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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

die spanische Anerkennungsfrage, Differenzen zwischen Bismarck und Stosch wegen
der Entsendung von Kriegsschiffen nach Spanien und zuletzt die zu Hohenlohe er¬
wähnte drohende Fassung der Thronrede. Hier brechen die Aufzeichnungen ab. Sie
sind, wie folgt, zu ergänzen. Am 25. Oktober sprach sich der Kaiser mißbilligend zu
Hohenlohe aus, zwei Tage später kehrte Bismarck von Varzin nach Berlin zurück und
hatte am folgenden Tage eine längere Besprechung mit dem Kaiser, in der alle Uneben¬
heiten geglättet worden sind. Die Thronrede behielt im wesentlichen die von Bismarck
gewünschte Fassung, er wohnte am nächsten Tage der Reichstagseröffnung bei. Roon
bezeugt in einem Briefe an Moritz von Blanckenburg, daß er Bismarck bei einem
Besuche am 2. November "objektiver, zufriedner und bei aller gewohnten Lebhaftigkeit
unaufgeregter als je, vollkommen auf der Hohe seiner Stellung, in völliger Überein¬
stimmung mit dem Allerhöchsten" gefunden habe. Leider dauerte das wiederher¬
gestellte gute Verhältnis nicht lange an. Bismcircks Gesundheit erwies sich der
durch Friktionen aller Art vermehrten Geschäftslast nicht gewachsen, und am 11. Mai
1875 übersandte er dem Kaiser ein vom 4. Mai datiertes, eingehend mit seinen
Gesundheitsverhältnissen begründetes Entlassungsgesuch, dem am 4. Juni die längere
Beurlaubung folgte, während der Bismarck durch Delbrück und Bülow vertreten
wurde. In diese Urlaubszeit fällt die Mitteilung eines Briefes der Königin Viktorin
durch den Kaiser an Bismarck, ein Brief, in dem Deutschland ebenfalls kriegerische
Absichten zugeschrieben wurden. In Bismcircks Antwort an den Kaiser steht der
bezeichnende, auch die Stelle in der Thronrede vom Oktober 1874 erläuternde Satz:
"Ich würde noch heute, wie 1867 in der Luxemburger Frage, Eurer Majestät niemals
zureden, einen Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß der
Gegner ihn bald beginnen werde; mau kann die Wege der göttlichen Vorsehung dazu
niemals sicher genug im voraus erkennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner
die Sicherheit zu geben, daß man seinen Angriff jedenfalls abwarten werde."
Dieser Satz, den Bismarck in seiner historischen Rede vom 6. Februar 1888 wieder¬
holt hat, gilt auch noch für die heutige europäische Lage, wie er denn überhaupt
dauernd richtig sein wird. In demselben Sinne hat die deutsche Politik im vorigen
Jahre gehandelt, als sie Frankreich auf die Folgen hinwies, die es heraufbeschwören
werde, falls es die marokkanische Angelegenheit als Machtfrage behandeln wollte.

Die zweite hier in Betracht kommende Publikation ist ein vom Professor
Schiemann in der Kreuzzeitung wiedergegebner Brief Bismcircks aus dem Jahre1882,
der sich eingehend über das Verhältnis Deutschlands zu England und über die Un¬
möglichkeit einer Allianz mit England verbreitet. Diese Veröffentlichung ist eigentlich
nicht ganz neu. Der Brief steht bekanntlich in einer von dem jetzigen Unterstaats¬
sekretär Fitz-Maurice im britischen Auswärtigen Amt herausgegebnen Biographie
Lord Grcmvilles (1815 bis 1891), die schon vor einigen Monaten Gegenstand einer
Besprechung durch Hermann Oncken in den Preußischen Jahrbüchern gewesen ist.
Es ist weder der Empfänger des Briefes noch das genaue Datum angegeben. Lord
Grenville soll am 12. September 1882 eine Abschrift des an eine biZbli Me-eel
pörsoniuiKs gerichtete" Briefes empfangen haben. Bismarck war damals in Varzin.
Von dort hat er unter dem 12. September 1882 den Erlaß an den Botschafter
in London gerichtet, von dem in seiner Reichstagsrcde vom 2. März 1885 die
Rede ist. Der Brief ist deshalb wohl als privates Begleitschreiben zu dem Erlaß
anzusehen und trägt auch wohl dasselbe Datum, Lord Granville wird darum die
Abschrift nicht am 12., sondern einige Tage später erhalten haben. Auffällig darin
bleibt der wenig "Verbündete" Ton, in den, der Fürst von Osterreich spricht, und
sodann die Behauptung, daß Rußland und Frankreich große Summen aufwenden,
um "die deutsche Presse" zu Schmiere". Bismarck hat damit -- wie aus seiner
Rede vom 2. März 1885 hervorgeht -- die Finanzsorgen der französischen Bankiers
wegen der englischen Intervention in Ägypten, mit der Aussicht auf dauernde


Maßgebliches und Unmaßgebliches

die spanische Anerkennungsfrage, Differenzen zwischen Bismarck und Stosch wegen
der Entsendung von Kriegsschiffen nach Spanien und zuletzt die zu Hohenlohe er¬
wähnte drohende Fassung der Thronrede. Hier brechen die Aufzeichnungen ab. Sie
sind, wie folgt, zu ergänzen. Am 25. Oktober sprach sich der Kaiser mißbilligend zu
Hohenlohe aus, zwei Tage später kehrte Bismarck von Varzin nach Berlin zurück und
hatte am folgenden Tage eine längere Besprechung mit dem Kaiser, in der alle Uneben¬
heiten geglättet worden sind. Die Thronrede behielt im wesentlichen die von Bismarck
gewünschte Fassung, er wohnte am nächsten Tage der Reichstagseröffnung bei. Roon
bezeugt in einem Briefe an Moritz von Blanckenburg, daß er Bismarck bei einem
Besuche am 2. November „objektiver, zufriedner und bei aller gewohnten Lebhaftigkeit
unaufgeregter als je, vollkommen auf der Hohe seiner Stellung, in völliger Überein¬
stimmung mit dem Allerhöchsten" gefunden habe. Leider dauerte das wiederher¬
gestellte gute Verhältnis nicht lange an. Bismcircks Gesundheit erwies sich der
durch Friktionen aller Art vermehrten Geschäftslast nicht gewachsen, und am 11. Mai
1875 übersandte er dem Kaiser ein vom 4. Mai datiertes, eingehend mit seinen
Gesundheitsverhältnissen begründetes Entlassungsgesuch, dem am 4. Juni die längere
Beurlaubung folgte, während der Bismarck durch Delbrück und Bülow vertreten
wurde. In diese Urlaubszeit fällt die Mitteilung eines Briefes der Königin Viktorin
durch den Kaiser an Bismarck, ein Brief, in dem Deutschland ebenfalls kriegerische
Absichten zugeschrieben wurden. In Bismcircks Antwort an den Kaiser steht der
bezeichnende, auch die Stelle in der Thronrede vom Oktober 1874 erläuternde Satz:
„Ich würde noch heute, wie 1867 in der Luxemburger Frage, Eurer Majestät niemals
zureden, einen Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß der
Gegner ihn bald beginnen werde; mau kann die Wege der göttlichen Vorsehung dazu
niemals sicher genug im voraus erkennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner
die Sicherheit zu geben, daß man seinen Angriff jedenfalls abwarten werde."
Dieser Satz, den Bismarck in seiner historischen Rede vom 6. Februar 1888 wieder¬
holt hat, gilt auch noch für die heutige europäische Lage, wie er denn überhaupt
dauernd richtig sein wird. In demselben Sinne hat die deutsche Politik im vorigen
Jahre gehandelt, als sie Frankreich auf die Folgen hinwies, die es heraufbeschwören
werde, falls es die marokkanische Angelegenheit als Machtfrage behandeln wollte.

Die zweite hier in Betracht kommende Publikation ist ein vom Professor
Schiemann in der Kreuzzeitung wiedergegebner Brief Bismcircks aus dem Jahre1882,
der sich eingehend über das Verhältnis Deutschlands zu England und über die Un¬
möglichkeit einer Allianz mit England verbreitet. Diese Veröffentlichung ist eigentlich
nicht ganz neu. Der Brief steht bekanntlich in einer von dem jetzigen Unterstaats¬
sekretär Fitz-Maurice im britischen Auswärtigen Amt herausgegebnen Biographie
Lord Grcmvilles (1815 bis 1891), die schon vor einigen Monaten Gegenstand einer
Besprechung durch Hermann Oncken in den Preußischen Jahrbüchern gewesen ist.
Es ist weder der Empfänger des Briefes noch das genaue Datum angegeben. Lord
Grenville soll am 12. September 1882 eine Abschrift des an eine biZbli Me-eel
pörsoniuiKs gerichtete» Briefes empfangen haben. Bismarck war damals in Varzin.
Von dort hat er unter dem 12. September 1882 den Erlaß an den Botschafter
in London gerichtet, von dem in seiner Reichstagsrcde vom 2. März 1885 die
Rede ist. Der Brief ist deshalb wohl als privates Begleitschreiben zu dem Erlaß
anzusehen und trägt auch wohl dasselbe Datum, Lord Granville wird darum die
Abschrift nicht am 12., sondern einige Tage später erhalten haben. Auffällig darin
bleibt der wenig „Verbündete" Ton, in den, der Fürst von Osterreich spricht, und
sodann die Behauptung, daß Rußland und Frankreich große Summen aufwenden,
um „die deutsche Presse" zu Schmiere». Bismarck hat damit — wie aus seiner
Rede vom 2. März 1885 hervorgeht — die Finanzsorgen der französischen Bankiers
wegen der englischen Intervention in Ägypten, mit der Aussicht auf dauernde


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[0063] Maßgebliches und Unmaßgebliches die spanische Anerkennungsfrage, Differenzen zwischen Bismarck und Stosch wegen der Entsendung von Kriegsschiffen nach Spanien und zuletzt die zu Hohenlohe er¬ wähnte drohende Fassung der Thronrede. Hier brechen die Aufzeichnungen ab. Sie sind, wie folgt, zu ergänzen. Am 25. Oktober sprach sich der Kaiser mißbilligend zu Hohenlohe aus, zwei Tage später kehrte Bismarck von Varzin nach Berlin zurück und hatte am folgenden Tage eine längere Besprechung mit dem Kaiser, in der alle Uneben¬ heiten geglättet worden sind. Die Thronrede behielt im wesentlichen die von Bismarck gewünschte Fassung, er wohnte am nächsten Tage der Reichstagseröffnung bei. Roon bezeugt in einem Briefe an Moritz von Blanckenburg, daß er Bismarck bei einem Besuche am 2. November „objektiver, zufriedner und bei aller gewohnten Lebhaftigkeit unaufgeregter als je, vollkommen auf der Hohe seiner Stellung, in völliger Überein¬ stimmung mit dem Allerhöchsten" gefunden habe. Leider dauerte das wiederher¬ gestellte gute Verhältnis nicht lange an. Bismcircks Gesundheit erwies sich der durch Friktionen aller Art vermehrten Geschäftslast nicht gewachsen, und am 11. Mai 1875 übersandte er dem Kaiser ein vom 4. Mai datiertes, eingehend mit seinen Gesundheitsverhältnissen begründetes Entlassungsgesuch, dem am 4. Juni die längere Beurlaubung folgte, während der Bismarck durch Delbrück und Bülow vertreten wurde. In diese Urlaubszeit fällt die Mitteilung eines Briefes der Königin Viktorin durch den Kaiser an Bismarck, ein Brief, in dem Deutschland ebenfalls kriegerische Absichten zugeschrieben wurden. In Bismcircks Antwort an den Kaiser steht der bezeichnende, auch die Stelle in der Thronrede vom Oktober 1874 erläuternde Satz: „Ich würde noch heute, wie 1867 in der Luxemburger Frage, Eurer Majestät niemals zureden, einen Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß der Gegner ihn bald beginnen werde; mau kann die Wege der göttlichen Vorsehung dazu niemals sicher genug im voraus erkennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner die Sicherheit zu geben, daß man seinen Angriff jedenfalls abwarten werde." Dieser Satz, den Bismarck in seiner historischen Rede vom 6. Februar 1888 wieder¬ holt hat, gilt auch noch für die heutige europäische Lage, wie er denn überhaupt dauernd richtig sein wird. In demselben Sinne hat die deutsche Politik im vorigen Jahre gehandelt, als sie Frankreich auf die Folgen hinwies, die es heraufbeschwören werde, falls es die marokkanische Angelegenheit als Machtfrage behandeln wollte. Die zweite hier in Betracht kommende Publikation ist ein vom Professor Schiemann in der Kreuzzeitung wiedergegebner Brief Bismcircks aus dem Jahre1882, der sich eingehend über das Verhältnis Deutschlands zu England und über die Un¬ möglichkeit einer Allianz mit England verbreitet. Diese Veröffentlichung ist eigentlich nicht ganz neu. Der Brief steht bekanntlich in einer von dem jetzigen Unterstaats¬ sekretär Fitz-Maurice im britischen Auswärtigen Amt herausgegebnen Biographie Lord Grcmvilles (1815 bis 1891), die schon vor einigen Monaten Gegenstand einer Besprechung durch Hermann Oncken in den Preußischen Jahrbüchern gewesen ist. Es ist weder der Empfänger des Briefes noch das genaue Datum angegeben. Lord Grenville soll am 12. September 1882 eine Abschrift des an eine biZbli Me-eel pörsoniuiKs gerichtete» Briefes empfangen haben. Bismarck war damals in Varzin. Von dort hat er unter dem 12. September 1882 den Erlaß an den Botschafter in London gerichtet, von dem in seiner Reichstagsrcde vom 2. März 1885 die Rede ist. Der Brief ist deshalb wohl als privates Begleitschreiben zu dem Erlaß anzusehen und trägt auch wohl dasselbe Datum, Lord Granville wird darum die Abschrift nicht am 12., sondern einige Tage später erhalten haben. Auffällig darin bleibt der wenig „Verbündete" Ton, in den, der Fürst von Osterreich spricht, und sodann die Behauptung, daß Rußland und Frankreich große Summen aufwenden, um „die deutsche Presse" zu Schmiere». Bismarck hat damit — wie aus seiner Rede vom 2. März 1885 hervorgeht — die Finanzsorgen der französischen Bankiers wegen der englischen Intervention in Ägypten, mit der Aussicht auf dauernde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/63>, abgerufen am 23.07.2024.