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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

der beiden andern süddeutschen Staaten empfangen hatte, sich den großen Zielen
des Krieges unterzuordnen. Es hatte sich herausgestellt, daß mit dem Augen¬
blick, wo die dritte Armee die Grenze Frankreichs überschritt, das Etappen¬
wesen in ihrem Rücken viel zu wünschen übrig ließ. Es fehlte an jeder
einheitlichen Organisation. Während der vorhergehenden Friedensjahre war
ungeachtet aller Besprechungen und Verhandlungen auch nicht der Schatten eines
Einverständnisses über die Organisation des Nachschubs, der Transporte, der
Bahnbenutzung, der Lieferungen usw. zustande gekommen. Moltke hatte daher
unterm 2. August die Kriegsministerien von Bayern, Württemberg und Baden um
die Aufstellung von Etappentruppen ersucht und zugleich empfohlen, der General¬
etappeninspektion der dritten Armee einige mit den heimatlichen Verhältnissen
vertraute Personen zu attachieren. Das Oberkommando war ersucht worden,
sich im Bedarfsfall mit den drei Kriegsministerien in direkte Verbindung zu
setzen. Der Großherzog hatte mit Recht erkannt, daß das zum mindesten ein
zeitraubendes, umstündliches und wenig zweckentsprechendes Verfahren sein
werde, und hatte den Vorschlag gemacht, einen gemeinschaftlichen General¬
gouvemeur für Bayern, Württemberg und Baden zu ernennen, der in die
militärischen Maßnahmen im Rücken der Armee Einheit und Ordnung zu
bringen hätte. Am 3. August telegraphierte er an den Kronprinzen, um ihm
die Dringlichkeit einer baldigen Erledigung dieser Angelegenheit zu empfehlen
und die Sache beim König zu befürworten, zugleich schrieb er an den Minister
Jolly: "Ich konnte dies um so mehr unternehmen, als ich mit dem Kron¬
prinzen eingehend mündlich die Fragen behandelte, und er von der politischen
wie militärischen Notwendigkeit derselben überzeugt ist. Ich darf einnehmen,
daß die an unser Kriegsministerium gestellte Frage schon eine Folge unsrer
Unterredung sein wird, und daß man mit dieser Frage nur bezweckte, zu er¬
fahren, ob Geneigheit vorhanden ist, darauf einzugehn, d. h. daß die gleiche
Frage nach München und Stuttgart gerichtet sein wird. Da nun aber wirklich
ein dringendes Bedürfnis vorliegt, die Bewegungen und Anordnungen im
Rücken der Armee einheitlich zu organisieren, so habe ich das anliegende
Telegramm an den König entworfen und würde es abgehn lassen, wenn Sie
damit einverstanden sind, daß ich diesen Schritt wagen soll." Der König
antwortet am 10. August aus dem Hauptquartier Saarbrücken, daß der Antrag
nur ausführbar sei, wenn sich der Großherzog mit beiden Südstaaten schleunigst
über Sache und Person verständige. Bei der Mitteilung dieses Telegramms
an Jolly bemerkte der Großherzog: "Es wäre also unsre Aufgabe, die Frage
eines Generalgouvernements in Antrag zu bringen." Das ist denn auch von
badischer Seite geschehen, aber mit dem einzigen Erfolge, daß der König von
Württemberg den General von Suckow zum Generalgouvemeur von Württem¬
berg ernannte, was für die allgemeine militärische Lage ohne Bedeutung blieb.
Der Großherzog sprach sich in einem Schreiben vom 23. August sehr mißmutig
über deu Verlauf der Sache aus, die von preußischer Seite ohne alleu Nach¬
druck behandelt worden sei, es scheine deshalb sehr nötig, der preußischen


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

der beiden andern süddeutschen Staaten empfangen hatte, sich den großen Zielen
des Krieges unterzuordnen. Es hatte sich herausgestellt, daß mit dem Augen¬
blick, wo die dritte Armee die Grenze Frankreichs überschritt, das Etappen¬
wesen in ihrem Rücken viel zu wünschen übrig ließ. Es fehlte an jeder
einheitlichen Organisation. Während der vorhergehenden Friedensjahre war
ungeachtet aller Besprechungen und Verhandlungen auch nicht der Schatten eines
Einverständnisses über die Organisation des Nachschubs, der Transporte, der
Bahnbenutzung, der Lieferungen usw. zustande gekommen. Moltke hatte daher
unterm 2. August die Kriegsministerien von Bayern, Württemberg und Baden um
die Aufstellung von Etappentruppen ersucht und zugleich empfohlen, der General¬
etappeninspektion der dritten Armee einige mit den heimatlichen Verhältnissen
vertraute Personen zu attachieren. Das Oberkommando war ersucht worden,
sich im Bedarfsfall mit den drei Kriegsministerien in direkte Verbindung zu
setzen. Der Großherzog hatte mit Recht erkannt, daß das zum mindesten ein
zeitraubendes, umstündliches und wenig zweckentsprechendes Verfahren sein
werde, und hatte den Vorschlag gemacht, einen gemeinschaftlichen General¬
gouvemeur für Bayern, Württemberg und Baden zu ernennen, der in die
militärischen Maßnahmen im Rücken der Armee Einheit und Ordnung zu
bringen hätte. Am 3. August telegraphierte er an den Kronprinzen, um ihm
die Dringlichkeit einer baldigen Erledigung dieser Angelegenheit zu empfehlen
und die Sache beim König zu befürworten, zugleich schrieb er an den Minister
Jolly: „Ich konnte dies um so mehr unternehmen, als ich mit dem Kron¬
prinzen eingehend mündlich die Fragen behandelte, und er von der politischen
wie militärischen Notwendigkeit derselben überzeugt ist. Ich darf einnehmen,
daß die an unser Kriegsministerium gestellte Frage schon eine Folge unsrer
Unterredung sein wird, und daß man mit dieser Frage nur bezweckte, zu er¬
fahren, ob Geneigheit vorhanden ist, darauf einzugehn, d. h. daß die gleiche
Frage nach München und Stuttgart gerichtet sein wird. Da nun aber wirklich
ein dringendes Bedürfnis vorliegt, die Bewegungen und Anordnungen im
Rücken der Armee einheitlich zu organisieren, so habe ich das anliegende
Telegramm an den König entworfen und würde es abgehn lassen, wenn Sie
damit einverstanden sind, daß ich diesen Schritt wagen soll." Der König
antwortet am 10. August aus dem Hauptquartier Saarbrücken, daß der Antrag
nur ausführbar sei, wenn sich der Großherzog mit beiden Südstaaten schleunigst
über Sache und Person verständige. Bei der Mitteilung dieses Telegramms
an Jolly bemerkte der Großherzog: „Es wäre also unsre Aufgabe, die Frage
eines Generalgouvernements in Antrag zu bringen." Das ist denn auch von
badischer Seite geschehen, aber mit dem einzigen Erfolge, daß der König von
Württemberg den General von Suckow zum Generalgouvemeur von Württem¬
berg ernannte, was für die allgemeine militärische Lage ohne Bedeutung blieb.
Der Großherzog sprach sich in einem Schreiben vom 23. August sehr mißmutig
über deu Verlauf der Sache aus, die von preußischer Seite ohne alleu Nach¬
druck behandelt worden sei, es scheine deshalb sehr nötig, der preußischen


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[0667] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles der beiden andern süddeutschen Staaten empfangen hatte, sich den großen Zielen des Krieges unterzuordnen. Es hatte sich herausgestellt, daß mit dem Augen¬ blick, wo die dritte Armee die Grenze Frankreichs überschritt, das Etappen¬ wesen in ihrem Rücken viel zu wünschen übrig ließ. Es fehlte an jeder einheitlichen Organisation. Während der vorhergehenden Friedensjahre war ungeachtet aller Besprechungen und Verhandlungen auch nicht der Schatten eines Einverständnisses über die Organisation des Nachschubs, der Transporte, der Bahnbenutzung, der Lieferungen usw. zustande gekommen. Moltke hatte daher unterm 2. August die Kriegsministerien von Bayern, Württemberg und Baden um die Aufstellung von Etappentruppen ersucht und zugleich empfohlen, der General¬ etappeninspektion der dritten Armee einige mit den heimatlichen Verhältnissen vertraute Personen zu attachieren. Das Oberkommando war ersucht worden, sich im Bedarfsfall mit den drei Kriegsministerien in direkte Verbindung zu setzen. Der Großherzog hatte mit Recht erkannt, daß das zum mindesten ein zeitraubendes, umstündliches und wenig zweckentsprechendes Verfahren sein werde, und hatte den Vorschlag gemacht, einen gemeinschaftlichen General¬ gouvemeur für Bayern, Württemberg und Baden zu ernennen, der in die militärischen Maßnahmen im Rücken der Armee Einheit und Ordnung zu bringen hätte. Am 3. August telegraphierte er an den Kronprinzen, um ihm die Dringlichkeit einer baldigen Erledigung dieser Angelegenheit zu empfehlen und die Sache beim König zu befürworten, zugleich schrieb er an den Minister Jolly: „Ich konnte dies um so mehr unternehmen, als ich mit dem Kron¬ prinzen eingehend mündlich die Fragen behandelte, und er von der politischen wie militärischen Notwendigkeit derselben überzeugt ist. Ich darf einnehmen, daß die an unser Kriegsministerium gestellte Frage schon eine Folge unsrer Unterredung sein wird, und daß man mit dieser Frage nur bezweckte, zu er¬ fahren, ob Geneigheit vorhanden ist, darauf einzugehn, d. h. daß die gleiche Frage nach München und Stuttgart gerichtet sein wird. Da nun aber wirklich ein dringendes Bedürfnis vorliegt, die Bewegungen und Anordnungen im Rücken der Armee einheitlich zu organisieren, so habe ich das anliegende Telegramm an den König entworfen und würde es abgehn lassen, wenn Sie damit einverstanden sind, daß ich diesen Schritt wagen soll." Der König antwortet am 10. August aus dem Hauptquartier Saarbrücken, daß der Antrag nur ausführbar sei, wenn sich der Großherzog mit beiden Südstaaten schleunigst über Sache und Person verständige. Bei der Mitteilung dieses Telegramms an Jolly bemerkte der Großherzog: „Es wäre also unsre Aufgabe, die Frage eines Generalgouvernements in Antrag zu bringen." Das ist denn auch von badischer Seite geschehen, aber mit dem einzigen Erfolge, daß der König von Württemberg den General von Suckow zum Generalgouvemeur von Württem¬ berg ernannte, was für die allgemeine militärische Lage ohne Bedeutung blieb. Der Großherzog sprach sich in einem Schreiben vom 23. August sehr mißmutig über deu Verlauf der Sache aus, die von preußischer Seite ohne alleu Nach¬ druck behandelt worden sei, es scheine deshalb sehr nötig, der preußischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/667>, abgerufen am 23.07.2024.