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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

Zustand, Zusammensetzung der Luft, Luftbewegung, Wolken, Niederschlags¬
bildungen, Strahlungsintensität der Sonne, optische Wirkungen usw. zu unter¬
richten. (Groß, Die Luftschiffahrt.)

Von all diesem konnte nur wenig von der Erdoberfläche aus erforscht
werden; die Erweiterung, die unsre meteorologischen Kenntnisse neuerdings er¬
fahren haben, verdanken wir nur der Luftschiffahrt.

Wenn auch die Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, so werden doch
durch Auf- und Abwärtsbewegung und durch horizontale Strömungen (Wind)
Temperaturausgleiche verursacht. Durch die Wärme, die die Sonne ausstrahlt
-- ihre Temperatur beträgt angeblich 6000 bis 8000 Grad --, wird der Erd¬
boden erwärmt und durch Ausstrahlung von diesem die untern Luftschichten.
Die warme Luft steigt vermöge ihres geringern Gewichts auf und gibt ihre
Wärme allmählich an die obern Schichten ab, und zwar nahe an der Erd¬
oberfläche in größern Mengen als in den obern Regionen. Man hat nun auf
Grund von 700 Ausstiegen der verschiedensten Art festgestellt, daß die Temperatur¬
differenzen zwischen den einzelnen Luftschichten von 2 bis 7 Kilometern Höhe
ständig wachsen, darüber hinaus jedoch wieder abnehmen. Ebenso ist es mit
den Jahresschwankungen der Temperatur. Selbstverständlich können zeitweilig,
auch kalte Luftschichten durch wärmere überlagert werden. So hat man zum
Beispiel gefunden, daß einmal im Winter die Temperatur in einer Höhe von
14 Kilometern um 2^ Grad Würmer war als in einer Höhe von 11 Kilo¬
metern. Ebenso wie der Erdboden sind auch zusammenhängende Meere von Ein¬
fluß auf die Lufttemperatur über den Küstenländern. Als die größten Kältegrade
sind über Se. Louis in einer Höhe von 12800 Metern -- 73,1 Grad und
in einer Höhe von 14800 Metern sogar --85,6 Grad festgestellt worden.
(Auf der Erde hat man als Minimum -- 68 Grad bei Werchojcmsk in Sibirien
und als Maximum ->- 57 Grad im Innern von Arabien gemessen.)

Häufige Lufttemperaturmessungen in unsern Breiten und -- wie man sie
jetzt vorzunehmen beabsichtigt -- an den Polen, in den Tropen und über
großen Meeren geben aber wichtige Anhaltspunkte für die Wetterbestimmung,
denn Temperaturausgleiche in der Luft erzeugen Wind, und vertikale Luft¬
strömungen beeinflussen die Wolkenbildung und darum auch die Niederschlüge.

Besonders wichtig ist, daß die relative Luftfeuchtigkeit nach oben zunächst
abnimmt, in der Wolkenschicht natürlich wieder zunimmt, dann aber rasch sinkt,
bis bei etwa 8 Kilometern Höhe vollkommne Trockenheit erreicht ist. Kühlt
steh eine gewisse Menge Luft, etwa beim Aufsteigen, über ihren Taupunkt
hinaus ab, so bilden sich Nebel oder in größerer Höhe Wolken von verschiedner
Mächtigkeit. Am häufigsten sind diese in der sogenannten Kumulusgegend und
auch dort, wo die Cirruswolken mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Metern in
der Sekunde dahineilen (Höhe bis zu 20 Kilometern). Wegen des größern
absoluten Feuchtigkeitsgehalts bilden sich über dem Äquator die größten, über
den Wüsten die kleinsten Mengen von Wolken. Die zu winzigen Kügelchen


Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

Zustand, Zusammensetzung der Luft, Luftbewegung, Wolken, Niederschlags¬
bildungen, Strahlungsintensität der Sonne, optische Wirkungen usw. zu unter¬
richten. (Groß, Die Luftschiffahrt.)

Von all diesem konnte nur wenig von der Erdoberfläche aus erforscht
werden; die Erweiterung, die unsre meteorologischen Kenntnisse neuerdings er¬
fahren haben, verdanken wir nur der Luftschiffahrt.

Wenn auch die Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, so werden doch
durch Auf- und Abwärtsbewegung und durch horizontale Strömungen (Wind)
Temperaturausgleiche verursacht. Durch die Wärme, die die Sonne ausstrahlt
— ihre Temperatur beträgt angeblich 6000 bis 8000 Grad —, wird der Erd¬
boden erwärmt und durch Ausstrahlung von diesem die untern Luftschichten.
Die warme Luft steigt vermöge ihres geringern Gewichts auf und gibt ihre
Wärme allmählich an die obern Schichten ab, und zwar nahe an der Erd¬
oberfläche in größern Mengen als in den obern Regionen. Man hat nun auf
Grund von 700 Ausstiegen der verschiedensten Art festgestellt, daß die Temperatur¬
differenzen zwischen den einzelnen Luftschichten von 2 bis 7 Kilometern Höhe
ständig wachsen, darüber hinaus jedoch wieder abnehmen. Ebenso ist es mit
den Jahresschwankungen der Temperatur. Selbstverständlich können zeitweilig,
auch kalte Luftschichten durch wärmere überlagert werden. So hat man zum
Beispiel gefunden, daß einmal im Winter die Temperatur in einer Höhe von
14 Kilometern um 2^ Grad Würmer war als in einer Höhe von 11 Kilo¬
metern. Ebenso wie der Erdboden sind auch zusammenhängende Meere von Ein¬
fluß auf die Lufttemperatur über den Küstenländern. Als die größten Kältegrade
sind über Se. Louis in einer Höhe von 12800 Metern — 73,1 Grad und
in einer Höhe von 14800 Metern sogar —85,6 Grad festgestellt worden.
(Auf der Erde hat man als Minimum — 68 Grad bei Werchojcmsk in Sibirien
und als Maximum ->- 57 Grad im Innern von Arabien gemessen.)

Häufige Lufttemperaturmessungen in unsern Breiten und — wie man sie
jetzt vorzunehmen beabsichtigt — an den Polen, in den Tropen und über
großen Meeren geben aber wichtige Anhaltspunkte für die Wetterbestimmung,
denn Temperaturausgleiche in der Luft erzeugen Wind, und vertikale Luft¬
strömungen beeinflussen die Wolkenbildung und darum auch die Niederschlüge.

Besonders wichtig ist, daß die relative Luftfeuchtigkeit nach oben zunächst
abnimmt, in der Wolkenschicht natürlich wieder zunimmt, dann aber rasch sinkt,
bis bei etwa 8 Kilometern Höhe vollkommne Trockenheit erreicht ist. Kühlt
steh eine gewisse Menge Luft, etwa beim Aufsteigen, über ihren Taupunkt
hinaus ab, so bilden sich Nebel oder in größerer Höhe Wolken von verschiedner
Mächtigkeit. Am häufigsten sind diese in der sogenannten Kumulusgegend und
auch dort, wo die Cirruswolken mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Metern in
der Sekunde dahineilen (Höhe bis zu 20 Kilometern). Wegen des größern
absoluten Feuchtigkeitsgehalts bilden sich über dem Äquator die größten, über
den Wüsten die kleinsten Mengen von Wolken. Die zu winzigen Kügelchen


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[0471] Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft Zustand, Zusammensetzung der Luft, Luftbewegung, Wolken, Niederschlags¬ bildungen, Strahlungsintensität der Sonne, optische Wirkungen usw. zu unter¬ richten. (Groß, Die Luftschiffahrt.) Von all diesem konnte nur wenig von der Erdoberfläche aus erforscht werden; die Erweiterung, die unsre meteorologischen Kenntnisse neuerdings er¬ fahren haben, verdanken wir nur der Luftschiffahrt. Wenn auch die Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, so werden doch durch Auf- und Abwärtsbewegung und durch horizontale Strömungen (Wind) Temperaturausgleiche verursacht. Durch die Wärme, die die Sonne ausstrahlt — ihre Temperatur beträgt angeblich 6000 bis 8000 Grad —, wird der Erd¬ boden erwärmt und durch Ausstrahlung von diesem die untern Luftschichten. Die warme Luft steigt vermöge ihres geringern Gewichts auf und gibt ihre Wärme allmählich an die obern Schichten ab, und zwar nahe an der Erd¬ oberfläche in größern Mengen als in den obern Regionen. Man hat nun auf Grund von 700 Ausstiegen der verschiedensten Art festgestellt, daß die Temperatur¬ differenzen zwischen den einzelnen Luftschichten von 2 bis 7 Kilometern Höhe ständig wachsen, darüber hinaus jedoch wieder abnehmen. Ebenso ist es mit den Jahresschwankungen der Temperatur. Selbstverständlich können zeitweilig, auch kalte Luftschichten durch wärmere überlagert werden. So hat man zum Beispiel gefunden, daß einmal im Winter die Temperatur in einer Höhe von 14 Kilometern um 2^ Grad Würmer war als in einer Höhe von 11 Kilo¬ metern. Ebenso wie der Erdboden sind auch zusammenhängende Meere von Ein¬ fluß auf die Lufttemperatur über den Küstenländern. Als die größten Kältegrade sind über Se. Louis in einer Höhe von 12800 Metern — 73,1 Grad und in einer Höhe von 14800 Metern sogar —85,6 Grad festgestellt worden. (Auf der Erde hat man als Minimum — 68 Grad bei Werchojcmsk in Sibirien und als Maximum ->- 57 Grad im Innern von Arabien gemessen.) Häufige Lufttemperaturmessungen in unsern Breiten und — wie man sie jetzt vorzunehmen beabsichtigt — an den Polen, in den Tropen und über großen Meeren geben aber wichtige Anhaltspunkte für die Wetterbestimmung, denn Temperaturausgleiche in der Luft erzeugen Wind, und vertikale Luft¬ strömungen beeinflussen die Wolkenbildung und darum auch die Niederschlüge. Besonders wichtig ist, daß die relative Luftfeuchtigkeit nach oben zunächst abnimmt, in der Wolkenschicht natürlich wieder zunimmt, dann aber rasch sinkt, bis bei etwa 8 Kilometern Höhe vollkommne Trockenheit erreicht ist. Kühlt steh eine gewisse Menge Luft, etwa beim Aufsteigen, über ihren Taupunkt hinaus ab, so bilden sich Nebel oder in größerer Höhe Wolken von verschiedner Mächtigkeit. Am häufigsten sind diese in der sogenannten Kumulusgegend und auch dort, wo die Cirruswolken mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Metern in der Sekunde dahineilen (Höhe bis zu 20 Kilometern). Wegen des größern absoluten Feuchtigkeitsgehalts bilden sich über dem Äquator die größten, über den Wüsten die kleinsten Mengen von Wolken. Die zu winzigen Kügelchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/471>, abgerufen am 23.07.2024.