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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

dieses denkwürdigen Tages, als die Nachricht von dem verhängnisvollen Bundes¬
tagsbeschluß, den als Kriegserklärung betrachten zu müssen Preußen vorher allen
deutschen Staaten modifiziert hatte, schon vorlag, wurde Gelzer noch von Bismarck
empfangen, der sich im Sinne seiner telegraphischen Weisung nach Karlsruhe
eingehend und wohlwollend aussprach, dann aber in der eindrucksvollsten Weise
die Notwendigkeit des Krieges und einer gewaltsamen Lösung der deutschen
Frage darlegte. Friedrich Curtius berichtet in seiner leider nur allzu kurzen
Biographie Gelzers: "Es war einer der Momente, wo die ganze einzige Größe
des damals von aller Welt verkannten Mannes zur Erscheinung kam: die
beherrschende Klarheit seines genialen Blicks und die elementare Kraft seines
gewaltigen Willens. Für Gelzer war dieser Eindruck von entscheidender Be¬
deutung. Es war ihm von diesem Augenblick an klar, daß die Ziele, denen
^ und sein fürstlicher Freund nachstrebten, nur durch diesen Mann erreicht
werden könnten." Und nun das Wiedersehen im August!

Diese Episode mußte hier eingeschaltet werden, nicht nur weil Gelzer
auch in den Herbstmonaten 1870 ein treuer Helfer gewesen ist, sondern well
sie auch für die heutige Generation deutlich erkennbar die Sphäre umschreibt,
die Großherzog Friedrichs Handeln in jenen wehevollen Geburtsstunden unsers
Deutschen Reichs bestimmt hat.

Der Aufenthalt Gelzers in Berlin im August 1866 hatte noch wettere
Folgen, die sich in den nächsten Jahren und namentlich im Herbst 1370 in
glücklicher Weise geltend machten. Er trat damals auch in Beziehungen zum
kronprinzlichen Paare. Curtius berichtet darüber: "In beiden fand er das
vollste Verständnis dafür, daß nicht ein vergrößertes Preußen, sondern em
einiges Deutschland das Ziel der Arbeit sein müsse, und das Wort der Kron¬
prinzessin, daß den beiden Friedrichen, nördlich und südlich des Maus. bei der
Arbeit für dessen Überbrückung eine Hauptaufgabe zufalle, stimmte alt Gelzers
freudigsten Hoffnungen zusammen." Nachdem am 6. Februar 1867 der Gro߬
herzog mit dem neu ernannten bayrischen Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe
une Besprechung in Mühlacker gehabt hatte, ging Gelzer in besondrer Msston
"°es München, um Verhandlungen über eine Annäherung der süddeutschen
Staaten an den Norddeutschen Bund anzuknüpfen. Für die Erweiterung des
Norddeutschen Bundes zum Deutschen Bundesstaat, dem Ziele des Großherzogs,
war die öffentliche Meinung in Bayern noch nicht reif aber es ^arg euie
Verständigung über die Grundlagen einer dauerndem Verbindung der süddeutschen
Staaten mit Norddeutschland und über die Herstellung eines materiell gemein¬
samen Rechts in den politisch wichtigsten Aufgabe" der Gesetzgebung Die-
Ergebnisse der Verhandlungen erlangten in sechs Punktionen ^bindenden Abschluß doch konnte das Projekt im Hinblick auf die auswärt s""ge nicht weiter verfolgt werden. Nachdem bei der Luxemburger Angelegen--
heit die Gefahr einer Friedensstörung mit Mühe beschworen worden war woll e
Bismarck nach der damals erfolgten Veröffentlichung der Schutz- und Trutz.


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

dieses denkwürdigen Tages, als die Nachricht von dem verhängnisvollen Bundes¬
tagsbeschluß, den als Kriegserklärung betrachten zu müssen Preußen vorher allen
deutschen Staaten modifiziert hatte, schon vorlag, wurde Gelzer noch von Bismarck
empfangen, der sich im Sinne seiner telegraphischen Weisung nach Karlsruhe
eingehend und wohlwollend aussprach, dann aber in der eindrucksvollsten Weise
die Notwendigkeit des Krieges und einer gewaltsamen Lösung der deutschen
Frage darlegte. Friedrich Curtius berichtet in seiner leider nur allzu kurzen
Biographie Gelzers: „Es war einer der Momente, wo die ganze einzige Größe
des damals von aller Welt verkannten Mannes zur Erscheinung kam: die
beherrschende Klarheit seines genialen Blicks und die elementare Kraft seines
gewaltigen Willens. Für Gelzer war dieser Eindruck von entscheidender Be¬
deutung. Es war ihm von diesem Augenblick an klar, daß die Ziele, denen
^ und sein fürstlicher Freund nachstrebten, nur durch diesen Mann erreicht
werden könnten." Und nun das Wiedersehen im August!

Diese Episode mußte hier eingeschaltet werden, nicht nur weil Gelzer
auch in den Herbstmonaten 1870 ein treuer Helfer gewesen ist, sondern well
sie auch für die heutige Generation deutlich erkennbar die Sphäre umschreibt,
die Großherzog Friedrichs Handeln in jenen wehevollen Geburtsstunden unsers
Deutschen Reichs bestimmt hat.

Der Aufenthalt Gelzers in Berlin im August 1866 hatte noch wettere
Folgen, die sich in den nächsten Jahren und namentlich im Herbst 1370 in
glücklicher Weise geltend machten. Er trat damals auch in Beziehungen zum
kronprinzlichen Paare. Curtius berichtet darüber: „In beiden fand er das
vollste Verständnis dafür, daß nicht ein vergrößertes Preußen, sondern em
einiges Deutschland das Ziel der Arbeit sein müsse, und das Wort der Kron¬
prinzessin, daß den beiden Friedrichen, nördlich und südlich des Maus. bei der
Arbeit für dessen Überbrückung eine Hauptaufgabe zufalle, stimmte alt Gelzers
freudigsten Hoffnungen zusammen." Nachdem am 6. Februar 1867 der Gro߬
herzog mit dem neu ernannten bayrischen Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe
une Besprechung in Mühlacker gehabt hatte, ging Gelzer in besondrer Msston
"°es München, um Verhandlungen über eine Annäherung der süddeutschen
Staaten an den Norddeutschen Bund anzuknüpfen. Für die Erweiterung des
Norddeutschen Bundes zum Deutschen Bundesstaat, dem Ziele des Großherzogs,
war die öffentliche Meinung in Bayern noch nicht reif aber es ^arg euie
Verständigung über die Grundlagen einer dauerndem Verbindung der süddeutschen
Staaten mit Norddeutschland und über die Herstellung eines materiell gemein¬
samen Rechts in den politisch wichtigsten Aufgabe» der Gesetzgebung Die-
Ergebnisse der Verhandlungen erlangten in sechs Punktionen ^bindenden Abschluß doch konnte das Projekt im Hinblick auf die auswärt s«"ge nicht weiter verfolgt werden. Nachdem bei der Luxemburger Angelegen--
heit die Gefahr einer Friedensstörung mit Mühe beschworen worden war woll e
Bismarck nach der damals erfolgten Veröffentlichung der Schutz- und Trutz.


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[0603] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles dieses denkwürdigen Tages, als die Nachricht von dem verhängnisvollen Bundes¬ tagsbeschluß, den als Kriegserklärung betrachten zu müssen Preußen vorher allen deutschen Staaten modifiziert hatte, schon vorlag, wurde Gelzer noch von Bismarck empfangen, der sich im Sinne seiner telegraphischen Weisung nach Karlsruhe eingehend und wohlwollend aussprach, dann aber in der eindrucksvollsten Weise die Notwendigkeit des Krieges und einer gewaltsamen Lösung der deutschen Frage darlegte. Friedrich Curtius berichtet in seiner leider nur allzu kurzen Biographie Gelzers: „Es war einer der Momente, wo die ganze einzige Größe des damals von aller Welt verkannten Mannes zur Erscheinung kam: die beherrschende Klarheit seines genialen Blicks und die elementare Kraft seines gewaltigen Willens. Für Gelzer war dieser Eindruck von entscheidender Be¬ deutung. Es war ihm von diesem Augenblick an klar, daß die Ziele, denen ^ und sein fürstlicher Freund nachstrebten, nur durch diesen Mann erreicht werden könnten." Und nun das Wiedersehen im August! Diese Episode mußte hier eingeschaltet werden, nicht nur weil Gelzer auch in den Herbstmonaten 1870 ein treuer Helfer gewesen ist, sondern well sie auch für die heutige Generation deutlich erkennbar die Sphäre umschreibt, die Großherzog Friedrichs Handeln in jenen wehevollen Geburtsstunden unsers Deutschen Reichs bestimmt hat. Der Aufenthalt Gelzers in Berlin im August 1866 hatte noch wettere Folgen, die sich in den nächsten Jahren und namentlich im Herbst 1370 in glücklicher Weise geltend machten. Er trat damals auch in Beziehungen zum kronprinzlichen Paare. Curtius berichtet darüber: „In beiden fand er das vollste Verständnis dafür, daß nicht ein vergrößertes Preußen, sondern em einiges Deutschland das Ziel der Arbeit sein müsse, und das Wort der Kron¬ prinzessin, daß den beiden Friedrichen, nördlich und südlich des Maus. bei der Arbeit für dessen Überbrückung eine Hauptaufgabe zufalle, stimmte alt Gelzers freudigsten Hoffnungen zusammen." Nachdem am 6. Februar 1867 der Gro߬ herzog mit dem neu ernannten bayrischen Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe une Besprechung in Mühlacker gehabt hatte, ging Gelzer in besondrer Msston "°es München, um Verhandlungen über eine Annäherung der süddeutschen Staaten an den Norddeutschen Bund anzuknüpfen. Für die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Bundesstaat, dem Ziele des Großherzogs, war die öffentliche Meinung in Bayern noch nicht reif aber es ^arg euie Verständigung über die Grundlagen einer dauerndem Verbindung der süddeutschen Staaten mit Norddeutschland und über die Herstellung eines materiell gemein¬ samen Rechts in den politisch wichtigsten Aufgabe» der Gesetzgebung Die- Ergebnisse der Verhandlungen erlangten in sechs Punktionen ^bindenden Abschluß doch konnte das Projekt im Hinblick auf die auswärt s«"ge nicht weiter verfolgt werden. Nachdem bei der Luxemburger Angelegen-- heit die Gefahr einer Friedensstörung mit Mühe beschworen worden war woll e Bismarck nach der damals erfolgten Veröffentlichung der Schutz- und Trutz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/603>, abgerufen am 23.07.2024.