Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.In der Residenz zu Rleinhausen Kreise; sie bewegten leise die schlanken Hälse, wie im Traum, und stießen Klagelaute Robert stand lange und sah hinüber. Dort war sie -- hinter einer jener Nun würden wohl auch seine Eltern bald nach Hause gehn. Langsam schritt Ach, zu schön wars doch Widder, Robbert! Nei -- und die Toilett von der Wir haben von Paris und von Malerei gesprochen, Mutter, von einigen Jösses. Robbert, du? A nei, geh, du treibsch dei Spaß mit mir! Aber Mutter, ist das denn so etwas Unglaubliches? Ja aber Nobbert! Was werde da die Leut sage -- nei so was! so was! Robert mußte lächeln. Nein, Mutter, beruhige dich! Die Impressionisten gehn mich nicht mehr an, Er nahm die Visitenkartenschale, die feierlich mitten auf dem Tisch stand. Alles tat ihm weh heut Abend -- auch ihr Bild, das daneben in goldnem Verloren blickte er in das schöne Raubtiergesicht. Ja, das war sie -- nur Verdrossen über sich und die ganze Welt stand er auf. Gute Nacht, Mutter, ich Hases denn du auch was gesse, Robbert? Ich hab dich nirgends nit gseh Ich danke dir, Mutter -- für alles. Schlafe recht wohl. Und Robert ging in sein Schlafzimmer hinüber. In der Residenz zu Rleinhausen Kreise; sie bewegten leise die schlanken Hälse, wie im Traum, und stießen Klagelaute Robert stand lange und sah hinüber. Dort war sie — hinter einer jener Nun würden wohl auch seine Eltern bald nach Hause gehn. Langsam schritt Ach, zu schön wars doch Widder, Robbert! Nei — und die Toilett von der Wir haben von Paris und von Malerei gesprochen, Mutter, von einigen Jösses. Robbert, du? A nei, geh, du treibsch dei Spaß mit mir! Aber Mutter, ist das denn so etwas Unglaubliches? Ja aber Nobbert! Was werde da die Leut sage — nei so was! so was! Robert mußte lächeln. Nein, Mutter, beruhige dich! Die Impressionisten gehn mich nicht mehr an, Er nahm die Visitenkartenschale, die feierlich mitten auf dem Tisch stand. Alles tat ihm weh heut Abend — auch ihr Bild, das daneben in goldnem Verloren blickte er in das schöne Raubtiergesicht. Ja, das war sie — nur Verdrossen über sich und die ganze Welt stand er auf. Gute Nacht, Mutter, ich Hases denn du auch was gesse, Robbert? Ich hab dich nirgends nit gseh Ich danke dir, Mutter — für alles. Schlafe recht wohl. Und Robert ging in sein Schlafzimmer hinüber. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300619"/> <fw type="header" place="top"> In der Residenz zu Rleinhausen</fw><lb/> <p xml:id="ID_442" prev="#ID_441"> Kreise; sie bewegten leise die schlanken Hälse, wie im Traum, und stießen Klagelaute<lb/> in die helle Nacht hinaus — Nebel stiegen aus den Rasenflächen auf, über denen das<lb/> Schloß in seinem Lichterglanz lag.</p><lb/> <p xml:id="ID_443"> Robert stand lange und sah hinüber. Dort war sie — hinter einer jener<lb/> hohen strahlenden Scheiben. Er meinte noch, ihren Atem beim Sprechen zu fühlen.<lb/> Nein, es war der Abendwind, der einen Strom Rosenduft von den Beeten her¬<lb/> übertrug. Dann fuhr er plötzlich zusammen. Der Nachtzug brauste hohl rollend<lb/> an den nahen Wiesen hin, Signale tönten, von der Kirchturmuhr schlug es elf.</p><lb/> <p xml:id="ID_444"> Nun würden wohl auch seine Eltern bald nach Hause gehn. Langsam schritt<lb/> er durch die stillen Straßen und durch das vertraute Tor dem Forsthof zu. Aus<lb/> dem Wohnzimmer fiel schon ein Lichtschein; am Tisch, unter der grünen Lampe<lb/> saß seine Mutter in der Nachtjacke und trennte den Schmelzbesatz wieder von ihrem<lb/> Seidenkleid ab. Es war nur geliehen gewesen von der Frau Rentmeister, die<lb/> hatte ihn heute nicht gebraucht — und zu kaufen war Schmelz immer sehr teuer.<lb/> Der Papagei in der Ecke war bei seinem Eintritt wach geworden und hüpfte un¬<lb/> ruhig an den Käfigstäben entlang. Rob-hart! rief er, Rob-hart, wo kommst du<lb/> he-är? Robert gab seiner Mutter die Hand und setzte sich zu ihr an den Tisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_445"> Ach, zu schön wars doch Widder, Robbert! Nei — und die Toilett von der<lb/> Fürschtin! Wie ihr des Gelb gut zu Gsicht gange isch! — Der Vatter? Er<lb/> hat mich herbracht und isch dann noch zu de Herre ins Kasino. Ich bin froh,<lb/> daß er Widder anfangt, mit ihne zu Verkehre — Ja, jetzt sag aber an endlich, was<lb/> hat sie denn alles mit dir gredet? Das war a Ehr! Nei, so a Ehr!</p><lb/> <p xml:id="ID_446"> Wir haben von Paris und von Malerei gesprochen, Mutter, von einigen<lb/> meiner Lehrer und Bekannten. Ich soll ihr morgen Skizzen ins Schloß bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_447"> Jösses. Robbert, du? A nei, geh, du treibsch dei Spaß mit mir!</p><lb/> <p xml:id="ID_448"> Aber Mutter, ist das denn so etwas Unglaubliches?</p><lb/> <p xml:id="ID_449"> Ja aber Nobbert! Was werde da die Leut sage — nei so was! so was!<lb/> Je, du wirsch mir aber doch an nix Ungeschickts schwatze? Und gar in der Knnscht,<lb/> wo man sich so wie so nimmer auskenne? Sei nur mit dene Jmpressionischte vor¬<lb/> sichtig! Der Kanalisationsdirektor hat mich öfters Wege dene gwarnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_450"> Robert mußte lächeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_451"> Nein, Mutter, beruhige dich! Die Impressionisten gehn mich nicht mehr an,<lb/> als ich will.</p><lb/> <p xml:id="ID_452"> Er nahm die Visitenkartenschale, die feierlich mitten auf dem Tisch stand.<lb/> Obenauf lag eine Karte der Fürstin, auf deren Rückseite mit kurzen Worten um<lb/> einen Besuch gebeten war, schon völlig abgegriffen und versteckt, da sie immer<lb/> wieder unter den andern hervorgesucht und zuoberst gelegt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_453"> Alles tat ihm weh heut Abend — auch ihr Bild, das daneben in goldnem<lb/> Nahmen, mit eigner Unterschrift prangte, mit steilen, festen Handzügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_454"> Verloren blickte er in das schöne Raubtiergesicht. Ja, das war sie — nur<lb/> im Leben nach viel schöner. Doch was wollte er eigentlich?</p><lb/> <p xml:id="ID_455"> Verdrossen über sich und die ganze Welt stand er auf. Gute Nacht, Mutter, ich<lb/> bin sehr müde und will hinübergehn. Grüße den Vater, wenn du ihn noch siehst.</p><lb/> <p xml:id="ID_456"> Hases denn du auch was gesse, Robbert? Ich hab dich nirgends nit gseh<lb/> am Büffee? S' wär noch e Stück Gsalchts trübe in der Speis — oder hättsch<lb/> am End lieber 'n Käs?</p><lb/> <p xml:id="ID_457"> Ich danke dir, Mutter — für alles. Schlafe recht wohl.</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> Und Robert ging in sein Schlafzimmer hinüber.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
In der Residenz zu Rleinhausen
Kreise; sie bewegten leise die schlanken Hälse, wie im Traum, und stießen Klagelaute
in die helle Nacht hinaus — Nebel stiegen aus den Rasenflächen auf, über denen das
Schloß in seinem Lichterglanz lag.
Robert stand lange und sah hinüber. Dort war sie — hinter einer jener
hohen strahlenden Scheiben. Er meinte noch, ihren Atem beim Sprechen zu fühlen.
Nein, es war der Abendwind, der einen Strom Rosenduft von den Beeten her¬
übertrug. Dann fuhr er plötzlich zusammen. Der Nachtzug brauste hohl rollend
an den nahen Wiesen hin, Signale tönten, von der Kirchturmuhr schlug es elf.
Nun würden wohl auch seine Eltern bald nach Hause gehn. Langsam schritt
er durch die stillen Straßen und durch das vertraute Tor dem Forsthof zu. Aus
dem Wohnzimmer fiel schon ein Lichtschein; am Tisch, unter der grünen Lampe
saß seine Mutter in der Nachtjacke und trennte den Schmelzbesatz wieder von ihrem
Seidenkleid ab. Es war nur geliehen gewesen von der Frau Rentmeister, die
hatte ihn heute nicht gebraucht — und zu kaufen war Schmelz immer sehr teuer.
Der Papagei in der Ecke war bei seinem Eintritt wach geworden und hüpfte un¬
ruhig an den Käfigstäben entlang. Rob-hart! rief er, Rob-hart, wo kommst du
he-är? Robert gab seiner Mutter die Hand und setzte sich zu ihr an den Tisch.
Ach, zu schön wars doch Widder, Robbert! Nei — und die Toilett von der
Fürschtin! Wie ihr des Gelb gut zu Gsicht gange isch! — Der Vatter? Er
hat mich herbracht und isch dann noch zu de Herre ins Kasino. Ich bin froh,
daß er Widder anfangt, mit ihne zu Verkehre — Ja, jetzt sag aber an endlich, was
hat sie denn alles mit dir gredet? Das war a Ehr! Nei, so a Ehr!
Wir haben von Paris und von Malerei gesprochen, Mutter, von einigen
meiner Lehrer und Bekannten. Ich soll ihr morgen Skizzen ins Schloß bringen.
Jösses. Robbert, du? A nei, geh, du treibsch dei Spaß mit mir!
Aber Mutter, ist das denn so etwas Unglaubliches?
Ja aber Nobbert! Was werde da die Leut sage — nei so was! so was!
Je, du wirsch mir aber doch an nix Ungeschickts schwatze? Und gar in der Knnscht,
wo man sich so wie so nimmer auskenne? Sei nur mit dene Jmpressionischte vor¬
sichtig! Der Kanalisationsdirektor hat mich öfters Wege dene gwarnt.
Robert mußte lächeln.
Nein, Mutter, beruhige dich! Die Impressionisten gehn mich nicht mehr an,
als ich will.
Er nahm die Visitenkartenschale, die feierlich mitten auf dem Tisch stand.
Obenauf lag eine Karte der Fürstin, auf deren Rückseite mit kurzen Worten um
einen Besuch gebeten war, schon völlig abgegriffen und versteckt, da sie immer
wieder unter den andern hervorgesucht und zuoberst gelegt wurde.
Alles tat ihm weh heut Abend — auch ihr Bild, das daneben in goldnem
Nahmen, mit eigner Unterschrift prangte, mit steilen, festen Handzügen.
Verloren blickte er in das schöne Raubtiergesicht. Ja, das war sie — nur
im Leben nach viel schöner. Doch was wollte er eigentlich?
Verdrossen über sich und die ganze Welt stand er auf. Gute Nacht, Mutter, ich
bin sehr müde und will hinübergehn. Grüße den Vater, wenn du ihn noch siehst.
Hases denn du auch was gesse, Robbert? Ich hab dich nirgends nit gseh
am Büffee? S' wär noch e Stück Gsalchts trübe in der Speis — oder hättsch
am End lieber 'n Käs?
Ich danke dir, Mutter — für alles. Schlafe recht wohl.
Und Robert ging in sein Schlafzimmer hinüber.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |