Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments

der Aristokratie entnommnen Ministern (Ausnahmen bestätigen die Regel) ebenso
fest sitzen und wie hoch im Laufe der Zeit die Zahl dieser Arbeitervertreter an¬
schwellen wird. Einen Hemmschuh für das Anschwellen bilden allerdings die
Wahlkosten (nicht zu reden von der Diätenlosigkeit). Sie sind nicht mehr so
hoch wie früher, sind von 1.4 Millionen -F im Jahre 1869 auf etwas über
eine Million im Jahre 1885 gesunken. Aber noch muß der Kandidat nach
Vorschrift des Wahlgesetzes einen Betrag von 800 bis 1150 -F bei dem die
Wahl leitenden Beamten hinterlegen, ehe er rcchtsgiltig nominiert werden kann.
Vorläufig ist der jeweilige Premier noch der ungekrönte König Englands.
Man könnte sagen, daß es zwei ungekrönte Könige habe, denn der Souverän
im engern Sinne, das Unterhaus, läßt sich vom speaker beherrschen. Dieses
englische Unterhaus ist die glänzendste Illustration der Wahrheit, daß eme
Körperschaft, ebenso wie der einzelne Mensch, nur in dem Grade, wie sie sich
selbst beherrscht, befähigt ist. andre zu beherrschen.) ..Die Freiheit der Krone
in der Berufung des Premierministers "le jedoch keine unbeschränkte Freiheit
ist, da der Premier der Mehrheit entnommen und deren Vertrauensmann sem
wußt, die Teilnahme von Peers an der Zusammensetzung des Kabinetts sind
vielleicht die einzigen positiven, staatsrechtlich definierbaren Funktionen.^ mit
denen Lords und Krone den Commons gleichwertig an die Seite treten."

Nachdem wir uns so bemüht haben, den Sinn der Geschäftsordnung des
Unterhauses und damit ein gutes Stück vom Wesen des englischen Staates
klar zu machen, können wir nicht noch einen Abriß des Geschäftsganges und
der Arbeitsweise des Hauses zu geben versuchen, wie sich beide nach dieser
Geschäftsordnung gestalten. (Redlich widmet diesem Gegenstande 240 Zeiten
Wer nicht Zeit hat. sie durchzustudieren, dem können S. 121 bis 160 des
Buches von Wendt wenigstens einen Begriff davon geben. Allerdings ist
dessen Darstellung nicht ganz frei von Ungenauigkeiten. wie solche sich denn
überhaupt bei solcher Kürze nicht vermeiden lassen.) Doch wollen wir einige
Züge, die die Arbeit des englischen Unterhauses charakterisieren, wenigstens an¬
deuten. Wenn oben gesagt wurde, es dürfe ein Mitglied in derselben Sitzung
n"r einmal zu einer Vorlage sprechen, so gilt das nur von den Sitzungen,
die das Haus als Haus abhält. Aber von Zeit zu Zeit - eine höchst wunder¬
liche Einrichtung - konstituiert es sich als Ausschuß, als vommittse °k tue
"not. Ho^e. Der speaker verläßt seinen Thron, das Zepter wird unter den
Tisch gelegt, der Chairman übernimmt, ohne Amtstracht und an Tische sitzend,
den Vorsitz, und das Haus heißt um nicht mehr House, sondern Oommittse.
In.-.riethen Mitgliedern besteht wie das Haus,n dieser Kommission, die aus " ^ ergreifen darf,wird ordentlich debattiert, wobei tetes ^"gi ! vorgeschrieben.Diese Form ist zum Beispiel für die zwert Lesung ^ ^ommissions-die sich auf Steuern und Finanzen bezieh - durchberaten. Dasselbe ge-sitzung" werden solche Antrüge P^t "r H ^gM sind. EsWeht in den Loinmitwss. die Kommisstonen n ,


Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments

der Aristokratie entnommnen Ministern (Ausnahmen bestätigen die Regel) ebenso
fest sitzen und wie hoch im Laufe der Zeit die Zahl dieser Arbeitervertreter an¬
schwellen wird. Einen Hemmschuh für das Anschwellen bilden allerdings die
Wahlkosten (nicht zu reden von der Diätenlosigkeit). Sie sind nicht mehr so
hoch wie früher, sind von 1.4 Millionen -F im Jahre 1869 auf etwas über
eine Million im Jahre 1885 gesunken. Aber noch muß der Kandidat nach
Vorschrift des Wahlgesetzes einen Betrag von 800 bis 1150 -F bei dem die
Wahl leitenden Beamten hinterlegen, ehe er rcchtsgiltig nominiert werden kann.
Vorläufig ist der jeweilige Premier noch der ungekrönte König Englands.
Man könnte sagen, daß es zwei ungekrönte Könige habe, denn der Souverän
im engern Sinne, das Unterhaus, läßt sich vom speaker beherrschen. Dieses
englische Unterhaus ist die glänzendste Illustration der Wahrheit, daß eme
Körperschaft, ebenso wie der einzelne Mensch, nur in dem Grade, wie sie sich
selbst beherrscht, befähigt ist. andre zu beherrschen.) ..Die Freiheit der Krone
in der Berufung des Premierministers »le jedoch keine unbeschränkte Freiheit
ist, da der Premier der Mehrheit entnommen und deren Vertrauensmann sem
wußt, die Teilnahme von Peers an der Zusammensetzung des Kabinetts sind
vielleicht die einzigen positiven, staatsrechtlich definierbaren Funktionen.^ mit
denen Lords und Krone den Commons gleichwertig an die Seite treten."

Nachdem wir uns so bemüht haben, den Sinn der Geschäftsordnung des
Unterhauses und damit ein gutes Stück vom Wesen des englischen Staates
klar zu machen, können wir nicht noch einen Abriß des Geschäftsganges und
der Arbeitsweise des Hauses zu geben versuchen, wie sich beide nach dieser
Geschäftsordnung gestalten. (Redlich widmet diesem Gegenstande 240 Zeiten
Wer nicht Zeit hat. sie durchzustudieren, dem können S. 121 bis 160 des
Buches von Wendt wenigstens einen Begriff davon geben. Allerdings ist
dessen Darstellung nicht ganz frei von Ungenauigkeiten. wie solche sich denn
überhaupt bei solcher Kürze nicht vermeiden lassen.) Doch wollen wir einige
Züge, die die Arbeit des englischen Unterhauses charakterisieren, wenigstens an¬
deuten. Wenn oben gesagt wurde, es dürfe ein Mitglied in derselben Sitzung
n«r einmal zu einer Vorlage sprechen, so gilt das nur von den Sitzungen,
die das Haus als Haus abhält. Aber von Zeit zu Zeit - eine höchst wunder¬
liche Einrichtung - konstituiert es sich als Ausschuß, als vommittse °k tue
"not. Ho^e. Der speaker verläßt seinen Thron, das Zepter wird unter den
Tisch gelegt, der Chairman übernimmt, ohne Amtstracht und an Tische sitzend,
den Vorsitz, und das Haus heißt um nicht mehr House, sondern Oommittse.
In.-.riethen Mitgliedern besteht wie das Haus,n dieser Kommission, die aus " ^ ergreifen darf,wird ordentlich debattiert, wobei tetes ^"gi ! vorgeschrieben.Diese Form ist zum Beispiel für die zwert Lesung ^ ^ommissions-die sich auf Steuern und Finanzen bezieh - durchberaten. Dasselbe ge-sitzung" werden solche Antrüge P^t »r H ^gM sind. EsWeht in den Loinmitwss. die Kommisstonen n ,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300356"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2207" prev="#ID_2206"> der Aristokratie entnommnen Ministern (Ausnahmen bestätigen die Regel) ebenso<lb/>
fest sitzen und wie hoch im Laufe der Zeit die Zahl dieser Arbeitervertreter an¬<lb/>
schwellen wird. Einen Hemmschuh für das Anschwellen bilden allerdings die<lb/>
Wahlkosten (nicht zu reden von der Diätenlosigkeit). Sie sind nicht mehr so<lb/>
hoch wie früher, sind von 1.4 Millionen -F im Jahre 1869 auf etwas über<lb/>
eine Million im Jahre 1885 gesunken. Aber noch muß der Kandidat nach<lb/>
Vorschrift des Wahlgesetzes einen Betrag von 800 bis 1150 -F bei dem die<lb/>
Wahl leitenden Beamten hinterlegen, ehe er rcchtsgiltig nominiert werden kann.<lb/>
Vorläufig ist der jeweilige Premier noch der ungekrönte König Englands.<lb/>
Man könnte sagen, daß es zwei ungekrönte Könige habe, denn der Souverän<lb/>
im engern Sinne, das Unterhaus, läßt sich vom speaker beherrschen. Dieses<lb/>
englische Unterhaus ist die glänzendste Illustration der Wahrheit, daß eme<lb/>
Körperschaft, ebenso wie der einzelne Mensch, nur in dem Grade, wie sie sich<lb/>
selbst beherrscht, befähigt ist. andre zu beherrschen.) ..Die Freiheit der Krone<lb/>
in der Berufung des Premierministers »le jedoch keine unbeschränkte Freiheit<lb/>
ist, da der Premier der Mehrheit entnommen und deren Vertrauensmann sem<lb/>
wußt, die Teilnahme von Peers an der Zusammensetzung des Kabinetts sind<lb/>
vielleicht die einzigen positiven, staatsrechtlich definierbaren Funktionen.^ mit<lb/>
denen Lords und Krone den Commons gleichwertig an die Seite treten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2208" next="#ID_2209"> Nachdem wir uns so bemüht haben, den Sinn der Geschäftsordnung des<lb/>
Unterhauses und damit ein gutes Stück vom Wesen des englischen Staates<lb/>
klar zu machen, können wir nicht noch einen Abriß des Geschäftsganges und<lb/>
der Arbeitsweise des Hauses zu geben versuchen, wie sich beide nach dieser<lb/>
Geschäftsordnung gestalten. (Redlich widmet diesem Gegenstande 240 Zeiten<lb/>
Wer nicht Zeit hat. sie durchzustudieren, dem können S. 121 bis 160 des<lb/>
Buches von Wendt wenigstens einen Begriff davon geben. Allerdings ist<lb/>
dessen Darstellung nicht ganz frei von Ungenauigkeiten. wie solche sich denn<lb/>
überhaupt bei solcher Kürze nicht vermeiden lassen.) Doch wollen wir einige<lb/>
Züge, die die Arbeit des englischen Unterhauses charakterisieren, wenigstens an¬<lb/>
deuten. Wenn oben gesagt wurde, es dürfe ein Mitglied in derselben Sitzung<lb/>
n«r einmal zu einer Vorlage sprechen, so gilt das nur von den Sitzungen,<lb/>
die das Haus als Haus abhält. Aber von Zeit zu Zeit - eine höchst wunder¬<lb/>
liche Einrichtung - konstituiert es sich als Ausschuß, als vommittse °k tue<lb/>
"not. Ho^e. Der speaker verläßt seinen Thron, das Zepter wird unter den<lb/>
Tisch gelegt, der Chairman übernimmt, ohne Amtstracht und an Tische sitzend,<lb/>
den Vorsitz, und das Haus heißt um nicht mehr House, sondern Oommittse.<lb/>
In.-.riethen Mitgliedern besteht wie das Haus,n dieser Kommission, die aus " ^ ergreifen darf,wird ordentlich debattiert, wobei tetes ^"gi ! vorgeschrieben.Diese Form ist zum Beispiel für die zwert Lesung ^ ^ommissions-die sich auf Steuern und Finanzen bezieh - durchberaten. Dasselbe ge-sitzung" werden solche Antrüge P^t »r H ^gM sind. EsWeht in den Loinmitwss. die Kommisstonen n ,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0569] Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments der Aristokratie entnommnen Ministern (Ausnahmen bestätigen die Regel) ebenso fest sitzen und wie hoch im Laufe der Zeit die Zahl dieser Arbeitervertreter an¬ schwellen wird. Einen Hemmschuh für das Anschwellen bilden allerdings die Wahlkosten (nicht zu reden von der Diätenlosigkeit). Sie sind nicht mehr so hoch wie früher, sind von 1.4 Millionen -F im Jahre 1869 auf etwas über eine Million im Jahre 1885 gesunken. Aber noch muß der Kandidat nach Vorschrift des Wahlgesetzes einen Betrag von 800 bis 1150 -F bei dem die Wahl leitenden Beamten hinterlegen, ehe er rcchtsgiltig nominiert werden kann. Vorläufig ist der jeweilige Premier noch der ungekrönte König Englands. Man könnte sagen, daß es zwei ungekrönte Könige habe, denn der Souverän im engern Sinne, das Unterhaus, läßt sich vom speaker beherrschen. Dieses englische Unterhaus ist die glänzendste Illustration der Wahrheit, daß eme Körperschaft, ebenso wie der einzelne Mensch, nur in dem Grade, wie sie sich selbst beherrscht, befähigt ist. andre zu beherrschen.) ..Die Freiheit der Krone in der Berufung des Premierministers »le jedoch keine unbeschränkte Freiheit ist, da der Premier der Mehrheit entnommen und deren Vertrauensmann sem wußt, die Teilnahme von Peers an der Zusammensetzung des Kabinetts sind vielleicht die einzigen positiven, staatsrechtlich definierbaren Funktionen.^ mit denen Lords und Krone den Commons gleichwertig an die Seite treten." Nachdem wir uns so bemüht haben, den Sinn der Geschäftsordnung des Unterhauses und damit ein gutes Stück vom Wesen des englischen Staates klar zu machen, können wir nicht noch einen Abriß des Geschäftsganges und der Arbeitsweise des Hauses zu geben versuchen, wie sich beide nach dieser Geschäftsordnung gestalten. (Redlich widmet diesem Gegenstande 240 Zeiten Wer nicht Zeit hat. sie durchzustudieren, dem können S. 121 bis 160 des Buches von Wendt wenigstens einen Begriff davon geben. Allerdings ist dessen Darstellung nicht ganz frei von Ungenauigkeiten. wie solche sich denn überhaupt bei solcher Kürze nicht vermeiden lassen.) Doch wollen wir einige Züge, die die Arbeit des englischen Unterhauses charakterisieren, wenigstens an¬ deuten. Wenn oben gesagt wurde, es dürfe ein Mitglied in derselben Sitzung n«r einmal zu einer Vorlage sprechen, so gilt das nur von den Sitzungen, die das Haus als Haus abhält. Aber von Zeit zu Zeit - eine höchst wunder¬ liche Einrichtung - konstituiert es sich als Ausschuß, als vommittse °k tue "not. Ho^e. Der speaker verläßt seinen Thron, das Zepter wird unter den Tisch gelegt, der Chairman übernimmt, ohne Amtstracht und an Tische sitzend, den Vorsitz, und das Haus heißt um nicht mehr House, sondern Oommittse. In.-.riethen Mitgliedern besteht wie das Haus,n dieser Kommission, die aus " ^ ergreifen darf,wird ordentlich debattiert, wobei tetes ^"gi ! vorgeschrieben.Diese Form ist zum Beispiel für die zwert Lesung ^ ^ommissions-die sich auf Steuern und Finanzen bezieh - durchberaten. Dasselbe ge-sitzung" werden solche Antrüge P^t »r H ^gM sind. EsWeht in den Loinmitwss. die Kommisstonen n ,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/569
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/569>, abgerufen am 23.07.2024.