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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung

des Schöpfers des modernen Krieges, versagte. Es ist immer viel von der
Verblendung des damaligen preußischen Offizierkorps die Rede gewesen, und
sie wird auch dem heutigen immerfort noch vorgehalten, nicht um es zu ernst¬
hafter Selbstprüfung aufzufordern, sondern um es zu schmähen. Eine gewisse
Verblendung ist damals allerdings vorhanden gewesen, aber will man gerecht
sein, so muß man das im Menschen vorhandne Beharrungsvermögen gebührend
berücksichtigen. Die Lehre, die das Beispiel von 1806 bietet, liegt denn auch
weniger in der Warnung vor Überhebung als in der Mahnung. ,ich dauernd
une gesunde Anpassungsfähigkeit zu erhalten. Welchen Nutzen solche gewahrt,
haben uns neuerdings die Japaner bewiesen. Es ist gewiß em schone" Ding
um gute Traditionen, und sie sind unentbehrlich für das feste Gefüge. dessen
eine Armee bedarf; auch die Japaner halten die Überlieferungen ihrer ritter¬
lichen Samuraigeschlechter hoch, aber dort, wo die Tradition nicht lebendig
fortgebildet wird, wo sie, wie in der preußischen Armee von 1806. der
Starrheit verfällt, ist sie vom Übel.

Diese Starrheit stand damals jedoch in engem Zusammenhange mit dem
ganzen Aufbau des Staats und mit der Art der Heeresergünzung. General
von der Goltz zeigt, wie diese Armee nicht nur äußerlich glänzend war. sondern
d°ß auch reges geistiges Leben in ihrem Offizierkorps herrschte Er beton.
daß gerade in der Verborgenheit der Ursachen des Zusammenbruchs eme ernste
Warnung liege Geistige Schulung war tatsächlich im damaligen preußischen
Offizierkorps weit mehr vorhanden als im französischen. Dort aber hatte sich
das schöpferische Genie Napoleons zur Geltung gebracht, dessen ganze Große
"se dann hervortritt, wenn man bedenkt, was die Revolutionsarmeen bisher
gleistet hatten. Ihre Erfolge hatten sie wesentlich der Uneinigkeit der Ver¬
bündeten zu danken gehabt. Eigentliche Offensivkraft im großen, die Fähigkeit,
den Feind im eignen Lande aufzusuchen und dort dauernde Erfolge zu erringen
hatten sie nicht gezeigt. Die Niederlande hatte ihnen die österreichische Politik
schließlich halb freiwillig preisgegeben. Die Beweglichkeit der französischen
Armeen war durch den Wegfall des Trosses, mit dem sich die alten Minen
beluden. sowie die Gliederung in gemischte Divisionen mis allen Waffen
wesentlich erhöht worden; diese Einrichtung aber führte bei den ungeübten
Führern auch wieder .ur Zersplitterung der Kräfte, zu übertrieben großen
Ausdehnungen und venit zu r!in frontalen, entscheidungslosen Kämpfen In
solchen hatten sich denn anch die Preußen, wo sie am Rhein -me den Re^publikanern zusammenstießen, diesen durchaus gewachsen gezeigt und e t^as nicht zur wenigsten dazu bei. den Glauben der Armee an ihre innere

ondaß Napoleon dahin über doch der ^genugsam Gelegenheit gegeben hatte, seine Fe dherrneigen chaften und e
neuen Antriebe in der Kriegführung. die von ihm "Usgm^Es darf aber nicht übersehen werden, daß er seine Erfolge von 1796 und
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^renzboten III 1906
Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung

des Schöpfers des modernen Krieges, versagte. Es ist immer viel von der
Verblendung des damaligen preußischen Offizierkorps die Rede gewesen, und
sie wird auch dem heutigen immerfort noch vorgehalten, nicht um es zu ernst¬
hafter Selbstprüfung aufzufordern, sondern um es zu schmähen. Eine gewisse
Verblendung ist damals allerdings vorhanden gewesen, aber will man gerecht
sein, so muß man das im Menschen vorhandne Beharrungsvermögen gebührend
berücksichtigen. Die Lehre, die das Beispiel von 1806 bietet, liegt denn auch
weniger in der Warnung vor Überhebung als in der Mahnung. ,ich dauernd
une gesunde Anpassungsfähigkeit zu erhalten. Welchen Nutzen solche gewahrt,
haben uns neuerdings die Japaner bewiesen. Es ist gewiß em schone» Ding
um gute Traditionen, und sie sind unentbehrlich für das feste Gefüge. dessen
eine Armee bedarf; auch die Japaner halten die Überlieferungen ihrer ritter¬
lichen Samuraigeschlechter hoch, aber dort, wo die Tradition nicht lebendig
fortgebildet wird, wo sie, wie in der preußischen Armee von 1806. der
Starrheit verfällt, ist sie vom Übel.

Diese Starrheit stand damals jedoch in engem Zusammenhange mit dem
ganzen Aufbau des Staats und mit der Art der Heeresergünzung. General
von der Goltz zeigt, wie diese Armee nicht nur äußerlich glänzend war. sondern
d°ß auch reges geistiges Leben in ihrem Offizierkorps herrschte Er beton.
daß gerade in der Verborgenheit der Ursachen des Zusammenbruchs eme ernste
Warnung liege Geistige Schulung war tatsächlich im damaligen preußischen
Offizierkorps weit mehr vorhanden als im französischen. Dort aber hatte sich
das schöpferische Genie Napoleons zur Geltung gebracht, dessen ganze Große
»se dann hervortritt, wenn man bedenkt, was die Revolutionsarmeen bisher
gleistet hatten. Ihre Erfolge hatten sie wesentlich der Uneinigkeit der Ver¬
bündeten zu danken gehabt. Eigentliche Offensivkraft im großen, die Fähigkeit,
den Feind im eignen Lande aufzusuchen und dort dauernde Erfolge zu erringen
hatten sie nicht gezeigt. Die Niederlande hatte ihnen die österreichische Politik
schließlich halb freiwillig preisgegeben. Die Beweglichkeit der französischen
Armeen war durch den Wegfall des Trosses, mit dem sich die alten Minen
beluden. sowie die Gliederung in gemischte Divisionen mis allen Waffen
wesentlich erhöht worden; diese Einrichtung aber führte bei den ungeübten
Führern auch wieder .ur Zersplitterung der Kräfte, zu übertrieben großen
Ausdehnungen und venit zu r!in frontalen, entscheidungslosen Kämpfen In
solchen hatten sich denn anch die Preußen, wo sie am Rhein -me den Re^publikanern zusammenstießen, diesen durchaus gewachsen gezeigt und e t^as nicht zur wenigsten dazu bei. den Glauben der Armee an ihre innere

ondaß Napoleon dahin über doch der ^genugsam Gelegenheit gegeben hatte, seine Fe dherrneigen chaften und e
neuen Antriebe in der Kriegführung. die von ihm "Usgm^Es darf aber nicht übersehen werden, daß er seine Erfolge von 1796 und
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^renzboten III 1906
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/557>, abgerufen am 23.07.2024.