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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Gegen die Agitation der Sozialdemokratie

Reichstags- und Landtagswahlen stetig zunehmen, sondern auch der von der
Partei ausgeübte Terrorismus immer weitere Kreise zieht und immer mehr an
die Öffentlichkeit tritt. Zeigt doch die Partei jetzt gar kein Bedenken mehr,
öffentlich zu erklären, daß eine energische Agitation gegen den Militarismus
unter den jungen Leuten begonnen werden müsse, die im nächsten Herbst in
die Armee eingestellt werden sollen. Man muß sich da wirklich fragen, ob sich
die Regierungen nicht oder nicht genügend bewußt sind, was das zu bedeuten
hat, und ob es denn kein Mittel gibt, dagegen anzukämpfen. Es muß ebeu
Mittel geben, und wenn es daran fehlt, so müssen sie geschaffen werden! Wir
dürfen unsre Armee nicht vergiften lassen durch sozialdemokratische, anti-
militaristische und schließlich anarchistische Agitation. Wohin das führt, sieht
man jetzt in Rußland. Nun wird man entgegnen: "Das ist bei uns nicht
möglich!" Das hat man aber bis vor kurzem in Rußland auch gesagt, und
wenn man die Ausschreitungen innerhalb der Schutztruppe in Südwestafrika
betrachtet, die von der sozialdemokratischen Presse als "Meutereien" bezeichnet
werden, so muß man sich ganz klar sein -- wenigstens wir zweifeln keinen
Augenblick daran --, daß diese Vorkommnisse ihren eigentlichen Grund in
sozialdemokratischer Agitation und Hetzerei finden! Natürlich sind die beiden
vorgekommnen Ausschreitungen in der genannten Presse sehr aufgebauscht und
übertrieben worden, aber auch das Militärwvchenblatt hat doch zugeben müssen,
daß einzelne Fälle von Aufruhr oder Meuterei vorgekommen sind. Es sind
dieses Vorkommnisse, die bis vor kurzem noch in der deutschen Armee unbekannt
waren! Wenn nun auch, wie das Militärwochenblatt sehr richtig sagt, die
Verhältnisse auf dem südwestafrikanischen Kriegsschauplatze besonders schwierig
sind, so ist andrerseits zu bedenken, daß sich vor dem Feinde Vorgesetzte und
Untergebne viel näher treten als im Frieden, und daß ganz besonders in Afrika
unsre Offiziere und Unteroffiziere einerseits so heldenhaft kämpfen und andrerseits
derart für ihre Untergebnen sorgen und jede Entbehrung mit ihnen teilen, daß
eine Meuterei von Soldaten ganz unbegreiflich erscheint und allen Erscheinungen,
die wir in den Kriegen der letzten fünfzig Jahre gemacht haben, stracks zuwider¬
läuft. Liegt da nicht der Gedanke nahe, daß die Einwirkung der Sozial¬
demokratie, der unsre jungen Leute sofort nach Verlassen der Schule verfallen,
anfängt, Früchte zu zeitigen? Daß die Partei auf ihre erziehende Tätigkeit
selbst großen Wert legt, ersieht man daraus, daß sie jetzt bekanntlich besondre
Lehranstalten eröffnen will, wo junge Leute nach dem Verlassen der Schule
über Sozialdemokratie im sozialdemokratischen Sinne belehrt und zu Agitatoren
ausgebildet werden sollen. Wenn dieses nicht verhindert werden kann, so sollten
doch Gegenmaßregeln getroffen werden. Ein sächsischer Offizier, Hauptmann
Meyer, schlägt zu dem Zwecke sozialpolitischen Unterricht in der Armee vor.
der durch die Hauptleute zu erteilen wäre. Der Gedanke ist gewiß vortrefflich
und ließe sich vielleicht auf die eine oder andre Art zur Ausführung bringen;
nur dürften die Hauptleute kaum dazu in der Lage sein, deren Zeit und


Gegen die Agitation der Sozialdemokratie

Reichstags- und Landtagswahlen stetig zunehmen, sondern auch der von der
Partei ausgeübte Terrorismus immer weitere Kreise zieht und immer mehr an
die Öffentlichkeit tritt. Zeigt doch die Partei jetzt gar kein Bedenken mehr,
öffentlich zu erklären, daß eine energische Agitation gegen den Militarismus
unter den jungen Leuten begonnen werden müsse, die im nächsten Herbst in
die Armee eingestellt werden sollen. Man muß sich da wirklich fragen, ob sich
die Regierungen nicht oder nicht genügend bewußt sind, was das zu bedeuten
hat, und ob es denn kein Mittel gibt, dagegen anzukämpfen. Es muß ebeu
Mittel geben, und wenn es daran fehlt, so müssen sie geschaffen werden! Wir
dürfen unsre Armee nicht vergiften lassen durch sozialdemokratische, anti-
militaristische und schließlich anarchistische Agitation. Wohin das führt, sieht
man jetzt in Rußland. Nun wird man entgegnen: „Das ist bei uns nicht
möglich!" Das hat man aber bis vor kurzem in Rußland auch gesagt, und
wenn man die Ausschreitungen innerhalb der Schutztruppe in Südwestafrika
betrachtet, die von der sozialdemokratischen Presse als „Meutereien" bezeichnet
werden, so muß man sich ganz klar sein — wenigstens wir zweifeln keinen
Augenblick daran —, daß diese Vorkommnisse ihren eigentlichen Grund in
sozialdemokratischer Agitation und Hetzerei finden! Natürlich sind die beiden
vorgekommnen Ausschreitungen in der genannten Presse sehr aufgebauscht und
übertrieben worden, aber auch das Militärwvchenblatt hat doch zugeben müssen,
daß einzelne Fälle von Aufruhr oder Meuterei vorgekommen sind. Es sind
dieses Vorkommnisse, die bis vor kurzem noch in der deutschen Armee unbekannt
waren! Wenn nun auch, wie das Militärwochenblatt sehr richtig sagt, die
Verhältnisse auf dem südwestafrikanischen Kriegsschauplatze besonders schwierig
sind, so ist andrerseits zu bedenken, daß sich vor dem Feinde Vorgesetzte und
Untergebne viel näher treten als im Frieden, und daß ganz besonders in Afrika
unsre Offiziere und Unteroffiziere einerseits so heldenhaft kämpfen und andrerseits
derart für ihre Untergebnen sorgen und jede Entbehrung mit ihnen teilen, daß
eine Meuterei von Soldaten ganz unbegreiflich erscheint und allen Erscheinungen,
die wir in den Kriegen der letzten fünfzig Jahre gemacht haben, stracks zuwider¬
läuft. Liegt da nicht der Gedanke nahe, daß die Einwirkung der Sozial¬
demokratie, der unsre jungen Leute sofort nach Verlassen der Schule verfallen,
anfängt, Früchte zu zeitigen? Daß die Partei auf ihre erziehende Tätigkeit
selbst großen Wert legt, ersieht man daraus, daß sie jetzt bekanntlich besondre
Lehranstalten eröffnen will, wo junge Leute nach dem Verlassen der Schule
über Sozialdemokratie im sozialdemokratischen Sinne belehrt und zu Agitatoren
ausgebildet werden sollen. Wenn dieses nicht verhindert werden kann, so sollten
doch Gegenmaßregeln getroffen werden. Ein sächsischer Offizier, Hauptmann
Meyer, schlägt zu dem Zwecke sozialpolitischen Unterricht in der Armee vor.
der durch die Hauptleute zu erteilen wäre. Der Gedanke ist gewiß vortrefflich
und ließe sich vielleicht auf die eine oder andre Art zur Ausführung bringen;
nur dürften die Hauptleute kaum dazu in der Lage sein, deren Zeit und


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[0015] Gegen die Agitation der Sozialdemokratie Reichstags- und Landtagswahlen stetig zunehmen, sondern auch der von der Partei ausgeübte Terrorismus immer weitere Kreise zieht und immer mehr an die Öffentlichkeit tritt. Zeigt doch die Partei jetzt gar kein Bedenken mehr, öffentlich zu erklären, daß eine energische Agitation gegen den Militarismus unter den jungen Leuten begonnen werden müsse, die im nächsten Herbst in die Armee eingestellt werden sollen. Man muß sich da wirklich fragen, ob sich die Regierungen nicht oder nicht genügend bewußt sind, was das zu bedeuten hat, und ob es denn kein Mittel gibt, dagegen anzukämpfen. Es muß ebeu Mittel geben, und wenn es daran fehlt, so müssen sie geschaffen werden! Wir dürfen unsre Armee nicht vergiften lassen durch sozialdemokratische, anti- militaristische und schließlich anarchistische Agitation. Wohin das führt, sieht man jetzt in Rußland. Nun wird man entgegnen: „Das ist bei uns nicht möglich!" Das hat man aber bis vor kurzem in Rußland auch gesagt, und wenn man die Ausschreitungen innerhalb der Schutztruppe in Südwestafrika betrachtet, die von der sozialdemokratischen Presse als „Meutereien" bezeichnet werden, so muß man sich ganz klar sein — wenigstens wir zweifeln keinen Augenblick daran —, daß diese Vorkommnisse ihren eigentlichen Grund in sozialdemokratischer Agitation und Hetzerei finden! Natürlich sind die beiden vorgekommnen Ausschreitungen in der genannten Presse sehr aufgebauscht und übertrieben worden, aber auch das Militärwvchenblatt hat doch zugeben müssen, daß einzelne Fälle von Aufruhr oder Meuterei vorgekommen sind. Es sind dieses Vorkommnisse, die bis vor kurzem noch in der deutschen Armee unbekannt waren! Wenn nun auch, wie das Militärwochenblatt sehr richtig sagt, die Verhältnisse auf dem südwestafrikanischen Kriegsschauplatze besonders schwierig sind, so ist andrerseits zu bedenken, daß sich vor dem Feinde Vorgesetzte und Untergebne viel näher treten als im Frieden, und daß ganz besonders in Afrika unsre Offiziere und Unteroffiziere einerseits so heldenhaft kämpfen und andrerseits derart für ihre Untergebnen sorgen und jede Entbehrung mit ihnen teilen, daß eine Meuterei von Soldaten ganz unbegreiflich erscheint und allen Erscheinungen, die wir in den Kriegen der letzten fünfzig Jahre gemacht haben, stracks zuwider¬ läuft. Liegt da nicht der Gedanke nahe, daß die Einwirkung der Sozial¬ demokratie, der unsre jungen Leute sofort nach Verlassen der Schule verfallen, anfängt, Früchte zu zeitigen? Daß die Partei auf ihre erziehende Tätigkeit selbst großen Wert legt, ersieht man daraus, daß sie jetzt bekanntlich besondre Lehranstalten eröffnen will, wo junge Leute nach dem Verlassen der Schule über Sozialdemokratie im sozialdemokratischen Sinne belehrt und zu Agitatoren ausgebildet werden sollen. Wenn dieses nicht verhindert werden kann, so sollten doch Gegenmaßregeln getroffen werden. Ein sächsischer Offizier, Hauptmann Meyer, schlägt zu dem Zwecke sozialpolitischen Unterricht in der Armee vor. der durch die Hauptleute zu erteilen wäre. Der Gedanke ist gewiß vortrefflich und ließe sich vielleicht auf die eine oder andre Art zur Ausführung bringen; nur dürften die Hauptleute kaum dazu in der Lage sein, deren Zeit und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/15>, abgerufen am 25.08.2024.