Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorderladergewehrs kein Schützengefecht im heutigen Sinne war, in dem die
Schlachten durchgefochten werden. Bei vermehrter Energie auf der preußischen
Seite wäre sowohl bei Vierzehnheiligen als bei Auerstedt sehr wohl noch ein
augenblicklicher Erfolg zu erringen gewesen. Man denke nur an den sieben¬
jährigen Krieg, an die Erstürmung des Dorfes Leuthen durch Möllendorff.

Auch die Bewaffnung war 1806 auf beiden Seiten fast gleich. Die Ursache
der napoleonischen Siege lag sonach nicht auf diesem Gebiet, auf dem in den
Kriegen der neusten Zeit weit häufiger große Unterschiede zwischen den Gegnern
Zu verzeichnen gewesen sind. Im Jahre 1859 in Oberitalien verfügten die
Österreicher über ein dem französischen überlegnes Gewehr, die Franzosen führten
jedoch schon gezogne Geschütze, die Österreicher noch glatte. Im Jahre 186b
war dagegen die österreichische Artillerie mit ihren durchweg gezognen Rohren
gegenüber der erst zum Teil mit solchen ausgestatteten preußischen sehr im
Vorteil. Dafür zeigte sich auf den böhmischen Gefechtsfeldern zuerst der große
Vorteil des Hiuterladergewehrs. so wenig das damalige preußische Zündnadel¬
gewehr auch heutigen Anforderungen an eine gute Infanteriewaffe entsprach.
Wenn sich das Zündnadelfener als so verheerend erwies, so hat dabei freilich
die österreichische Taktik nicht unwesentlich angesprochen. Die Erfolge, die
den Franzosen 1859. begünstigt durch die Beschaffenheit des obentakem chen
Kriegsschauplatzes, im ungestümen Draufgehn zugefallen warm hatten aus der
österreichischen Seite zur Annahme einer vollkommnen Stoßtaktik geführt, ^hre
dichten Kolonnenanqriffe brachen dann 1866 sämtlich im Feuer der preußischen
Hinterladergewehre zusammen, sodaß der nach der Schlacht von Kömggrätz im
preußischen großen Hauptquartier als Parlamentär eintreffende Feldmarschall¬
leutnant von Gablcnz äußerte: ..Wer einmal im Feuer gegen euer Zünd-
nadelgewehr gewesen, ist nicht wieder hineinzubringen." Und derselbe tapfere
General mußte noch drei Wochen nach der Niederlage bekennen, daß sem in¬
zwischen völlig ausgeruhtes Korps wohl noch in der Verteidigung zu brauchen
sein würde, daß ihm aber jede Offensivkraft fehle. Umgekehrt hat die preußische
und mit ihr die gesamte deutsche Infanterie 1870/71 zu empfinden gehab .
was es bedeutet, mit einem unterlegnen Gewehr von geringer Schußweite
gegen ein an Ladeschnelligkeit und Tragweite überlegnes zu fechten. Zu ihrem
Glück glich die bessere Artilleriebewaffnung und deren bessere Verwendung auf
der deutschen Seite den schweren Nachteil wenigstens zum Teil aus.

In allen diesen Kriegen hat die Bewaffnung wesentlich mi^esprochen
und es wäre ein schwerer Fehler, wollte man den Einfluß den d:e T esu
unsrer Zeit an die Kriegführung gewonnen hat. ""^^1^^. nee
Ausschlag geben doch andre Dinge. Das hat noch Mg t der r ssisch-
japanische Krieg, in dem die Mittel moderner Technik in weitem Maße An-
wendun fanden schlagend bewiesen. Wie zu König Fnewchs und Napoleons
Zeit entscheiden noch lente: die Güte der Organisation f H^. d^ Ge¬
schick der Führung und vor allem die moralischen Eigenschaften in Volk und


Vorderladergewehrs kein Schützengefecht im heutigen Sinne war, in dem die
Schlachten durchgefochten werden. Bei vermehrter Energie auf der preußischen
Seite wäre sowohl bei Vierzehnheiligen als bei Auerstedt sehr wohl noch ein
augenblicklicher Erfolg zu erringen gewesen. Man denke nur an den sieben¬
jährigen Krieg, an die Erstürmung des Dorfes Leuthen durch Möllendorff.

Auch die Bewaffnung war 1806 auf beiden Seiten fast gleich. Die Ursache
der napoleonischen Siege lag sonach nicht auf diesem Gebiet, auf dem in den
Kriegen der neusten Zeit weit häufiger große Unterschiede zwischen den Gegnern
Zu verzeichnen gewesen sind. Im Jahre 1859 in Oberitalien verfügten die
Österreicher über ein dem französischen überlegnes Gewehr, die Franzosen führten
jedoch schon gezogne Geschütze, die Österreicher noch glatte. Im Jahre 186b
war dagegen die österreichische Artillerie mit ihren durchweg gezognen Rohren
gegenüber der erst zum Teil mit solchen ausgestatteten preußischen sehr im
Vorteil. Dafür zeigte sich auf den böhmischen Gefechtsfeldern zuerst der große
Vorteil des Hiuterladergewehrs. so wenig das damalige preußische Zündnadel¬
gewehr auch heutigen Anforderungen an eine gute Infanteriewaffe entsprach.
Wenn sich das Zündnadelfener als so verheerend erwies, so hat dabei freilich
die österreichische Taktik nicht unwesentlich angesprochen. Die Erfolge, die
den Franzosen 1859. begünstigt durch die Beschaffenheit des obentakem chen
Kriegsschauplatzes, im ungestümen Draufgehn zugefallen warm hatten aus der
österreichischen Seite zur Annahme einer vollkommnen Stoßtaktik geführt, ^hre
dichten Kolonnenanqriffe brachen dann 1866 sämtlich im Feuer der preußischen
Hinterladergewehre zusammen, sodaß der nach der Schlacht von Kömggrätz im
preußischen großen Hauptquartier als Parlamentär eintreffende Feldmarschall¬
leutnant von Gablcnz äußerte: ..Wer einmal im Feuer gegen euer Zünd-
nadelgewehr gewesen, ist nicht wieder hineinzubringen." Und derselbe tapfere
General mußte noch drei Wochen nach der Niederlage bekennen, daß sem in¬
zwischen völlig ausgeruhtes Korps wohl noch in der Verteidigung zu brauchen
sein würde, daß ihm aber jede Offensivkraft fehle. Umgekehrt hat die preußische
und mit ihr die gesamte deutsche Infanterie 1870/71 zu empfinden gehab .
was es bedeutet, mit einem unterlegnen Gewehr von geringer Schußweite
gegen ein an Ladeschnelligkeit und Tragweite überlegnes zu fechten. Zu ihrem
Glück glich die bessere Artilleriebewaffnung und deren bessere Verwendung auf
der deutschen Seite den schweren Nachteil wenigstens zum Teil aus.

In allen diesen Kriegen hat die Bewaffnung wesentlich mi^esprochen
und es wäre ein schwerer Fehler, wollte man den Einfluß den d:e T esu
unsrer Zeit an die Kriegführung gewonnen hat. ""^^1^^. nee
Ausschlag geben doch andre Dinge. Das hat noch Mg t der r ssisch-
japanische Krieg, in dem die Mittel moderner Technik in weitem Maße An-
wendun fanden schlagend bewiesen. Wie zu König Fnewchs und Napoleons
Zeit entscheiden noch lente: die Güte der Organisation f H^. d^ Ge¬
schick der Führung und vor allem die moralischen Eigenschaften in Volk und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300346"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2185" prev="#ID_2184"> Vorderladergewehrs kein Schützengefecht im heutigen Sinne war, in dem die<lb/>
Schlachten durchgefochten werden. Bei vermehrter Energie auf der preußischen<lb/>
Seite wäre sowohl bei Vierzehnheiligen als bei Auerstedt sehr wohl noch ein<lb/>
augenblicklicher Erfolg zu erringen gewesen. Man denke nur an den sieben¬<lb/>
jährigen Krieg, an die Erstürmung des Dorfes Leuthen durch Möllendorff.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2186"> Auch die Bewaffnung war 1806 auf beiden Seiten fast gleich. Die Ursache<lb/>
der napoleonischen Siege lag sonach nicht auf diesem Gebiet, auf dem in den<lb/>
Kriegen der neusten Zeit weit häufiger große Unterschiede zwischen den Gegnern<lb/>
Zu verzeichnen gewesen sind.  Im Jahre 1859 in Oberitalien verfügten die<lb/>
Österreicher über ein dem französischen überlegnes Gewehr, die Franzosen führten<lb/>
jedoch schon gezogne Geschütze, die Österreicher noch glatte.  Im Jahre 186b<lb/>
war dagegen die österreichische Artillerie mit ihren durchweg gezognen Rohren<lb/>
gegenüber der erst zum Teil mit solchen ausgestatteten preußischen sehr im<lb/>
Vorteil. Dafür zeigte sich auf den böhmischen Gefechtsfeldern zuerst der große<lb/>
Vorteil des Hiuterladergewehrs. so wenig das damalige preußische Zündnadel¬<lb/>
gewehr auch heutigen Anforderungen an eine gute Infanteriewaffe entsprach.<lb/>
Wenn sich das Zündnadelfener als so verheerend erwies, so hat dabei freilich<lb/>
die österreichische Taktik nicht unwesentlich angesprochen.  Die Erfolge, die<lb/>
den Franzosen 1859. begünstigt durch die Beschaffenheit des obentakem chen<lb/>
Kriegsschauplatzes, im ungestümen Draufgehn zugefallen warm hatten aus der<lb/>
österreichischen Seite zur Annahme einer vollkommnen Stoßtaktik geführt, ^hre<lb/>
dichten Kolonnenanqriffe brachen dann 1866 sämtlich im Feuer der preußischen<lb/>
Hinterladergewehre zusammen, sodaß der nach der Schlacht von Kömggrätz im<lb/>
preußischen großen Hauptquartier als Parlamentär eintreffende Feldmarschall¬<lb/>
leutnant von Gablcnz äußerte: ..Wer einmal im Feuer gegen euer Zünd-<lb/>
nadelgewehr gewesen, ist nicht wieder hineinzubringen."  Und derselbe tapfere<lb/>
General mußte noch drei Wochen nach der Niederlage bekennen, daß sem in¬<lb/>
zwischen völlig ausgeruhtes Korps wohl noch in der Verteidigung zu brauchen<lb/>
sein würde, daß ihm aber jede Offensivkraft fehle. Umgekehrt hat die preußische<lb/>
und mit ihr die gesamte deutsche Infanterie 1870/71 zu empfinden gehab .<lb/>
was es bedeutet, mit einem unterlegnen Gewehr von geringer Schußweite<lb/>
gegen ein an Ladeschnelligkeit und Tragweite überlegnes zu fechten. Zu ihrem<lb/>
Glück glich die bessere Artilleriebewaffnung und deren bessere Verwendung auf<lb/>
der deutschen Seite den schweren Nachteil wenigstens zum Teil aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2187" next="#ID_2188"> In allen diesen Kriegen hat die Bewaffnung wesentlich mi^esprochen<lb/>
und es wäre ein schwerer Fehler, wollte man den Einfluß den d:e T esu<lb/>
unsrer Zeit an die Kriegführung gewonnen hat. ""^^1^^. nee<lb/>
Ausschlag geben doch andre Dinge. Das hat noch Mg t der r ssisch-<lb/>
japanische Krieg, in dem die Mittel moderner Technik in weitem Maße An-<lb/>
wendun fanden schlagend bewiesen. Wie zu König Fnewchs und Napoleons<lb/>
Zeit entscheiden noch lente: die Güte der Organisation f H^. d^ Ge¬<lb/>
schick der Führung und vor allem die moralischen Eigenschaften in Volk und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0559] Vorderladergewehrs kein Schützengefecht im heutigen Sinne war, in dem die Schlachten durchgefochten werden. Bei vermehrter Energie auf der preußischen Seite wäre sowohl bei Vierzehnheiligen als bei Auerstedt sehr wohl noch ein augenblicklicher Erfolg zu erringen gewesen. Man denke nur an den sieben¬ jährigen Krieg, an die Erstürmung des Dorfes Leuthen durch Möllendorff. Auch die Bewaffnung war 1806 auf beiden Seiten fast gleich. Die Ursache der napoleonischen Siege lag sonach nicht auf diesem Gebiet, auf dem in den Kriegen der neusten Zeit weit häufiger große Unterschiede zwischen den Gegnern Zu verzeichnen gewesen sind. Im Jahre 1859 in Oberitalien verfügten die Österreicher über ein dem französischen überlegnes Gewehr, die Franzosen führten jedoch schon gezogne Geschütze, die Österreicher noch glatte. Im Jahre 186b war dagegen die österreichische Artillerie mit ihren durchweg gezognen Rohren gegenüber der erst zum Teil mit solchen ausgestatteten preußischen sehr im Vorteil. Dafür zeigte sich auf den böhmischen Gefechtsfeldern zuerst der große Vorteil des Hiuterladergewehrs. so wenig das damalige preußische Zündnadel¬ gewehr auch heutigen Anforderungen an eine gute Infanteriewaffe entsprach. Wenn sich das Zündnadelfener als so verheerend erwies, so hat dabei freilich die österreichische Taktik nicht unwesentlich angesprochen. Die Erfolge, die den Franzosen 1859. begünstigt durch die Beschaffenheit des obentakem chen Kriegsschauplatzes, im ungestümen Draufgehn zugefallen warm hatten aus der österreichischen Seite zur Annahme einer vollkommnen Stoßtaktik geführt, ^hre dichten Kolonnenanqriffe brachen dann 1866 sämtlich im Feuer der preußischen Hinterladergewehre zusammen, sodaß der nach der Schlacht von Kömggrätz im preußischen großen Hauptquartier als Parlamentär eintreffende Feldmarschall¬ leutnant von Gablcnz äußerte: ..Wer einmal im Feuer gegen euer Zünd- nadelgewehr gewesen, ist nicht wieder hineinzubringen." Und derselbe tapfere General mußte noch drei Wochen nach der Niederlage bekennen, daß sem in¬ zwischen völlig ausgeruhtes Korps wohl noch in der Verteidigung zu brauchen sein würde, daß ihm aber jede Offensivkraft fehle. Umgekehrt hat die preußische und mit ihr die gesamte deutsche Infanterie 1870/71 zu empfinden gehab . was es bedeutet, mit einem unterlegnen Gewehr von geringer Schußweite gegen ein an Ladeschnelligkeit und Tragweite überlegnes zu fechten. Zu ihrem Glück glich die bessere Artilleriebewaffnung und deren bessere Verwendung auf der deutschen Seite den schweren Nachteil wenigstens zum Teil aus. In allen diesen Kriegen hat die Bewaffnung wesentlich mi^esprochen und es wäre ein schwerer Fehler, wollte man den Einfluß den d:e T esu unsrer Zeit an die Kriegführung gewonnen hat. ""^^1^^. nee Ausschlag geben doch andre Dinge. Das hat noch Mg t der r ssisch- japanische Krieg, in dem die Mittel moderner Technik in weitem Maße An- wendun fanden schlagend bewiesen. Wie zu König Fnewchs und Napoleons Zeit entscheiden noch lente: die Güte der Organisation f H^. d^ Ge¬ schick der Führung und vor allem die moralischen Eigenschaften in Volk und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/559
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/559>, abgerufen am 23.07.2024.