Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments

Welchen Fällen er eine besondre Beisteuer zu erwarten hatte, besagt der Noän8
tsnknäi ?in-1ig.amon mit den Worten: lion solsbat- xstsrs auxilium as
rsZno Luv visi pro Zv.srra iustanti vel Was suos railitss fg.c;ikiiäo3 vol Was
"uz" eng.ritMäas. Nun wurde aber im vierzehnten und im fünfzehnten Jahr¬
hundert ununterbrochen Krieg geführt und darum die als Ausnahmefall ge¬
dachte Steuerbewilligung Regel, die fast jährliche Einberufung des Parlaments
eine Notwendigkeit. Wer um etwas gebeten wird, der kann Bedingungen
stellen. Die Commons machten die Steuerbewilligung von der Abstellung ihrer
Beschwerden abhängig. Im Jahre 1401 fordern sie. daß der König dieses
Verfahren ausdrücklich anerkenne; dazu verstand sich zwar Heinrich der Vierte
nicht, aber das Verfahren bürgerte sich trotzdem als Gewohnheitsrecht ein. Die
Beschwerden wurden dem König in Form von Petitionen vorgetragen. All¬
mählich wird aus dem Parlament eine Körperschaft, die felbst Petitionen
empfängt, und es gibt also von da an zweierlei Mtions, solche, die die Mit¬
glieder des Parlaments als Volksvertreter an den König, und solche, die
Privatpersonen an das Parlament richten. Diese zwei Arten von Petitionen
waren die Keime, aus denen die zwei heute noch bestehenden Zweige der
englischen Gesetzgebung, die ?ud1lo und die private LiU I^MMon, hervor¬
gegangen sind. Mit der so erlangten Stellung begnügten sich die Commons
noch nicht. Weil es vorgekommen war, daß die von ihnen geforderten Zu¬
geständnisse in einer andern als der vereinbarten Form oder gar nicht in die
Statuts Koll eingetragen worden waren, forderten sie vom Jahre 1379 an und
setzten es schließlich durch, daß die Antworten auf die Petitionen, also die
Bewilligungen, vor Schluß des Parlaments inrotuliert und gesiegelt wurden.
Damit war die Gleichstellung der Commons mit den Lords in der Gesetz¬
gebung vollzogen. Und nun war es auch Zeit, für die gesetzgebende Tätigkeit
die ihr zukommende Form einzuführen. Die Form der Petition wurde unter
Heinrich dem Fünften und dem Sechsten aufgegeben. Die Commons legten Gesetz¬
entwürfe vor: eine pill" Kringln aows lAvt --Gesetz) w Sö ooritinsus. Indem
die Petition durch die Bill verdrängt wurde, ging die Ständeversammlung in
das heute noch bestehende Parlament über. In diesem hatten sich die Commons
schon vor der formellen Gleichstellung mit den Lords sogar den tatsächlichen
Vorrang vor ihnen dadurch gesichert, daß sie die eigentlichen Bewilliger der
Steuern waren. Schon lange vor dem sechzehnten Jahrhundert war es Brauch,
"daß die Commons zuerst um Bewilligung der Steuern anzugehn waren und
w ihre Bewilligung die Lords mit einschlossen, worauf diese dann noch ihre
Zustimmung gaben. Als Grund hierfür war die Anschauung maßgebend, daß
die Commons als die ärmsten der drei Stände nicht durch frühere Beschlüsse
der Lords und der Geistlichkeit benachteiligt werden dürsten." Indem so das
Kouss ol vvminons mehr und mehr Gesetzgebungsmaschine wird, tutt der
ursprüngliche Charakter des Parlaments als höchsten Gerichtshofs zurück, ohne
ganz zu verschwinden. Wie vollkommen schon im sechzehnten Jahrhundert der


Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments

Welchen Fällen er eine besondre Beisteuer zu erwarten hatte, besagt der Noän8
tsnknäi ?in-1ig.amon mit den Worten: lion solsbat- xstsrs auxilium as
rsZno Luv visi pro Zv.srra iustanti vel Was suos railitss fg.c;ikiiäo3 vol Was
«uz« eng.ritMäas. Nun wurde aber im vierzehnten und im fünfzehnten Jahr¬
hundert ununterbrochen Krieg geführt und darum die als Ausnahmefall ge¬
dachte Steuerbewilligung Regel, die fast jährliche Einberufung des Parlaments
eine Notwendigkeit. Wer um etwas gebeten wird, der kann Bedingungen
stellen. Die Commons machten die Steuerbewilligung von der Abstellung ihrer
Beschwerden abhängig. Im Jahre 1401 fordern sie. daß der König dieses
Verfahren ausdrücklich anerkenne; dazu verstand sich zwar Heinrich der Vierte
nicht, aber das Verfahren bürgerte sich trotzdem als Gewohnheitsrecht ein. Die
Beschwerden wurden dem König in Form von Petitionen vorgetragen. All¬
mählich wird aus dem Parlament eine Körperschaft, die felbst Petitionen
empfängt, und es gibt also von da an zweierlei Mtions, solche, die die Mit¬
glieder des Parlaments als Volksvertreter an den König, und solche, die
Privatpersonen an das Parlament richten. Diese zwei Arten von Petitionen
waren die Keime, aus denen die zwei heute noch bestehenden Zweige der
englischen Gesetzgebung, die ?ud1lo und die private LiU I^MMon, hervor¬
gegangen sind. Mit der so erlangten Stellung begnügten sich die Commons
noch nicht. Weil es vorgekommen war, daß die von ihnen geforderten Zu¬
geständnisse in einer andern als der vereinbarten Form oder gar nicht in die
Statuts Koll eingetragen worden waren, forderten sie vom Jahre 1379 an und
setzten es schließlich durch, daß die Antworten auf die Petitionen, also die
Bewilligungen, vor Schluß des Parlaments inrotuliert und gesiegelt wurden.
Damit war die Gleichstellung der Commons mit den Lords in der Gesetz¬
gebung vollzogen. Und nun war es auch Zeit, für die gesetzgebende Tätigkeit
die ihr zukommende Form einzuführen. Die Form der Petition wurde unter
Heinrich dem Fünften und dem Sechsten aufgegeben. Die Commons legten Gesetz¬
entwürfe vor: eine pill» Kringln aows lAvt —Gesetz) w Sö ooritinsus. Indem
die Petition durch die Bill verdrängt wurde, ging die Ständeversammlung in
das heute noch bestehende Parlament über. In diesem hatten sich die Commons
schon vor der formellen Gleichstellung mit den Lords sogar den tatsächlichen
Vorrang vor ihnen dadurch gesichert, daß sie die eigentlichen Bewilliger der
Steuern waren. Schon lange vor dem sechzehnten Jahrhundert war es Brauch,
»daß die Commons zuerst um Bewilligung der Steuern anzugehn waren und
w ihre Bewilligung die Lords mit einschlossen, worauf diese dann noch ihre
Zustimmung gaben. Als Grund hierfür war die Anschauung maßgebend, daß
die Commons als die ärmsten der drei Stände nicht durch frühere Beschlüsse
der Lords und der Geistlichkeit benachteiligt werden dürsten." Indem so das
Kouss ol vvminons mehr und mehr Gesetzgebungsmaschine wird, tutt der
ursprüngliche Charakter des Parlaments als höchsten Gerichtshofs zurück, ohne
ganz zu verschwinden. Wie vollkommen schon im sechzehnten Jahrhundert der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300246"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727" next="#ID_1729"> Welchen Fällen er eine besondre Beisteuer zu erwarten hatte, besagt der Noän8<lb/>
tsnknäi ?in-1ig.amon mit den Worten: lion solsbat- xstsrs auxilium as<lb/>
rsZno Luv visi pro Zv.srra iustanti vel Was suos railitss fg.c;ikiiäo3 vol Was<lb/>
«uz« eng.ritMäas. Nun wurde aber im vierzehnten und im fünfzehnten Jahr¬<lb/>
hundert ununterbrochen Krieg geführt und darum die als Ausnahmefall ge¬<lb/>
dachte Steuerbewilligung Regel, die fast jährliche Einberufung des Parlaments<lb/>
eine Notwendigkeit. Wer um etwas gebeten wird, der kann Bedingungen<lb/>
stellen. Die Commons machten die Steuerbewilligung von der Abstellung ihrer<lb/>
Beschwerden abhängig. Im Jahre 1401 fordern sie. daß der König dieses<lb/>
Verfahren ausdrücklich anerkenne; dazu verstand sich zwar Heinrich der Vierte<lb/>
nicht, aber das Verfahren bürgerte sich trotzdem als Gewohnheitsrecht ein. Die<lb/>
Beschwerden wurden dem König in Form von Petitionen vorgetragen. All¬<lb/>
mählich wird aus dem Parlament eine Körperschaft, die felbst Petitionen<lb/>
empfängt, und es gibt also von da an zweierlei Mtions, solche, die die Mit¬<lb/>
glieder des Parlaments als Volksvertreter an den König, und solche, die<lb/>
Privatpersonen an das Parlament richten. Diese zwei Arten von Petitionen<lb/>
waren die Keime, aus denen die zwei heute noch bestehenden Zweige der<lb/>
englischen Gesetzgebung, die ?ud1lo und die private LiU I^MMon, hervor¬<lb/>
gegangen sind. Mit der so erlangten Stellung begnügten sich die Commons<lb/>
noch nicht. Weil es vorgekommen war, daß die von ihnen geforderten Zu¬<lb/>
geständnisse in einer andern als der vereinbarten Form oder gar nicht in die<lb/>
Statuts Koll eingetragen worden waren, forderten sie vom Jahre 1379 an und<lb/>
setzten es schließlich durch, daß die Antworten auf die Petitionen, also die<lb/>
Bewilligungen, vor Schluß des Parlaments inrotuliert und gesiegelt wurden.<lb/>
Damit war die Gleichstellung der Commons mit den Lords in der Gesetz¬<lb/>
gebung vollzogen. Und nun war es auch Zeit, für die gesetzgebende Tätigkeit<lb/>
die ihr zukommende Form einzuführen. Die Form der Petition wurde unter<lb/>
Heinrich dem Fünften und dem Sechsten aufgegeben. Die Commons legten Gesetz¬<lb/>
entwürfe vor: eine pill» Kringln aows lAvt &#x2014;Gesetz) w Sö ooritinsus. Indem<lb/>
die Petition durch die Bill verdrängt wurde, ging die Ständeversammlung in<lb/>
das heute noch bestehende Parlament über. In diesem hatten sich die Commons<lb/>
schon vor der formellen Gleichstellung mit den Lords sogar den tatsächlichen<lb/>
Vorrang vor ihnen dadurch gesichert, daß sie die eigentlichen Bewilliger der<lb/>
Steuern waren. Schon lange vor dem sechzehnten Jahrhundert war es Brauch,<lb/>
»daß die Commons zuerst um Bewilligung der Steuern anzugehn waren und<lb/>
w ihre Bewilligung die Lords mit einschlossen, worauf diese dann noch ihre<lb/>
Zustimmung gaben. Als Grund hierfür war die Anschauung maßgebend, daß<lb/>
die Commons als die ärmsten der drei Stände nicht durch frühere Beschlüsse<lb/>
der Lords und der Geistlichkeit benachteiligt werden dürsten." Indem so das<lb/>
Kouss ol vvminons mehr und mehr Gesetzgebungsmaschine wird, tutt der<lb/>
ursprüngliche Charakter des Parlaments als höchsten Gerichtshofs zurück, ohne<lb/>
ganz zu verschwinden. Wie vollkommen schon im sechzehnten Jahrhundert der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0459] Die Geschäftsordnung des englischen Parlaments Welchen Fällen er eine besondre Beisteuer zu erwarten hatte, besagt der Noän8 tsnknäi ?in-1ig.amon mit den Worten: lion solsbat- xstsrs auxilium as rsZno Luv visi pro Zv.srra iustanti vel Was suos railitss fg.c;ikiiäo3 vol Was «uz« eng.ritMäas. Nun wurde aber im vierzehnten und im fünfzehnten Jahr¬ hundert ununterbrochen Krieg geführt und darum die als Ausnahmefall ge¬ dachte Steuerbewilligung Regel, die fast jährliche Einberufung des Parlaments eine Notwendigkeit. Wer um etwas gebeten wird, der kann Bedingungen stellen. Die Commons machten die Steuerbewilligung von der Abstellung ihrer Beschwerden abhängig. Im Jahre 1401 fordern sie. daß der König dieses Verfahren ausdrücklich anerkenne; dazu verstand sich zwar Heinrich der Vierte nicht, aber das Verfahren bürgerte sich trotzdem als Gewohnheitsrecht ein. Die Beschwerden wurden dem König in Form von Petitionen vorgetragen. All¬ mählich wird aus dem Parlament eine Körperschaft, die felbst Petitionen empfängt, und es gibt also von da an zweierlei Mtions, solche, die die Mit¬ glieder des Parlaments als Volksvertreter an den König, und solche, die Privatpersonen an das Parlament richten. Diese zwei Arten von Petitionen waren die Keime, aus denen die zwei heute noch bestehenden Zweige der englischen Gesetzgebung, die ?ud1lo und die private LiU I^MMon, hervor¬ gegangen sind. Mit der so erlangten Stellung begnügten sich die Commons noch nicht. Weil es vorgekommen war, daß die von ihnen geforderten Zu¬ geständnisse in einer andern als der vereinbarten Form oder gar nicht in die Statuts Koll eingetragen worden waren, forderten sie vom Jahre 1379 an und setzten es schließlich durch, daß die Antworten auf die Petitionen, also die Bewilligungen, vor Schluß des Parlaments inrotuliert und gesiegelt wurden. Damit war die Gleichstellung der Commons mit den Lords in der Gesetz¬ gebung vollzogen. Und nun war es auch Zeit, für die gesetzgebende Tätigkeit die ihr zukommende Form einzuführen. Die Form der Petition wurde unter Heinrich dem Fünften und dem Sechsten aufgegeben. Die Commons legten Gesetz¬ entwürfe vor: eine pill» Kringln aows lAvt —Gesetz) w Sö ooritinsus. Indem die Petition durch die Bill verdrängt wurde, ging die Ständeversammlung in das heute noch bestehende Parlament über. In diesem hatten sich die Commons schon vor der formellen Gleichstellung mit den Lords sogar den tatsächlichen Vorrang vor ihnen dadurch gesichert, daß sie die eigentlichen Bewilliger der Steuern waren. Schon lange vor dem sechzehnten Jahrhundert war es Brauch, »daß die Commons zuerst um Bewilligung der Steuern anzugehn waren und w ihre Bewilligung die Lords mit einschlossen, worauf diese dann noch ihre Zustimmung gaben. Als Grund hierfür war die Anschauung maßgebend, daß die Commons als die ärmsten der drei Stände nicht durch frühere Beschlüsse der Lords und der Geistlichkeit benachteiligt werden dürsten." Indem so das Kouss ol vvminons mehr und mehr Gesetzgebungsmaschine wird, tutt der ursprüngliche Charakter des Parlaments als höchsten Gerichtshofs zurück, ohne ganz zu verschwinden. Wie vollkommen schon im sechzehnten Jahrhundert der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/459
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/459>, abgerufen am 23.07.2024.