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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Monarchenbegegnung

dritter Generation auf dem Throne von Deutschland, zu übernehmen, sei ein
weiterer Beweis, falls ein solcher nötig sei, daß die Begegnung dazu bestimmt
war, mehr einen persönlichen als einen politischen Charakter zu tragen.

Dicey weist nun darauf hin, daß sogar in unsern Tagen, wo jeder Vor¬
fall sofort an die Öffentlichkeit komme, die Geheimnisse der Höfe vor den
Nachrichtenlieferanten sorgfältig versiegelt blieben, und wenngleich behauptet
werde, daß der Interessengegensatz und die politischen Meinungsverschieden¬
heiten zwischen England und Deutschland dnrch persönliche Verstimmung zwischen
ihren Souveränen gesteigert worden seien, so sei er persönlich der Ansicht, daß
dem nur Geschwätz oder Vermutung zugrunde liege. Da nun aber doch
kein Leser deutscher oder englischer Zeitungen die Tatsache ablehnen könne,
daß die öffentliche Meinung beider Länder, was auch immer die Ursache sein
möge, an eine gewisse Entfremdung zwischen dem Könige von England und
dem Deutschen Kaiser geglaubt habe, so sei es von beiden Souveränen ein
weiser und politischer Akt gewesen, darzutun, daß, wenn eine solche Ent¬
fremdung in der Vergangenheit jemals existiert habe, sie für die Gegenwart
ausgelöscht sei und für die Zukunft nicht wieder erneuert werden würde.

Dicey erinnert nun daran, wie oft er in seinem Eintreten für die Er¬
haltung freundlicher Beziehungen zwischen den beiden großen Zweigen der
angelsächsischen Nasse, die durch Blut, Religion, gemeinsame Institutionen, ge¬
meinsame Geschichte und gemeinsame Interessen verschwistert seien, auf die
Nützlichkeit des Austausches von Besuchen der beiden Souveräne hingewiesen
habe, deren jeder das Land, über das er regiert, in einem Umfange per¬
sonifiziere, der in keinem andern Lande Europas seinesgleichen habe. Wenn
darum die Begegnung von Friedrichshof auch kein andres Ergebnis gehabt
hätte, als darzutun, daß die Gerüchte über eine Entfremdung zwischen dem
König und seinem kaiserlichen Neffen grundlos seien, so wäre das eine hin¬
reichende Ursache zur allgemeinen Befriedigung in England wie in Deutsch¬
land. So korrekt nun aber der offizielle Bericht über die Friedrichshofer
Begegnung auch gewesen sein möge, der sie ausschließlich in die Kategorie von
Hausbeziehungen verweist, so sei es doch schwierig zu glauben, daß der Be¬
gegnung der beiden Majestäten keine politische Bedeutung beiwohne. "Sie beide
repräsentieren, schreibt Dicey, in einem außerordentlichen Grade die beiden
Nationen, über die sie auf Grund ihrer Geburt herrschen. König Eduard der
Siebente ist seinen Landsleuten teuer nicht nur als Sohn und Erbe der größten
Königin, die auf dem Throne Englands seit den Tagen der 6ova Hufe"
gesessen, sondern als ein Fürst, der seine Pflichten als der erbliche Monarch eines
freien Landes mit gewissenhafter Loyalität erfüllt, der immer seine individuelle
Autorität den Grenzen der Verfassung untergeordnet, und der niemals ermangelt
hat, seinen Ministern den Vorteil seiner langen Erfahrung und seiner tiefen
Kenntnis der auswärtigen Angelegenheiten anzubieten, ein Anerbieten, das
seine Ratgeber, man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, selten
oder niemals abgelehnt haben. Während der vierzig Jahre, die zwischen seiner


Die Monarchenbegegnung

dritter Generation auf dem Throne von Deutschland, zu übernehmen, sei ein
weiterer Beweis, falls ein solcher nötig sei, daß die Begegnung dazu bestimmt
war, mehr einen persönlichen als einen politischen Charakter zu tragen.

Dicey weist nun darauf hin, daß sogar in unsern Tagen, wo jeder Vor¬
fall sofort an die Öffentlichkeit komme, die Geheimnisse der Höfe vor den
Nachrichtenlieferanten sorgfältig versiegelt blieben, und wenngleich behauptet
werde, daß der Interessengegensatz und die politischen Meinungsverschieden¬
heiten zwischen England und Deutschland dnrch persönliche Verstimmung zwischen
ihren Souveränen gesteigert worden seien, so sei er persönlich der Ansicht, daß
dem nur Geschwätz oder Vermutung zugrunde liege. Da nun aber doch
kein Leser deutscher oder englischer Zeitungen die Tatsache ablehnen könne,
daß die öffentliche Meinung beider Länder, was auch immer die Ursache sein
möge, an eine gewisse Entfremdung zwischen dem Könige von England und
dem Deutschen Kaiser geglaubt habe, so sei es von beiden Souveränen ein
weiser und politischer Akt gewesen, darzutun, daß, wenn eine solche Ent¬
fremdung in der Vergangenheit jemals existiert habe, sie für die Gegenwart
ausgelöscht sei und für die Zukunft nicht wieder erneuert werden würde.

Dicey erinnert nun daran, wie oft er in seinem Eintreten für die Er¬
haltung freundlicher Beziehungen zwischen den beiden großen Zweigen der
angelsächsischen Nasse, die durch Blut, Religion, gemeinsame Institutionen, ge¬
meinsame Geschichte und gemeinsame Interessen verschwistert seien, auf die
Nützlichkeit des Austausches von Besuchen der beiden Souveräne hingewiesen
habe, deren jeder das Land, über das er regiert, in einem Umfange per¬
sonifiziere, der in keinem andern Lande Europas seinesgleichen habe. Wenn
darum die Begegnung von Friedrichshof auch kein andres Ergebnis gehabt
hätte, als darzutun, daß die Gerüchte über eine Entfremdung zwischen dem
König und seinem kaiserlichen Neffen grundlos seien, so wäre das eine hin¬
reichende Ursache zur allgemeinen Befriedigung in England wie in Deutsch¬
land. So korrekt nun aber der offizielle Bericht über die Friedrichshofer
Begegnung auch gewesen sein möge, der sie ausschließlich in die Kategorie von
Hausbeziehungen verweist, so sei es doch schwierig zu glauben, daß der Be¬
gegnung der beiden Majestäten keine politische Bedeutung beiwohne. „Sie beide
repräsentieren, schreibt Dicey, in einem außerordentlichen Grade die beiden
Nationen, über die sie auf Grund ihrer Geburt herrschen. König Eduard der
Siebente ist seinen Landsleuten teuer nicht nur als Sohn und Erbe der größten
Königin, die auf dem Throne Englands seit den Tagen der 6ova Hufe«
gesessen, sondern als ein Fürst, der seine Pflichten als der erbliche Monarch eines
freien Landes mit gewissenhafter Loyalität erfüllt, der immer seine individuelle
Autorität den Grenzen der Verfassung untergeordnet, und der niemals ermangelt
hat, seinen Ministern den Vorteil seiner langen Erfahrung und seiner tiefen
Kenntnis der auswärtigen Angelegenheiten anzubieten, ein Anerbieten, das
seine Ratgeber, man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, selten
oder niemals abgelehnt haben. Während der vierzig Jahre, die zwischen seiner


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[0654] Die Monarchenbegegnung dritter Generation auf dem Throne von Deutschland, zu übernehmen, sei ein weiterer Beweis, falls ein solcher nötig sei, daß die Begegnung dazu bestimmt war, mehr einen persönlichen als einen politischen Charakter zu tragen. Dicey weist nun darauf hin, daß sogar in unsern Tagen, wo jeder Vor¬ fall sofort an die Öffentlichkeit komme, die Geheimnisse der Höfe vor den Nachrichtenlieferanten sorgfältig versiegelt blieben, und wenngleich behauptet werde, daß der Interessengegensatz und die politischen Meinungsverschieden¬ heiten zwischen England und Deutschland dnrch persönliche Verstimmung zwischen ihren Souveränen gesteigert worden seien, so sei er persönlich der Ansicht, daß dem nur Geschwätz oder Vermutung zugrunde liege. Da nun aber doch kein Leser deutscher oder englischer Zeitungen die Tatsache ablehnen könne, daß die öffentliche Meinung beider Länder, was auch immer die Ursache sein möge, an eine gewisse Entfremdung zwischen dem Könige von England und dem Deutschen Kaiser geglaubt habe, so sei es von beiden Souveränen ein weiser und politischer Akt gewesen, darzutun, daß, wenn eine solche Ent¬ fremdung in der Vergangenheit jemals existiert habe, sie für die Gegenwart ausgelöscht sei und für die Zukunft nicht wieder erneuert werden würde. Dicey erinnert nun daran, wie oft er in seinem Eintreten für die Er¬ haltung freundlicher Beziehungen zwischen den beiden großen Zweigen der angelsächsischen Nasse, die durch Blut, Religion, gemeinsame Institutionen, ge¬ meinsame Geschichte und gemeinsame Interessen verschwistert seien, auf die Nützlichkeit des Austausches von Besuchen der beiden Souveräne hingewiesen habe, deren jeder das Land, über das er regiert, in einem Umfange per¬ sonifiziere, der in keinem andern Lande Europas seinesgleichen habe. Wenn darum die Begegnung von Friedrichshof auch kein andres Ergebnis gehabt hätte, als darzutun, daß die Gerüchte über eine Entfremdung zwischen dem König und seinem kaiserlichen Neffen grundlos seien, so wäre das eine hin¬ reichende Ursache zur allgemeinen Befriedigung in England wie in Deutsch¬ land. So korrekt nun aber der offizielle Bericht über die Friedrichshofer Begegnung auch gewesen sein möge, der sie ausschließlich in die Kategorie von Hausbeziehungen verweist, so sei es doch schwierig zu glauben, daß der Be¬ gegnung der beiden Majestäten keine politische Bedeutung beiwohne. „Sie beide repräsentieren, schreibt Dicey, in einem außerordentlichen Grade die beiden Nationen, über die sie auf Grund ihrer Geburt herrschen. König Eduard der Siebente ist seinen Landsleuten teuer nicht nur als Sohn und Erbe der größten Königin, die auf dem Throne Englands seit den Tagen der 6ova Hufe« gesessen, sondern als ein Fürst, der seine Pflichten als der erbliche Monarch eines freien Landes mit gewissenhafter Loyalität erfüllt, der immer seine individuelle Autorität den Grenzen der Verfassung untergeordnet, und der niemals ermangelt hat, seinen Ministern den Vorteil seiner langen Erfahrung und seiner tiefen Kenntnis der auswärtigen Angelegenheiten anzubieten, ein Anerbieten, das seine Ratgeber, man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, selten oder niemals abgelehnt haben. Während der vierzig Jahre, die zwischen seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/654>, abgerufen am 25.08.2024.