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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Ein deutsches Kaiserschlosz in Apulien

quadern gestanden. Dagegen ist das Grabmal am Hauptportal der Kathedrale,
ein von vier antiken Säulen getragner Bogen mit der Urne, die Friedrichs
Herz und Eingeweide barg, schon bei dem Erdbeben am 31. März 1731 zu¬
grunde gegangen. Auch das stärkste Bollwerk, das der Kaiser in Unteritalien
errichten, und worin er im Jahre 1233 die aufständigen Sarazenen Siziliens
unterbringen ließ, die etwa zwei Stunden von Foggia entfernte Feste Lucera,
ist zerstört. Wohl ragt noch trutzig das braunrote Mauerwerk mit seinen Turm¬
resten auf einer die Tavoliere ti Puglia weithin beherrschenden Anhöhe in die
Landschaft hinein. Im Innern aber ist die Burg heute nur noch ein un¬
geheurer Trümmerhaufen. Allerdings hat man in dem Viereck eines Gebäudes
noch den kaiserlichen Palas und daneben sogar die ehemalige Schatzkammer
erkennen wollen. Tatsächlich sind auch hier von Schatzgräbern eine Menge
Gold- und Silbermünzen zutage gefördert worden. Dagegen dürfte es schwer
halten, in dem Ruinenfeld die Lage der Arsenale, Kasernen und Waffenfabriken
zu bestimmen, die einst der Mittelpunkt des blühenden Gemeinwesens waren,
das inmitten der Völker des Abendlandes treu an seinen orientalischen Sitten
und Gewohnheiten hing. Ja es wird berichtet, daß Friedrich diesem zähen
Festhalten an der Väter Brauch und der glühenden Sehnsucht seiner Sarazenen
nach der Heimat ihres Stammes so weit Rechnung getragen habe, daß er zu
ihrer Belustigung wilde Tiere aus Asien verschrieb, die er dann seinen übrigen
Untertanen zur Belehrung in ganz Italien herumführen ließ.

Aber auch sonst ist die Gegend ringsum erfüllt von Erinnerungen an des
großen Staufen Regentenzeit. Dort, wo der umflorte Blick nordwärts den aus
der Ebene aufsteigenden, niedrigen Hügel streift, stehn noch wenige Reste des
Kastells Fiorentino, worin am 13. Dezember 1250 der Kaiser gebrochnen
Herzens, aber ungebrochnen Mutes in den Armen des geliebten Sohnes Manfred
den Geist aufgab, "unter Blumen (liori) sterbend", wie ihm der Spruch der
Sterndeuter einst gelautet hatte. Südwärts aber, da, wo die Straße über den
Apennin weg nach Melfi und Potenza führt, liegt noch wohlerhalten in den
Bergen versteckt das Normannenschloß am Lago Pesole, das er im Jahre 1242
erweitern ließ, und das er um seiner gesunden Lage und der herrlichen Wälder
willen Sommers liber gern besuchte. Spricht sich hierin ein fein entwickeltes
Gefühl für die Schönheiten der Natur aus, das auch häufig in Friedrichs Ge-
dichten zum Durchbruch kommt, so zieht er doch als leidenschaftlicher Falkner
zu lungern Aufenthalt Gegenden vor, wo er diesem edelsten Weidwerk obliegen
konnte. Dort läßt er kleinere Lustsitze erbauen, richtet wie sein Großvater
Friedrich Barbarossa selbst Falken ab, nach deren Schicksal er sich wohl auch,
wenn er in der Ferne weilt, eingehend erkundigt, oder zu deren Behandlung
er scharfsinnige Anweisungen gibt. War er doch überhaupt, was Beobachtung
und liebevolles Versenken in die Lebensgewohnheiten der Tierwelt anlangt,
seinen Zeitgenossen weit voraus. Das beweist uns nicht nur ein in seinem
Auftrag geschriebnes, wenig bekanntes Werk über die Natur und die Behandlung


Ein deutsches Kaiserschlosz in Apulien

quadern gestanden. Dagegen ist das Grabmal am Hauptportal der Kathedrale,
ein von vier antiken Säulen getragner Bogen mit der Urne, die Friedrichs
Herz und Eingeweide barg, schon bei dem Erdbeben am 31. März 1731 zu¬
grunde gegangen. Auch das stärkste Bollwerk, das der Kaiser in Unteritalien
errichten, und worin er im Jahre 1233 die aufständigen Sarazenen Siziliens
unterbringen ließ, die etwa zwei Stunden von Foggia entfernte Feste Lucera,
ist zerstört. Wohl ragt noch trutzig das braunrote Mauerwerk mit seinen Turm¬
resten auf einer die Tavoliere ti Puglia weithin beherrschenden Anhöhe in die
Landschaft hinein. Im Innern aber ist die Burg heute nur noch ein un¬
geheurer Trümmerhaufen. Allerdings hat man in dem Viereck eines Gebäudes
noch den kaiserlichen Palas und daneben sogar die ehemalige Schatzkammer
erkennen wollen. Tatsächlich sind auch hier von Schatzgräbern eine Menge
Gold- und Silbermünzen zutage gefördert worden. Dagegen dürfte es schwer
halten, in dem Ruinenfeld die Lage der Arsenale, Kasernen und Waffenfabriken
zu bestimmen, die einst der Mittelpunkt des blühenden Gemeinwesens waren,
das inmitten der Völker des Abendlandes treu an seinen orientalischen Sitten
und Gewohnheiten hing. Ja es wird berichtet, daß Friedrich diesem zähen
Festhalten an der Väter Brauch und der glühenden Sehnsucht seiner Sarazenen
nach der Heimat ihres Stammes so weit Rechnung getragen habe, daß er zu
ihrer Belustigung wilde Tiere aus Asien verschrieb, die er dann seinen übrigen
Untertanen zur Belehrung in ganz Italien herumführen ließ.

Aber auch sonst ist die Gegend ringsum erfüllt von Erinnerungen an des
großen Staufen Regentenzeit. Dort, wo der umflorte Blick nordwärts den aus
der Ebene aufsteigenden, niedrigen Hügel streift, stehn noch wenige Reste des
Kastells Fiorentino, worin am 13. Dezember 1250 der Kaiser gebrochnen
Herzens, aber ungebrochnen Mutes in den Armen des geliebten Sohnes Manfred
den Geist aufgab, „unter Blumen (liori) sterbend", wie ihm der Spruch der
Sterndeuter einst gelautet hatte. Südwärts aber, da, wo die Straße über den
Apennin weg nach Melfi und Potenza führt, liegt noch wohlerhalten in den
Bergen versteckt das Normannenschloß am Lago Pesole, das er im Jahre 1242
erweitern ließ, und das er um seiner gesunden Lage und der herrlichen Wälder
willen Sommers liber gern besuchte. Spricht sich hierin ein fein entwickeltes
Gefühl für die Schönheiten der Natur aus, das auch häufig in Friedrichs Ge-
dichten zum Durchbruch kommt, so zieht er doch als leidenschaftlicher Falkner
zu lungern Aufenthalt Gegenden vor, wo er diesem edelsten Weidwerk obliegen
konnte. Dort läßt er kleinere Lustsitze erbauen, richtet wie sein Großvater
Friedrich Barbarossa selbst Falken ab, nach deren Schicksal er sich wohl auch,
wenn er in der Ferne weilt, eingehend erkundigt, oder zu deren Behandlung
er scharfsinnige Anweisungen gibt. War er doch überhaupt, was Beobachtung
und liebevolles Versenken in die Lebensgewohnheiten der Tierwelt anlangt,
seinen Zeitgenossen weit voraus. Das beweist uns nicht nur ein in seinem
Auftrag geschriebnes, wenig bekanntes Werk über die Natur und die Behandlung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/574>, abgerufen am 23.07.2024.