Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung Freiherr von der Goltz hat eine Neubearbeitung seiner 1883 erschienenen Die Skizze "Roßbach und Jena" ist von ihrem Verfasser nunmehr zu Die Veröffentlichung des Generalstabs gewährt uns "n^die Stimmung eines geschlagner Heeres und die bli^ Wirwn Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung Freiherr von der Goltz hat eine Neubearbeitung seiner 1883 erschienenen Die Skizze „Roßbach und Jena" ist von ihrem Verfasser nunmehr zu Die Veröffentlichung des Generalstabs gewährt uns "n^die Stimmung eines geschlagner Heeres und die bli^ Wirwn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0555" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300342"/> <fw type="header" place="top"> Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2173" prev="#ID_2172"> Freiherr von der Goltz hat eine Neubearbeitung seiner 1883 erschienenen<lb/> Schrift: „Roßbach und Jena" herausgegeben, und die Kriegsgeschichtliche Ab¬<lb/> teilung II des Großen Generalstabs hat unter dem Titel: „1806. Das<lb/> preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse" die wichtigsten<lb/> Akten der nach dem Kriege eingesetzten Jmmediatuntersuchungskommission ver¬<lb/> öffentlicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2174"> Die Skizze „Roßbach und Jena" ist von ihrem Verfasser nunmehr zu<lb/> einem Buche ausgestaltet worden, das unter dem Titel: „Von Roßbach bis<lb/> Jena und Auerstedt" eine Darstellung der gesamten hierin einbegriffnen Zeit<lb/> enthält. Das Bild der alten preußischen Armee ist durch einen Überblick über<lb/> die Feldzüge zwischen dem siegreichen siebenjährigen und dem unglücklichen<lb/> Kriege vervollständigt worden. Die Armee und alle Gebildeten unsers Volkes<lb/> schulden dem General von der Goltz Dank dafür, denn die geschichtlich treue<lb/> erweiterte Studie gewährt dem Leser in weit höherm Maße einen Einblick<lb/> in die Verhältnisse des alten Staats und seiner Armee, als es ehedem die<lb/> ^app gehaltne Skizze vermochte. Das Buch enthält eine ernste Mahnung°und für unsre ^eit. indem es nachweist, daß die ganze Entwicklung des ge¬<lb/> samten preußischen Staats- und Volkslebens gegen Ende des achtzehntenJahr¬<lb/> hunderts und nicht eine einzelne Erscheinung, nicht der Zustand der Armee<lb/> das Unheil heraufbeschworen hat. Möchten wir davor bewahrt bleiben, daß<lb/> die Worte des Verfassers auch auf uns einmal Anwendung finden: „Em altes<lb/> erschütternder Schlag mußte kommen, um Negierung und Volk aus einem<lb/> Dämmerzustande aufzurütteln und dem Staatswesen ein neues «eben einzu¬<lb/> hauchen." Die Gründe, die zu der Katastrophe von Jena führten, faßt General<lb/> v°n der Goltz zum Schluß in die nicht minder beherzigenswerten Worte zu¬<lb/> sammen: „Nicht junkerlicher Übermut und aristokratische Verstocktheit führten<lb/> Preußen von Roßbach nach Jena und Auerstedt. sondern die schwächliche Politik<lb/> ^nes Friedens um jeden Preis, selbst um den der nationalen Ehre, die ver¬<lb/> ästelte Auffassung der Kriegführung, die Einwirkung des sachter Au-<lb/> Gärung, falscher Humanität. Genuß- und Selbstsucht entarteten<lb/> °s Heer, das des Kriegsfeuers entbehrte und nedensselig geworden war<lb/> dessen gedrückte Lage und die Schen. im Kriege die sich ^elenden Mit l<lb/> rücksichtslos zu gebrauchen, ferner die Zurückhaltung des Königs, die Sorge<lb/> em Lande zu mißfallen oder es zu belasten, die aus angMcher G w sser<lb/> haftigkeit entsprungne übertriebne Sparsamkeit ^lich eine ^Vergangenheit die sich auf Äußerlichkeiten richtete, nicht auf das Wesen der<lb/> ^ache, und die allmählich das Urteil trübte."</p><lb/> <p xml:id="ID_2175" next="#ID_2176"> Die Veröffentlichung des Generalstabs gewährt uns "n^die Stimmung eines geschlagner Heeres und die bli^ Wirwn<lb/> der Massensuggestion. Keine andre Armee besitzt auf ^eher Ge^ähnliches. Ma muß die ergreifenden Schilderungen der Aiuzen engen der<lb/> großen Katastrophe, insbesondr des damaligen Majors von der Marwitz. nach-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0555]
Bleibendes und vergängliches in der Kriegführung
Freiherr von der Goltz hat eine Neubearbeitung seiner 1883 erschienenen
Schrift: „Roßbach und Jena" herausgegeben, und die Kriegsgeschichtliche Ab¬
teilung II des Großen Generalstabs hat unter dem Titel: „1806. Das
preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse" die wichtigsten
Akten der nach dem Kriege eingesetzten Jmmediatuntersuchungskommission ver¬
öffentlicht.
Die Skizze „Roßbach und Jena" ist von ihrem Verfasser nunmehr zu
einem Buche ausgestaltet worden, das unter dem Titel: „Von Roßbach bis
Jena und Auerstedt" eine Darstellung der gesamten hierin einbegriffnen Zeit
enthält. Das Bild der alten preußischen Armee ist durch einen Überblick über
die Feldzüge zwischen dem siegreichen siebenjährigen und dem unglücklichen
Kriege vervollständigt worden. Die Armee und alle Gebildeten unsers Volkes
schulden dem General von der Goltz Dank dafür, denn die geschichtlich treue
erweiterte Studie gewährt dem Leser in weit höherm Maße einen Einblick
in die Verhältnisse des alten Staats und seiner Armee, als es ehedem die
^app gehaltne Skizze vermochte. Das Buch enthält eine ernste Mahnung°und für unsre ^eit. indem es nachweist, daß die ganze Entwicklung des ge¬
samten preußischen Staats- und Volkslebens gegen Ende des achtzehntenJahr¬
hunderts und nicht eine einzelne Erscheinung, nicht der Zustand der Armee
das Unheil heraufbeschworen hat. Möchten wir davor bewahrt bleiben, daß
die Worte des Verfassers auch auf uns einmal Anwendung finden: „Em altes
erschütternder Schlag mußte kommen, um Negierung und Volk aus einem
Dämmerzustande aufzurütteln und dem Staatswesen ein neues «eben einzu¬
hauchen." Die Gründe, die zu der Katastrophe von Jena führten, faßt General
v°n der Goltz zum Schluß in die nicht minder beherzigenswerten Worte zu¬
sammen: „Nicht junkerlicher Übermut und aristokratische Verstocktheit führten
Preußen von Roßbach nach Jena und Auerstedt. sondern die schwächliche Politik
^nes Friedens um jeden Preis, selbst um den der nationalen Ehre, die ver¬
ästelte Auffassung der Kriegführung, die Einwirkung des sachter Au-
Gärung, falscher Humanität. Genuß- und Selbstsucht entarteten
°s Heer, das des Kriegsfeuers entbehrte und nedensselig geworden war
dessen gedrückte Lage und die Schen. im Kriege die sich ^elenden Mit l
rücksichtslos zu gebrauchen, ferner die Zurückhaltung des Königs, die Sorge
em Lande zu mißfallen oder es zu belasten, die aus angMcher G w sser
haftigkeit entsprungne übertriebne Sparsamkeit ^lich eine ^Vergangenheit die sich auf Äußerlichkeiten richtete, nicht auf das Wesen der
^ache, und die allmählich das Urteil trübte."
Die Veröffentlichung des Generalstabs gewährt uns "n^die Stimmung eines geschlagner Heeres und die bli^ Wirwn
der Massensuggestion. Keine andre Armee besitzt auf ^eher Ge^ähnliches. Ma muß die ergreifenden Schilderungen der Aiuzen engen der
großen Katastrophe, insbesondr des damaligen Majors von der Marwitz. nach-
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