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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Seit

Bub, der ohne Effect gemartert" wurde, geschehenen Tortur haben sich diese
Mittel so bewährt, daß er bald eine weiße teuflische Salbe von unbekannter
Materie erbrochen und selbst um Anwendung solcher Mittel zur Bannung des
teuflischen Einflusses gebeten hat. Das Übergießen des Körpers mit kaltem
Wasser vor oder nach der Tortur der Hexe soll die für Erhaltung des Lebens
regen Geister im Körper besonders schrecken und schmerzen, dies verdient aber
keinen Glauben. Bekenne die Hexe innere oder solche Vorgänge, die natürlich
nur von dem Teufel selbst würden bezeugt werden können, so genügt das Ge¬
ständnis zur Verurteilung. Andernfalls muß noch festgestellt werden, ob die
von ihr eingestandnen äußern Vorgänge sich anderweit bestätigen.

Soviel von diesem Verbrechen, dem der Kommentator wegen seiner be¬
sondern Wichtigkeit und Schwierigkeit zweiundsechzig Quartseiten widmet.

Es folgt das Laster der Ketzerei oder Häresie, das ausschließlich der geist¬
lichen Rechtspflege vorbehalten ist.

"Für ein Ketzer wird eigentlich derjenige gehalten, welcher nach empfangener
Hailiger Tcmff sich von der Einigkeit der Römischen Kirchen thailet, und eine
deroselben öffentlich widrige Lehr halsstarrig außgibt, und wissentlich verfechtet."
Es gehört das Verbrechen, wie das vorige, zu den privilegierten, insofern ge¬
ringere Anforderungen an die Velastungsmomente und die sonstigen Voraus¬
setzungen einer Verurteilung gestellt werden. Die Strafverfolgung kann noch
nach dem Tode des Verbrechers geschehen. In der Regel wird dem Beschul¬
digten kein Verteidiger erlaubt. Wie bei der Zauberei, besteht die Strafe in
der des Feuers. Daneben wird das Vermögen eingezogen und der Familie,
"auch wenn sie in wahrer katholischer Religion unverbrüchlich verharrte", nichts
davon belassen. Den nach Begehung der Ketzerei geborenen Kindern werden
auch die geistlichen bönglloia entzogen. Nach der tirolischen Landesordnung
unterbleibt jedoch die Vermögenskonfiskation. Nach den jüngsten Reichsab-
schieden ist auch das llsbils Lenellvinin iniKrationis zu beachten, und die An¬
hänger "der Augspurgerischen und nunmehr auch tolerierten reformierte
Religion" sind danach auch nicht mehr als Ketzer strafbar.

Um das Einreiben des Sektenwesens zu verhüten, sollen alle Obrigkeiten
fleißig dahin wirken, "ob die Unterthanen die H. österliche Beichte und Kommunion
gebührend verrichten", und was für Bücher in ihrem Besitze sind. Bei Ver¬
dächtigen soll danach Haussuchung gehalten werden.

Verwandt ist das Verbrechen der Apostasia, "jenes äelivwin, wenn ein
getauffter Christ von dem Glauben abfüllt und den jüdischen, mahomedanischen
oder heydnischen Glauben annimmt" (Renegaten). Daneben werden auch noch
die Apostaten genannt, die entweder den geistlichen Stand nach empfangner
Weihen verlassen oder nach der Profession aus den Klöstern entspringen. Ein
gewichtiges Anzeichen des begangnen Verbrechens liegt vor, "wenn ein von
Christlichen Eltern Geborener beschnitten gefmide:-i wird". Da es bei den Juden
häufig geschieht, daß sie zur Gewinnung eines Taufgelds sich wiederholt christlich


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Seit

Bub, der ohne Effect gemartert" wurde, geschehenen Tortur haben sich diese
Mittel so bewährt, daß er bald eine weiße teuflische Salbe von unbekannter
Materie erbrochen und selbst um Anwendung solcher Mittel zur Bannung des
teuflischen Einflusses gebeten hat. Das Übergießen des Körpers mit kaltem
Wasser vor oder nach der Tortur der Hexe soll die für Erhaltung des Lebens
regen Geister im Körper besonders schrecken und schmerzen, dies verdient aber
keinen Glauben. Bekenne die Hexe innere oder solche Vorgänge, die natürlich
nur von dem Teufel selbst würden bezeugt werden können, so genügt das Ge¬
ständnis zur Verurteilung. Andernfalls muß noch festgestellt werden, ob die
von ihr eingestandnen äußern Vorgänge sich anderweit bestätigen.

Soviel von diesem Verbrechen, dem der Kommentator wegen seiner be¬
sondern Wichtigkeit und Schwierigkeit zweiundsechzig Quartseiten widmet.

Es folgt das Laster der Ketzerei oder Häresie, das ausschließlich der geist¬
lichen Rechtspflege vorbehalten ist.

„Für ein Ketzer wird eigentlich derjenige gehalten, welcher nach empfangener
Hailiger Tcmff sich von der Einigkeit der Römischen Kirchen thailet, und eine
deroselben öffentlich widrige Lehr halsstarrig außgibt, und wissentlich verfechtet."
Es gehört das Verbrechen, wie das vorige, zu den privilegierten, insofern ge¬
ringere Anforderungen an die Velastungsmomente und die sonstigen Voraus¬
setzungen einer Verurteilung gestellt werden. Die Strafverfolgung kann noch
nach dem Tode des Verbrechers geschehen. In der Regel wird dem Beschul¬
digten kein Verteidiger erlaubt. Wie bei der Zauberei, besteht die Strafe in
der des Feuers. Daneben wird das Vermögen eingezogen und der Familie,
„auch wenn sie in wahrer katholischer Religion unverbrüchlich verharrte", nichts
davon belassen. Den nach Begehung der Ketzerei geborenen Kindern werden
auch die geistlichen bönglloia entzogen. Nach der tirolischen Landesordnung
unterbleibt jedoch die Vermögenskonfiskation. Nach den jüngsten Reichsab-
schieden ist auch das llsbils Lenellvinin iniKrationis zu beachten, und die An¬
hänger „der Augspurgerischen und nunmehr auch tolerierten reformierte
Religion" sind danach auch nicht mehr als Ketzer strafbar.

Um das Einreiben des Sektenwesens zu verhüten, sollen alle Obrigkeiten
fleißig dahin wirken, „ob die Unterthanen die H. österliche Beichte und Kommunion
gebührend verrichten", und was für Bücher in ihrem Besitze sind. Bei Ver¬
dächtigen soll danach Haussuchung gehalten werden.

Verwandt ist das Verbrechen der Apostasia, „jenes äelivwin, wenn ein
getauffter Christ von dem Glauben abfüllt und den jüdischen, mahomedanischen
oder heydnischen Glauben annimmt" (Renegaten). Daneben werden auch noch
die Apostaten genannt, die entweder den geistlichen Stand nach empfangner
Weihen verlassen oder nach der Profession aus den Klöstern entspringen. Ein
gewichtiges Anzeichen des begangnen Verbrechens liegt vor, „wenn ein von
Christlichen Eltern Geborener beschnitten gefmide:-i wird". Da es bei den Juden
häufig geschieht, daß sie zur Gewinnung eines Taufgelds sich wiederholt christlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/411>, abgerufen am 23.07.2024.