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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Millionen, sondern zugleich auch der politische Leiter des größten Bundesstaates
ist. Auch aus diesem Grunde kann er nicht der Znfallsmajoritcit entnommen werden.
Weil Preußen der führende Staat ist, der die größte Summe von Interessen und
zugleich die höchste Leistung im Reiche hat, muß der Reichskanzler Preuße sein.
Gewiß ist der Fall denkbar, daß der Kaiser auch einem Bayer, Sachsen oder
Badener in so hohem Grade sein Vertrauen schenkte, daß er ihm mit dem Reichs¬
kanzleramt auch die Stellung des preußischen Ministerpräsidenten übertrüge. Aber
der Betreffende würde wahrscheinlich nur wenig leisten können, weil er in Preußen
nicht wurzelständig ist. Andrerseits hat der Träger der preußischen Krone auch
als Kaiser allen Anlaß, die preußische Staatsmacht fest zusammenzuhalten und
leistungsfähig auszubauen. Denn sie ist es, die auch "den Kaiser" trägt in den Tagen
des Glücks und des Glanzes, mehr noch in Zeiten des Ernstes und des Unglücks,
in denen seine alten preußischen Provinzen die letzten und ausdauerndsten Quellen
seiner Kraft sein werden. Eben deshalb muß auch der Reichskanzler Preuße sein,
damit er die reichen Quellen zu erschließen und in Zeiten der Not wie Moses mit
den: Stab an diese Felsen zu schlagen vermag, damit sie ihm Wasser, Lebenswasser
geben. Solange Deutschland ein monarchischer Staatenbund unter Preußens Führung
ist, können wir das Mi-Il^möniAr^ goverumsut nicht brauchen. Was nachher sein
wird, darüber wollen wir uns den Kopf nicht zerbrechen, sondern lieber dafür
sorgen, daß der jetzt noch starke monarchische Rahmen unsers nationalen Lebens
auch fernerhin unzerbrechlich bleibe. Zentrumsdemokratie und liberales Philister¬
tum in Parlament und Presse werden sich vielleicht vor so "reaktionären" Ge¬
danken bekreuzen. Mögen sie beizeiten zusehen, wohin sie der jetzt innegehaltene
Weg führt, damit sie nicht erst die Not beten lehrt.

In erster Reihe ist um der Gegenwart und der Zukunft willen Vonnöten, daß
der Sozialdemokratie endlich ein "Bis hierher und nicht weiter!" gesetzt werde. Der
von ihr aufgenommnen Propaganda, die jungen Leute noch vor ihrem Heerespflich¬
tigen Alter an die rote Fahne zu fesseln und sie mit Widerwillen und Abneigung
gegen den Heeresdienst zu erfüllen, dürfen die staatlichen Gewalten nicht länger un¬
tätig zusehen. Dieses Treiben ist qualifizierter Hoch- und Landesverrat. Kein
Kriegsminister wäre in der Lage, die Verantwortlichkeit für ein Heerwesen zu tragen,
dem von einer Aushebung zur andern solche Elemente in wachsender Zahl zufließen.
Der Staat übt durch die Volksschule eine notdürftige Aufsicht über die heranwachsende
Jugend bis zum vierzehnten Lebensjahre. Für die folgenden sechs oder sieben Jahre
fehlt sie vollständig -- die wichtigsten, weil sich in ihnen der Charakter bildet --,
und erst mit dem Eintritt in das Heer, und dann mit großer Strenge, greift sie
wieder Platz. Da die ganze männliche Jugend dem Staate wehrpflichtig ist, er in
Kriegszeiten sogar bis in das siebzehnte Lebensjahr zurückzugreifen berechtigt ist,
so erwächst ihm daraus auch die Pflicht, die schulentlassne Jugend nicht aus dem
Auge zu lassen und dafür zu sorgen, daß sie dem Vaterlande, dem sie mit Leib
und Leben dienen, dem Könige, dem sie den Eid der Treue leisten und halten soll,
nicht durch hochverräterische Umtriebe entfremdet werde. Die Schule ist verfassuugs-
mcißig "eine Veranstaltung des Staates", das Heer auch, damit ist schon die Not¬
wendigkeit gegeben, zwischen Schule und Heer, zwischen Schulzeit und Dienstzeit eine
Verbindung herzustellen, die, ohne die Vorbereitung für den bürgerlichen Beruf oder
dessen Betätigung zu beeinträchtigen, doch eine Kontinuität der staatlichen Aufsicht
gewährt, wie sie für die Söhne der gebildeten Klassen, die bis zum siebzehnten
oder achtzehnten Jahre das Gymnasium besuchen, zum großen Teile ohnehin be¬
steht. Für die jungen Leute aus den ärmern Schichten, ans deren Erziehung und
Ausbildung so viel weniger Sorgfalt verwandt werden konnte, ist diese Aufsicht
doch um so notwendiger. Es lassen sich da sehr wohl Organisationen schaffen, die
z. B. mit einer turnerischen Vorbildung für das Heer, unter staatlicher Aufsicht, in


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Millionen, sondern zugleich auch der politische Leiter des größten Bundesstaates
ist. Auch aus diesem Grunde kann er nicht der Znfallsmajoritcit entnommen werden.
Weil Preußen der führende Staat ist, der die größte Summe von Interessen und
zugleich die höchste Leistung im Reiche hat, muß der Reichskanzler Preuße sein.
Gewiß ist der Fall denkbar, daß der Kaiser auch einem Bayer, Sachsen oder
Badener in so hohem Grade sein Vertrauen schenkte, daß er ihm mit dem Reichs¬
kanzleramt auch die Stellung des preußischen Ministerpräsidenten übertrüge. Aber
der Betreffende würde wahrscheinlich nur wenig leisten können, weil er in Preußen
nicht wurzelständig ist. Andrerseits hat der Träger der preußischen Krone auch
als Kaiser allen Anlaß, die preußische Staatsmacht fest zusammenzuhalten und
leistungsfähig auszubauen. Denn sie ist es, die auch „den Kaiser" trägt in den Tagen
des Glücks und des Glanzes, mehr noch in Zeiten des Ernstes und des Unglücks,
in denen seine alten preußischen Provinzen die letzten und ausdauerndsten Quellen
seiner Kraft sein werden. Eben deshalb muß auch der Reichskanzler Preuße sein,
damit er die reichen Quellen zu erschließen und in Zeiten der Not wie Moses mit
den: Stab an diese Felsen zu schlagen vermag, damit sie ihm Wasser, Lebenswasser
geben. Solange Deutschland ein monarchischer Staatenbund unter Preußens Führung
ist, können wir das Mi-Il^möniAr^ goverumsut nicht brauchen. Was nachher sein
wird, darüber wollen wir uns den Kopf nicht zerbrechen, sondern lieber dafür
sorgen, daß der jetzt noch starke monarchische Rahmen unsers nationalen Lebens
auch fernerhin unzerbrechlich bleibe. Zentrumsdemokratie und liberales Philister¬
tum in Parlament und Presse werden sich vielleicht vor so „reaktionären" Ge¬
danken bekreuzen. Mögen sie beizeiten zusehen, wohin sie der jetzt innegehaltene
Weg führt, damit sie nicht erst die Not beten lehrt.

In erster Reihe ist um der Gegenwart und der Zukunft willen Vonnöten, daß
der Sozialdemokratie endlich ein „Bis hierher und nicht weiter!" gesetzt werde. Der
von ihr aufgenommnen Propaganda, die jungen Leute noch vor ihrem Heerespflich¬
tigen Alter an die rote Fahne zu fesseln und sie mit Widerwillen und Abneigung
gegen den Heeresdienst zu erfüllen, dürfen die staatlichen Gewalten nicht länger un¬
tätig zusehen. Dieses Treiben ist qualifizierter Hoch- und Landesverrat. Kein
Kriegsminister wäre in der Lage, die Verantwortlichkeit für ein Heerwesen zu tragen,
dem von einer Aushebung zur andern solche Elemente in wachsender Zahl zufließen.
Der Staat übt durch die Volksschule eine notdürftige Aufsicht über die heranwachsende
Jugend bis zum vierzehnten Lebensjahre. Für die folgenden sechs oder sieben Jahre
fehlt sie vollständig — die wichtigsten, weil sich in ihnen der Charakter bildet —,
und erst mit dem Eintritt in das Heer, und dann mit großer Strenge, greift sie
wieder Platz. Da die ganze männliche Jugend dem Staate wehrpflichtig ist, er in
Kriegszeiten sogar bis in das siebzehnte Lebensjahr zurückzugreifen berechtigt ist,
so erwächst ihm daraus auch die Pflicht, die schulentlassne Jugend nicht aus dem
Auge zu lassen und dafür zu sorgen, daß sie dem Vaterlande, dem sie mit Leib
und Leben dienen, dem Könige, dem sie den Eid der Treue leisten und halten soll,
nicht durch hochverräterische Umtriebe entfremdet werde. Die Schule ist verfassuugs-
mcißig „eine Veranstaltung des Staates", das Heer auch, damit ist schon die Not¬
wendigkeit gegeben, zwischen Schule und Heer, zwischen Schulzeit und Dienstzeit eine
Verbindung herzustellen, die, ohne die Vorbereitung für den bürgerlichen Beruf oder
dessen Betätigung zu beeinträchtigen, doch eine Kontinuität der staatlichen Aufsicht
gewährt, wie sie für die Söhne der gebildeten Klassen, die bis zum siebzehnten
oder achtzehnten Jahre das Gymnasium besuchen, zum großen Teile ohnehin be¬
steht. Für die jungen Leute aus den ärmern Schichten, ans deren Erziehung und
Ausbildung so viel weniger Sorgfalt verwandt werden konnte, ist diese Aufsicht
doch um so notwendiger. Es lassen sich da sehr wohl Organisationen schaffen, die
z. B. mit einer turnerischen Vorbildung für das Heer, unter staatlicher Aufsicht, in


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[0061] Maßgebliches und Unmaßgebliches Millionen, sondern zugleich auch der politische Leiter des größten Bundesstaates ist. Auch aus diesem Grunde kann er nicht der Znfallsmajoritcit entnommen werden. Weil Preußen der führende Staat ist, der die größte Summe von Interessen und zugleich die höchste Leistung im Reiche hat, muß der Reichskanzler Preuße sein. Gewiß ist der Fall denkbar, daß der Kaiser auch einem Bayer, Sachsen oder Badener in so hohem Grade sein Vertrauen schenkte, daß er ihm mit dem Reichs¬ kanzleramt auch die Stellung des preußischen Ministerpräsidenten übertrüge. Aber der Betreffende würde wahrscheinlich nur wenig leisten können, weil er in Preußen nicht wurzelständig ist. Andrerseits hat der Träger der preußischen Krone auch als Kaiser allen Anlaß, die preußische Staatsmacht fest zusammenzuhalten und leistungsfähig auszubauen. Denn sie ist es, die auch „den Kaiser" trägt in den Tagen des Glücks und des Glanzes, mehr noch in Zeiten des Ernstes und des Unglücks, in denen seine alten preußischen Provinzen die letzten und ausdauerndsten Quellen seiner Kraft sein werden. Eben deshalb muß auch der Reichskanzler Preuße sein, damit er die reichen Quellen zu erschließen und in Zeiten der Not wie Moses mit den: Stab an diese Felsen zu schlagen vermag, damit sie ihm Wasser, Lebenswasser geben. Solange Deutschland ein monarchischer Staatenbund unter Preußens Führung ist, können wir das Mi-Il^möniAr^ goverumsut nicht brauchen. Was nachher sein wird, darüber wollen wir uns den Kopf nicht zerbrechen, sondern lieber dafür sorgen, daß der jetzt noch starke monarchische Rahmen unsers nationalen Lebens auch fernerhin unzerbrechlich bleibe. Zentrumsdemokratie und liberales Philister¬ tum in Parlament und Presse werden sich vielleicht vor so „reaktionären" Ge¬ danken bekreuzen. Mögen sie beizeiten zusehen, wohin sie der jetzt innegehaltene Weg führt, damit sie nicht erst die Not beten lehrt. In erster Reihe ist um der Gegenwart und der Zukunft willen Vonnöten, daß der Sozialdemokratie endlich ein „Bis hierher und nicht weiter!" gesetzt werde. Der von ihr aufgenommnen Propaganda, die jungen Leute noch vor ihrem Heerespflich¬ tigen Alter an die rote Fahne zu fesseln und sie mit Widerwillen und Abneigung gegen den Heeresdienst zu erfüllen, dürfen die staatlichen Gewalten nicht länger un¬ tätig zusehen. Dieses Treiben ist qualifizierter Hoch- und Landesverrat. Kein Kriegsminister wäre in der Lage, die Verantwortlichkeit für ein Heerwesen zu tragen, dem von einer Aushebung zur andern solche Elemente in wachsender Zahl zufließen. Der Staat übt durch die Volksschule eine notdürftige Aufsicht über die heranwachsende Jugend bis zum vierzehnten Lebensjahre. Für die folgenden sechs oder sieben Jahre fehlt sie vollständig — die wichtigsten, weil sich in ihnen der Charakter bildet —, und erst mit dem Eintritt in das Heer, und dann mit großer Strenge, greift sie wieder Platz. Da die ganze männliche Jugend dem Staate wehrpflichtig ist, er in Kriegszeiten sogar bis in das siebzehnte Lebensjahr zurückzugreifen berechtigt ist, so erwächst ihm daraus auch die Pflicht, die schulentlassne Jugend nicht aus dem Auge zu lassen und dafür zu sorgen, daß sie dem Vaterlande, dem sie mit Leib und Leben dienen, dem Könige, dem sie den Eid der Treue leisten und halten soll, nicht durch hochverräterische Umtriebe entfremdet werde. Die Schule ist verfassuugs- mcißig „eine Veranstaltung des Staates", das Heer auch, damit ist schon die Not¬ wendigkeit gegeben, zwischen Schule und Heer, zwischen Schulzeit und Dienstzeit eine Verbindung herzustellen, die, ohne die Vorbereitung für den bürgerlichen Beruf oder dessen Betätigung zu beeinträchtigen, doch eine Kontinuität der staatlichen Aufsicht gewährt, wie sie für die Söhne der gebildeten Klassen, die bis zum siebzehnten oder achtzehnten Jahre das Gymnasium besuchen, zum großen Teile ohnehin be¬ steht. Für die jungen Leute aus den ärmern Schichten, ans deren Erziehung und Ausbildung so viel weniger Sorgfalt verwandt werden konnte, ist diese Aufsicht doch um so notwendiger. Es lassen sich da sehr wohl Organisationen schaffen, die z. B. mit einer turnerischen Vorbildung für das Heer, unter staatlicher Aufsicht, in

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/61>, abgerufen am 23.07.2024.