth, Kleist als Oberst und Generaladjutant
in Berlin, Clausewitz als Stabskapitän und Adjutant des Prinzen August
von Preußen.

Wenn an den Namen Blüchers und Scharnhorsts die Namen Lübeck
und Ratkau, wo sie ehrenvoll unterlagen und kapitulierten, haften geblieben
wären, gereichte ihnen das nicht zur Schande. Wie sie haben aber auch noch
viele andre Offiziere von 1806 in engerm Wirkungskreise ihre Pflicht getan.
Das darf man nicht vergessen.

Damit soll nicht gesagt sein, daß aus den Besiegten von 1806 ohne jede
Veränderung ihrer Gesinnung die Sieger von 1813 geworden sind. Das
preußische Offizierkorps wurde nach 1806 „auf eine neue sittlich hohe Grund¬
lage gestellt", auf die Grundlage, „die noch immer fest gefügt dasteht, die aber
nur dadurch aufzurichten war, daß die Bausteine nicht fehlten".

Diese Umgestaltung schildert ein von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II
des Großen Generalstabs herausgegebnes Werk mit dem Titel: 1806. Das
Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse.*)

Die Herausgeber gehn von der Tatsache aus, daß Preußen die Führer,
die es für seine Streiter in den Befreiungskriegen brauchte, in dem Offizier¬
korps seiner Armee fand, in demselben Offizierkorps, das im Jahre 1806
geschlagen worden war. Sie zeigen, daß dies hauptsächlich dadurch möglich
wurde, daß das Offizierkorps nach dem Kriege auf Befehl des Königs selbst
über sich zu Gericht gesessen und alle seine Mitglieder, die in dem unglück¬
lichen Kriege gefehlt oder auch nur geirrt hatten, mit rücksichtloser Strenge
bestraft und ausgeschieden hatte.

Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des militärischen Organismus
begann das Heilungsverfahren, so wenig Hoffnung auf Genesung geblieben
war. Denn der Zusammenbruch war furchtbar.

Im Oktober und im November 1806 kapitulierten neun feste Plätze,
Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Fort Clarenberg bei Czen-
stochau, Hameln, Nienburg und Plassenburg, und im freien Felde bei Wich-
mannsdorf, Prenzlau, Pasewalk, Ankam, Boldekow, Wahren, Wolgast,
Wismar, Krempersdorf, Ratkau, Tmvemünde und Lüneburg die Trümmer
des in den Schlachten und Gefechten an der Saale geschlagner Heeres und



*) Berlin 1906, Ernst Siegfried Mittler und Sohn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300687"/>
          <fw type="header" place="top"> Das preußische Gffizierkorxs von ^306 im Lichte neuer Forschungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_747" prev="#ID_746"> von Schmidt erscheint in der Rangliste von 1806 Blücher als General¬<lb/>
leutnant, Chef des Husarenregiments Ur. 8 und Gouverneur von Münster,<lb/>
Gneisenau als Kapitän in der Niederschlesischen Füsilierbrigade in Jauer,<lb/>
Scharnhorst als Oberst im Generalquartiermeisterstabe in Berlin, Dort als<lb/>
Oberst und Kommandeur des Feldjägerregiments in Mittenwalde, Bülow als<lb/>
Oberst und Bataillonskommandeur in der 2. Ostpreußischen Füsilierbrigade<lb/>
in Soltau, Tauentzien als Generalmajor, Chef des Infanterieregiments<lb/>
Ur. 56 in Neuenkirchen bei Bayreuth, Kleist als Oberst und Generaladjutant<lb/>
in Berlin, Clausewitz als Stabskapitän und Adjutant des Prinzen August<lb/>
von Preußen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_748"> Wenn an den Namen Blüchers und Scharnhorsts die Namen Lübeck<lb/>
und Ratkau, wo sie ehrenvoll unterlagen und kapitulierten, haften geblieben<lb/>
wären, gereichte ihnen das nicht zur Schande. Wie sie haben aber auch noch<lb/>
viele andre Offiziere von 1806 in engerm Wirkungskreise ihre Pflicht getan.<lb/>
Das darf man nicht vergessen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_749"> Damit soll nicht gesagt sein, daß aus den Besiegten von 1806 ohne jede<lb/>
Veränderung ihrer Gesinnung die Sieger von 1813 geworden sind. Das<lb/>
preußische Offizierkorps wurde nach 1806 &#x201E;auf eine neue sittlich hohe Grund¬<lb/>
lage gestellt", auf die Grundlage, &#x201E;die noch immer fest gefügt dasteht, die aber<lb/>
nur dadurch aufzurichten war, daß die Bausteine nicht fehlten".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Diese Umgestaltung schildert ein von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II<lb/>
des Großen Generalstabs herausgegebnes Werk mit dem Titel: 1806. Das<lb/>
Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Die Herausgeber gehn von der Tatsache aus, daß Preußen die Führer,<lb/>
die es für seine Streiter in den Befreiungskriegen brauchte, in dem Offizier¬<lb/>
korps seiner Armee fand, in demselben Offizierkorps, das im Jahre 1806<lb/>
geschlagen worden war. Sie zeigen, daß dies hauptsächlich dadurch möglich<lb/>
wurde, daß das Offizierkorps nach dem Kriege auf Befehl des Königs selbst<lb/>
über sich zu Gericht gesessen und alle seine Mitglieder, die in dem unglück¬<lb/>
lichen Kriege gefehlt oder auch nur geirrt hatten, mit rücksichtloser Strenge<lb/>
bestraft und ausgeschieden hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_752"> Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des militärischen Organismus<lb/>
begann das Heilungsverfahren, so wenig Hoffnung auf Genesung geblieben<lb/>
war.  Denn der Zusammenbruch war furchtbar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Im Oktober und im November 1806 kapitulierten neun feste Plätze,<lb/>
Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Fort Clarenberg bei Czen-<lb/>
stochau, Hameln, Nienburg und Plassenburg, und im freien Felde bei Wich-<lb/>
mannsdorf, Prenzlau, Pasewalk, Ankam, Boldekow, Wahren, Wolgast,<lb/>
Wismar, Krempersdorf, Ratkau, Tmvemünde und Lüneburg die Trümmer<lb/>
des in den Schlachten und Gefechten an der Saale geschlagner Heeres und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_16" place="foot"> *) Berlin 1906, Ernst Siegfried Mittler und Sohn.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] Das preußische Gffizierkorxs von ^306 im Lichte neuer Forschungen von Schmidt erscheint in der Rangliste von 1806 Blücher als General¬ leutnant, Chef des Husarenregiments Ur. 8 und Gouverneur von Münster, Gneisenau als Kapitän in der Niederschlesischen Füsilierbrigade in Jauer, Scharnhorst als Oberst im Generalquartiermeisterstabe in Berlin, Dort als Oberst und Kommandeur des Feldjägerregiments in Mittenwalde, Bülow als Oberst und Bataillonskommandeur in der 2. Ostpreußischen Füsilierbrigade in Soltau, Tauentzien als Generalmajor, Chef des Infanterieregiments Ur. 56 in Neuenkirchen bei Bayreuth, Kleist als Oberst und Generaladjutant in Berlin, Clausewitz als Stabskapitän und Adjutant des Prinzen August von Preußen. Wenn an den Namen Blüchers und Scharnhorsts die Namen Lübeck und Ratkau, wo sie ehrenvoll unterlagen und kapitulierten, haften geblieben wären, gereichte ihnen das nicht zur Schande. Wie sie haben aber auch noch viele andre Offiziere von 1806 in engerm Wirkungskreise ihre Pflicht getan. Das darf man nicht vergessen. Damit soll nicht gesagt sein, daß aus den Besiegten von 1806 ohne jede Veränderung ihrer Gesinnung die Sieger von 1813 geworden sind. Das preußische Offizierkorps wurde nach 1806 „auf eine neue sittlich hohe Grund¬ lage gestellt", auf die Grundlage, „die noch immer fest gefügt dasteht, die aber nur dadurch aufzurichten war, daß die Bausteine nicht fehlten". Diese Umgestaltung schildert ein von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabs herausgegebnes Werk mit dem Titel: 1806. Das Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse.*) Die Herausgeber gehn von der Tatsache aus, daß Preußen die Führer, die es für seine Streiter in den Befreiungskriegen brauchte, in dem Offizier¬ korps seiner Armee fand, in demselben Offizierkorps, das im Jahre 1806 geschlagen worden war. Sie zeigen, daß dies hauptsächlich dadurch möglich wurde, daß das Offizierkorps nach dem Kriege auf Befehl des Königs selbst über sich zu Gericht gesessen und alle seine Mitglieder, die in dem unglück¬ lichen Kriege gefehlt oder auch nur geirrt hatten, mit rücksichtloser Strenge bestraft und ausgeschieden hatte. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des militärischen Organismus begann das Heilungsverfahren, so wenig Hoffnung auf Genesung geblieben war. Denn der Zusammenbruch war furchtbar. Im Oktober und im November 1806 kapitulierten neun feste Plätze, Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg, Fort Clarenberg bei Czen- stochau, Hameln, Nienburg und Plassenburg, und im freien Felde bei Wich- mannsdorf, Prenzlau, Pasewalk, Ankam, Boldekow, Wahren, Wolgast, Wismar, Krempersdorf, Ratkau, Tmvemünde und Lüneburg die Trümmer des in den Schlachten und Gefechten an der Saale geschlagner Heeres und *) Berlin 1906, Ernst Siegfried Mittler und Sohn.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/188>, abgerufen am 23.07.2024.