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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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In der Residenz zu Aleinhausen

Dann saß er, nachdem er sich auf den Fußspitzen in sein Zimmer geschlichen
hatte, um von seiner Mutter heute nichts mehr gefragt zu werden, dort noch lange
bei der Lampe und schrieb auf das erste beste Blatt folgende Verse:

Und ob du gleich zuletzt als Herrin sprachst,
Du täuschest uns doch beide nicht: am Munde,
An seinen" Zucken sah ich, du begräbst
Sie auch nicht wieder, diese Abendstunde.
Wir stöberten vor flackernden Kamin
In Eurer Ahnen halbvergessenen Schätzen,
In Ketten, Diademen, Goldbrokat
Und toter Herzoginnen Purpurfetzen.
Da kam hervor ein schimmernd Panzerhemd,
Und mich durchzuckt des Künstlers Traumverlangen --
Ich bog das Knie und bat -- da gingst du fort
Und kamst zurück mit heißerglühten Wangen.
Und standest hoch im hellen Kerzenschein,
Stahlfunkelnd und mit weißen Marmorarmen,
Der Amazonen stolze Königin --
Und doch gelöst in zärtliches Erbarmen.
Ein wundersam Vergessen sprach dein Blick --
Aus seinem Dunkel fielen warme Tränen,
Du zogst mein Haupt an deine Brust, die wild
Im Silberpanzer stürmte voller Sehnen. . .
Dann war der Traum entflohn, du schrecktest aus,
Hobst dich hinweg mit zürnend kargen Munde --
Und hast mich doch geliebt, und hast geweint
In jener weltvergessenen Traumesstunde.
So blieb es unsers Schicksals Gleichnis: warm
Dein Herz und deine Brust, die menschlich holde,
Doch zwischen uns der kalte Stahl, gleichwie
Das Schwert einst trennte Tristan und Isolde.

Robert sah auf. In gleichmäßigen Pausen tropfte draußen der Regen vom
Dach auf das Brett vor seinem Fenster. Er öffnete es und lehnte sich hinaus.

Wie anders heute als an jenem ersten Abend, da er in sein Elternhaus zurück¬
gekehrt war! Ein ganzes Leben schien ihm dazwischen zu liegen --
""

Die "Tränen in seinem Gedicht hatte er "ergänzt. Wäre es ihm in den
Sinn gekommen, daß sich jenes Zucken, sobald die Tür hinter ihm zugefallen war,
in eine schallende Lache gelöst hätte -- ! Unbezahlbar! Das ist was für Krollinger!
Na, der wird wieder ein Gesicht machen.




Fürst Franz war von einer Besuchsreise zurückgekehrt und hatte soeben die
Vorträge seines Generalgewaltigen entgegengenommen.

Sind wir fertig, Krollinger?

Dank Euer Durchlaucht Ausdauer, ja, sobald Sie gnädigst noch einen Punkt
genehmigen wollen. Der alte Superintendent Brinckmann hat sich noch zur Abschieds¬
audienz gemeldet und ist auf heute halb zwölf Uhr bestellt. Er wird schon da sein.


In der Residenz zu Aleinhausen

Dann saß er, nachdem er sich auf den Fußspitzen in sein Zimmer geschlichen
hatte, um von seiner Mutter heute nichts mehr gefragt zu werden, dort noch lange
bei der Lampe und schrieb auf das erste beste Blatt folgende Verse:

Und ob du gleich zuletzt als Herrin sprachst,
Du täuschest uns doch beide nicht: am Munde,
An seinen« Zucken sah ich, du begräbst
Sie auch nicht wieder, diese Abendstunde.
Wir stöberten vor flackernden Kamin
In Eurer Ahnen halbvergessenen Schätzen,
In Ketten, Diademen, Goldbrokat
Und toter Herzoginnen Purpurfetzen.
Da kam hervor ein schimmernd Panzerhemd,
Und mich durchzuckt des Künstlers Traumverlangen —
Ich bog das Knie und bat — da gingst du fort
Und kamst zurück mit heißerglühten Wangen.
Und standest hoch im hellen Kerzenschein,
Stahlfunkelnd und mit weißen Marmorarmen,
Der Amazonen stolze Königin —
Und doch gelöst in zärtliches Erbarmen.
Ein wundersam Vergessen sprach dein Blick —
Aus seinem Dunkel fielen warme Tränen,
Du zogst mein Haupt an deine Brust, die wild
Im Silberpanzer stürmte voller Sehnen. . .
Dann war der Traum entflohn, du schrecktest aus,
Hobst dich hinweg mit zürnend kargen Munde —
Und hast mich doch geliebt, und hast geweint
In jener weltvergessenen Traumesstunde.
So blieb es unsers Schicksals Gleichnis: warm
Dein Herz und deine Brust, die menschlich holde,
Doch zwischen uns der kalte Stahl, gleichwie
Das Schwert einst trennte Tristan und Isolde.

Robert sah auf. In gleichmäßigen Pausen tropfte draußen der Regen vom
Dach auf das Brett vor seinem Fenster. Er öffnete es und lehnte sich hinaus.

Wie anders heute als an jenem ersten Abend, da er in sein Elternhaus zurück¬
gekehrt war! Ein ganzes Leben schien ihm dazwischen zu liegen —
""

Die „Tränen in seinem Gedicht hatte er „ergänzt. Wäre es ihm in den
Sinn gekommen, daß sich jenes Zucken, sobald die Tür hinter ihm zugefallen war,
in eine schallende Lache gelöst hätte — ! Unbezahlbar! Das ist was für Krollinger!
Na, der wird wieder ein Gesicht machen.




Fürst Franz war von einer Besuchsreise zurückgekehrt und hatte soeben die
Vorträge seines Generalgewaltigen entgegengenommen.

Sind wir fertig, Krollinger?

Dank Euer Durchlaucht Ausdauer, ja, sobald Sie gnädigst noch einen Punkt
genehmigen wollen. Der alte Superintendent Brinckmann hat sich noch zur Abschieds¬
audienz gemeldet und ist auf heute halb zwölf Uhr bestellt. Er wird schon da sein.


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[0174] In der Residenz zu Aleinhausen Dann saß er, nachdem er sich auf den Fußspitzen in sein Zimmer geschlichen hatte, um von seiner Mutter heute nichts mehr gefragt zu werden, dort noch lange bei der Lampe und schrieb auf das erste beste Blatt folgende Verse: Und ob du gleich zuletzt als Herrin sprachst, Du täuschest uns doch beide nicht: am Munde, An seinen« Zucken sah ich, du begräbst Sie auch nicht wieder, diese Abendstunde. Wir stöberten vor flackernden Kamin In Eurer Ahnen halbvergessenen Schätzen, In Ketten, Diademen, Goldbrokat Und toter Herzoginnen Purpurfetzen. Da kam hervor ein schimmernd Panzerhemd, Und mich durchzuckt des Künstlers Traumverlangen — Ich bog das Knie und bat — da gingst du fort Und kamst zurück mit heißerglühten Wangen. Und standest hoch im hellen Kerzenschein, Stahlfunkelnd und mit weißen Marmorarmen, Der Amazonen stolze Königin — Und doch gelöst in zärtliches Erbarmen. Ein wundersam Vergessen sprach dein Blick — Aus seinem Dunkel fielen warme Tränen, Du zogst mein Haupt an deine Brust, die wild Im Silberpanzer stürmte voller Sehnen. . . Dann war der Traum entflohn, du schrecktest aus, Hobst dich hinweg mit zürnend kargen Munde — Und hast mich doch geliebt, und hast geweint In jener weltvergessenen Traumesstunde. So blieb es unsers Schicksals Gleichnis: warm Dein Herz und deine Brust, die menschlich holde, Doch zwischen uns der kalte Stahl, gleichwie Das Schwert einst trennte Tristan und Isolde. Robert sah auf. In gleichmäßigen Pausen tropfte draußen der Regen vom Dach auf das Brett vor seinem Fenster. Er öffnete es und lehnte sich hinaus. Wie anders heute als an jenem ersten Abend, da er in sein Elternhaus zurück¬ gekehrt war! Ein ganzes Leben schien ihm dazwischen zu liegen — "" Die „Tränen in seinem Gedicht hatte er „ergänzt. Wäre es ihm in den Sinn gekommen, daß sich jenes Zucken, sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, in eine schallende Lache gelöst hätte — ! Unbezahlbar! Das ist was für Krollinger! Na, der wird wieder ein Gesicht machen. Fürst Franz war von einer Besuchsreise zurückgekehrt und hatte soeben die Vorträge seines Generalgewaltigen entgegengenommen. Sind wir fertig, Krollinger? Dank Euer Durchlaucht Ausdauer, ja, sobald Sie gnädigst noch einen Punkt genehmigen wollen. Der alte Superintendent Brinckmann hat sich noch zur Abschieds¬ audienz gemeldet und ist auf heute halb zwölf Uhr bestellt. Er wird schon da sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/174>, abgerufen am 23.07.2024.