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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Durch Transkaukasien

dem Pullmansystem erbauter, gut fahrender und federnder Wagen machte einen
ausgezeichneten Einbruch ganz ebenso wie die Bahnhofsanlagen durchaus sauber,
ordentlich und übersichtlich ausgebaut erschienen, und wie alles, was wir von der
transkaukasischen Eisenbahn zu sehen bekommen haben, in vorteilhaften Gegensatz
zu dem steht, was man traditionell als russische Eisenbahnwirtschaft zu tadeln
gewohnt ist.

Seitdem die transkaukasische Eisenbahn durch die Strecke am Kaspischen
Meer angeschlossen ist, verkehren durchgehende Züge und wöchentlich ein Schnellzug
zwischen Batna und Moskau. Diese Züge bedürfen für ihre schweren Durch-
gcmgswagen, besonders auf der westlichen Hülste der Strecke wegen deren starker
Steigungen, schwerer Maschinen, die sämtlich für Navhthaheizung eingerichtet
sind. Das Fahrpersonal ist besonders zuverlässig.*) kräftig und in jeder Beziehung
Vertrauen erweckend. Mancher trügt auf der Brust ein oder mehr Georgskreuze
für kriegerisches Verdienst in den Feldzügen in Kaukasien und Zentralasien.
Zugführer und Schaffner waren mit Revolvern bewaffnet und rieten auf die
Frage: Warum? die eignen Waffen in Bereitschaft zu setzen, denn die Gurier
seien im Aufstände. Die erregte Stimmung, die sich von Batna ans zunächst
in das benachbarte Gurien übertragen hatte, war denn auch die Ursache, daß
°er regelmäßige Zugverkehr unterbrochen worden war. Täglich wurde nur ein
Zug in jeder Richtung, und zwar nur bei Tage unter militärischer Bedeckung
abgelassen und durch vorauffahrende Maschinen gesichert, denn kurz vor unsrer
Fahrt war das Geleise mehrfach unterbrochen worden, und die vielen Kunst¬
bauten, Brücken. Durchlässe und Einschnitte gaben die beste Gelegenheit, Ent¬
gleisungen herbeizuführen. Natürlich waren die Züge wegen der Einschränkung
des Zugverkehrs überfüllt, viel länger als sonst und mußten auch aus diesem
Grunde langsamer fahren.

Noch in der Dämmerung eines leichten Morgennebels setzte sich der Zug in
Bewegung, hielt sodann auf dem Güterbahnhof und erlaubte uns einen Blick auf
die nächsten Stadt- und Hafenanlagen. Petroleumtanks und einige im Kascrnen-
M angelegte Wohnungen der Arbeiter der Petroleumindustrie. Die Bahn folgt
zunächst dem Gestade des Meeres, steigt dann allmählich und schneidet sehr bald
in die an das Ufer tretenden Felshänge ein; sie überschreitet an den Abhang ge¬
schichtete Dammschüttungen und Trümmerfelder, in denen sich grangrüner Trachyt
von dunkelrotem Ton abhebt. Eine Reihe herrlicher Landschaftsbilder wird er¬
schlossen: fehlt auch noch das frische Frühjahrsgrün der Laubhölzer, so wiesen
doch die Gartenanlagen der geschmackvollen Landhäuser, die der Bahn einige
Halbstationen weit folgen. Lorbeerkirschen und Rhododendron und andre immer¬
grüne Gewächse auf. Alles wächst in dieser vor Nord- und Ostwinden völlig



Inzwischen haben die revolutionären Bewegungen in Kaukasien auch im Eisenbahn-
°'erst eine derartige Unsicherheit hervorgerufen, daß von der Übernahme der transkaukasischen
Bahnen in Militiirbetrieb die Rede ist.
Durch Transkaukasien

dem Pullmansystem erbauter, gut fahrender und federnder Wagen machte einen
ausgezeichneten Einbruch ganz ebenso wie die Bahnhofsanlagen durchaus sauber,
ordentlich und übersichtlich ausgebaut erschienen, und wie alles, was wir von der
transkaukasischen Eisenbahn zu sehen bekommen haben, in vorteilhaften Gegensatz
zu dem steht, was man traditionell als russische Eisenbahnwirtschaft zu tadeln
gewohnt ist.

Seitdem die transkaukasische Eisenbahn durch die Strecke am Kaspischen
Meer angeschlossen ist, verkehren durchgehende Züge und wöchentlich ein Schnellzug
zwischen Batna und Moskau. Diese Züge bedürfen für ihre schweren Durch-
gcmgswagen, besonders auf der westlichen Hülste der Strecke wegen deren starker
Steigungen, schwerer Maschinen, die sämtlich für Navhthaheizung eingerichtet
sind. Das Fahrpersonal ist besonders zuverlässig.*) kräftig und in jeder Beziehung
Vertrauen erweckend. Mancher trügt auf der Brust ein oder mehr Georgskreuze
für kriegerisches Verdienst in den Feldzügen in Kaukasien und Zentralasien.
Zugführer und Schaffner waren mit Revolvern bewaffnet und rieten auf die
Frage: Warum? die eignen Waffen in Bereitschaft zu setzen, denn die Gurier
seien im Aufstände. Die erregte Stimmung, die sich von Batna ans zunächst
in das benachbarte Gurien übertragen hatte, war denn auch die Ursache, daß
°er regelmäßige Zugverkehr unterbrochen worden war. Täglich wurde nur ein
Zug in jeder Richtung, und zwar nur bei Tage unter militärischer Bedeckung
abgelassen und durch vorauffahrende Maschinen gesichert, denn kurz vor unsrer
Fahrt war das Geleise mehrfach unterbrochen worden, und die vielen Kunst¬
bauten, Brücken. Durchlässe und Einschnitte gaben die beste Gelegenheit, Ent¬
gleisungen herbeizuführen. Natürlich waren die Züge wegen der Einschränkung
des Zugverkehrs überfüllt, viel länger als sonst und mußten auch aus diesem
Grunde langsamer fahren.

Noch in der Dämmerung eines leichten Morgennebels setzte sich der Zug in
Bewegung, hielt sodann auf dem Güterbahnhof und erlaubte uns einen Blick auf
die nächsten Stadt- und Hafenanlagen. Petroleumtanks und einige im Kascrnen-
M angelegte Wohnungen der Arbeiter der Petroleumindustrie. Die Bahn folgt
zunächst dem Gestade des Meeres, steigt dann allmählich und schneidet sehr bald
in die an das Ufer tretenden Felshänge ein; sie überschreitet an den Abhang ge¬
schichtete Dammschüttungen und Trümmerfelder, in denen sich grangrüner Trachyt
von dunkelrotem Ton abhebt. Eine Reihe herrlicher Landschaftsbilder wird er¬
schlossen: fehlt auch noch das frische Frühjahrsgrün der Laubhölzer, so wiesen
doch die Gartenanlagen der geschmackvollen Landhäuser, die der Bahn einige
Halbstationen weit folgen. Lorbeerkirschen und Rhododendron und andre immer¬
grüne Gewächse auf. Alles wächst in dieser vor Nord- und Ostwinden völlig



Inzwischen haben die revolutionären Bewegungen in Kaukasien auch im Eisenbahn-
°'erst eine derartige Unsicherheit hervorgerufen, daß von der Übernahme der transkaukasischen
Bahnen in Militiirbetrieb die Rede ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/525>, abgerufen am 23.07.2024.