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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

ohne Gotteslästerung unseres Hehland Jesu Christi nit leben. Ja, vrusws
lehrt, daß jeder Jude täglich dreimal die Christliche Kirche lästern und Gott
anrufen müsse, sie sammt ihren Geistlichen und Weltlichen Vorstehern zu Grunde
zu richten."

Nicht minder sind Indizien der Hang zum Spiel und die Abneigung
gegen Kirchenbesuch, die Ketzerei und die Hexerei, weil "dieses Geschmeiß ohne
Gotteslästerung nicht leben kann".

Der Lehre der Kriminalisten, daß "ein Gotteslästerer ohne Prozeß und
ohne Zulassung der vstsusion oder rexrobation der Zeugen" abgestraft werden
kann, soll man aber nicht beitreten.

Im Lateranischen Konzil unter Leo dem Zehnten sind auf unmittelbare
Lästerung Gottes und unsrer lieben Frau für solche von Adel Geldstrafen von
25 Dukaten, bei Wiederholung 50 Dukaten und im dritten Fall Adelsverlust
gesetzt worden. Unedle und gemeine Personen sollen das erste und das andre
mal Gefängnisstrafe erhalten, das drittemal aber einen ganzen Tag "mit
einer höhnischen Kappen vor die Kirchenthür gestellt" werden. Das viertemal
soll der Gotteslästerer "auf die Galeere oder zu ewiger Keychen verdammt"
werden. Pius der Fünfte hat 1566 alles dieses bestätigt, aber das Ausdauer
mit Ruten und das Durchstechen der Zunge hinzugefügt. Die weltlichen ge¬
meinen Rechte haben die Todesstrafe durch das Schwert bestimmt. Der Reichs¬
abschied von 1548 schreibt Todesstrafe oder "Benehmung etlicher Leibesglieder"
vor. Nach der Niederösterreichischen Landesgerichtsordnung Leopolds des Ersten
soll wegen vorsätzlicher wohlbedächtiger Gotteslästerung im höchsten Grade der
Delinquent mit glühenden Zangen gerissen werden, aus seinem Leib sollen
Riemen geschnitten werden, er soll zur Richtstätte geschleift, die Hand, mit der
etwa gesündigt worden, abgehauen, die gotteslästerliche Zungen, soweit sie aus
dem Munde herauszubringen, abgeschnitten und der Leib lebendig zu Staub
und Asche verbrannt werden. Bei "nit so gar schweren Umbständen" soll Hin¬
richtung mit dem Schwert genügen, nachdem die sündigen Zungen, Hände oder
Gliedmaßen abgehauen worden sind. Juden sollen immer schwerer gestraft
werden.

Das Laster der Zauberei, sortile^iuin, NsKta, "ist der Stein, an deme sich
vit Gcrichtsbediente anvormercklich gestoßen, vit unschuldige Personen Hingericht
ja wegen schwäre und Wichtigkeit der Sachen und abscheuen deß mühesamben
^roosss schuldige und öffentliche Hexen ungestrafft gelassen haben". Dieser
Gegenstand ist aber nunmehr "durch erlehr- und Erfahrung an Tag gebracht
und dergestalten Erkennst worden", daß, dafern die Lehren der Autoren recht
beobachtet werden, "gleichsam unmöglich Med, Jemande unschuldigen wider¬
rechtlich zu verföllen". Es ist zu unterscheiden zwischen der natürlichen erlaubten
Magie, die die wissenschaftliche Erforschung des Weltalls zum Lobe Gottes be¬
deckt, und der teuflischen verbotnen, "die gemeiniglich Zauberei oder Schwartz-
Künstlerei benmnbset" wird. Durch wissentlichen Pakt mit dem Teufel will der


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

ohne Gotteslästerung unseres Hehland Jesu Christi nit leben. Ja, vrusws
lehrt, daß jeder Jude täglich dreimal die Christliche Kirche lästern und Gott
anrufen müsse, sie sammt ihren Geistlichen und Weltlichen Vorstehern zu Grunde
zu richten."

Nicht minder sind Indizien der Hang zum Spiel und die Abneigung
gegen Kirchenbesuch, die Ketzerei und die Hexerei, weil „dieses Geschmeiß ohne
Gotteslästerung nicht leben kann".

Der Lehre der Kriminalisten, daß „ein Gotteslästerer ohne Prozeß und
ohne Zulassung der vstsusion oder rexrobation der Zeugen" abgestraft werden
kann, soll man aber nicht beitreten.

Im Lateranischen Konzil unter Leo dem Zehnten sind auf unmittelbare
Lästerung Gottes und unsrer lieben Frau für solche von Adel Geldstrafen von
25 Dukaten, bei Wiederholung 50 Dukaten und im dritten Fall Adelsverlust
gesetzt worden. Unedle und gemeine Personen sollen das erste und das andre
mal Gefängnisstrafe erhalten, das drittemal aber einen ganzen Tag „mit
einer höhnischen Kappen vor die Kirchenthür gestellt" werden. Das viertemal
soll der Gotteslästerer „auf die Galeere oder zu ewiger Keychen verdammt"
werden. Pius der Fünfte hat 1566 alles dieses bestätigt, aber das Ausdauer
mit Ruten und das Durchstechen der Zunge hinzugefügt. Die weltlichen ge¬
meinen Rechte haben die Todesstrafe durch das Schwert bestimmt. Der Reichs¬
abschied von 1548 schreibt Todesstrafe oder „Benehmung etlicher Leibesglieder"
vor. Nach der Niederösterreichischen Landesgerichtsordnung Leopolds des Ersten
soll wegen vorsätzlicher wohlbedächtiger Gotteslästerung im höchsten Grade der
Delinquent mit glühenden Zangen gerissen werden, aus seinem Leib sollen
Riemen geschnitten werden, er soll zur Richtstätte geschleift, die Hand, mit der
etwa gesündigt worden, abgehauen, die gotteslästerliche Zungen, soweit sie aus
dem Munde herauszubringen, abgeschnitten und der Leib lebendig zu Staub
und Asche verbrannt werden. Bei „nit so gar schweren Umbständen" soll Hin¬
richtung mit dem Schwert genügen, nachdem die sündigen Zungen, Hände oder
Gliedmaßen abgehauen worden sind. Juden sollen immer schwerer gestraft
werden.

Das Laster der Zauberei, sortile^iuin, NsKta, „ist der Stein, an deme sich
vit Gcrichtsbediente anvormercklich gestoßen, vit unschuldige Personen Hingericht
ja wegen schwäre und Wichtigkeit der Sachen und abscheuen deß mühesamben
^roosss schuldige und öffentliche Hexen ungestrafft gelassen haben". Dieser
Gegenstand ist aber nunmehr „durch erlehr- und Erfahrung an Tag gebracht
und dergestalten Erkennst worden", daß, dafern die Lehren der Autoren recht
beobachtet werden, „gleichsam unmöglich Med, Jemande unschuldigen wider¬
rechtlich zu verföllen". Es ist zu unterscheiden zwischen der natürlichen erlaubten
Magie, die die wissenschaftliche Erforschung des Weltalls zum Lobe Gottes be¬
deckt, und der teuflischen verbotnen, „die gemeiniglich Zauberei oder Schwartz-
Künstlerei benmnbset" wird. Durch wissentlichen Pakt mit dem Teufel will der


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[0407] Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit ohne Gotteslästerung unseres Hehland Jesu Christi nit leben. Ja, vrusws lehrt, daß jeder Jude täglich dreimal die Christliche Kirche lästern und Gott anrufen müsse, sie sammt ihren Geistlichen und Weltlichen Vorstehern zu Grunde zu richten." Nicht minder sind Indizien der Hang zum Spiel und die Abneigung gegen Kirchenbesuch, die Ketzerei und die Hexerei, weil „dieses Geschmeiß ohne Gotteslästerung nicht leben kann". Der Lehre der Kriminalisten, daß „ein Gotteslästerer ohne Prozeß und ohne Zulassung der vstsusion oder rexrobation der Zeugen" abgestraft werden kann, soll man aber nicht beitreten. Im Lateranischen Konzil unter Leo dem Zehnten sind auf unmittelbare Lästerung Gottes und unsrer lieben Frau für solche von Adel Geldstrafen von 25 Dukaten, bei Wiederholung 50 Dukaten und im dritten Fall Adelsverlust gesetzt worden. Unedle und gemeine Personen sollen das erste und das andre mal Gefängnisstrafe erhalten, das drittemal aber einen ganzen Tag „mit einer höhnischen Kappen vor die Kirchenthür gestellt" werden. Das viertemal soll der Gotteslästerer „auf die Galeere oder zu ewiger Keychen verdammt" werden. Pius der Fünfte hat 1566 alles dieses bestätigt, aber das Ausdauer mit Ruten und das Durchstechen der Zunge hinzugefügt. Die weltlichen ge¬ meinen Rechte haben die Todesstrafe durch das Schwert bestimmt. Der Reichs¬ abschied von 1548 schreibt Todesstrafe oder „Benehmung etlicher Leibesglieder" vor. Nach der Niederösterreichischen Landesgerichtsordnung Leopolds des Ersten soll wegen vorsätzlicher wohlbedächtiger Gotteslästerung im höchsten Grade der Delinquent mit glühenden Zangen gerissen werden, aus seinem Leib sollen Riemen geschnitten werden, er soll zur Richtstätte geschleift, die Hand, mit der etwa gesündigt worden, abgehauen, die gotteslästerliche Zungen, soweit sie aus dem Munde herauszubringen, abgeschnitten und der Leib lebendig zu Staub und Asche verbrannt werden. Bei „nit so gar schweren Umbständen" soll Hin¬ richtung mit dem Schwert genügen, nachdem die sündigen Zungen, Hände oder Gliedmaßen abgehauen worden sind. Juden sollen immer schwerer gestraft werden. Das Laster der Zauberei, sortile^iuin, NsKta, „ist der Stein, an deme sich vit Gcrichtsbediente anvormercklich gestoßen, vit unschuldige Personen Hingericht ja wegen schwäre und Wichtigkeit der Sachen und abscheuen deß mühesamben ^roosss schuldige und öffentliche Hexen ungestrafft gelassen haben". Dieser Gegenstand ist aber nunmehr „durch erlehr- und Erfahrung an Tag gebracht und dergestalten Erkennst worden", daß, dafern die Lehren der Autoren recht beobachtet werden, „gleichsam unmöglich Med, Jemande unschuldigen wider¬ rechtlich zu verföllen". Es ist zu unterscheiden zwischen der natürlichen erlaubten Magie, die die wissenschaftliche Erforschung des Weltalls zum Lobe Gottes be¬ deckt, und der teuflischen verbotnen, „die gemeiniglich Zauberei oder Schwartz- Künstlerei benmnbset" wird. Durch wissentlichen Pakt mit dem Teufel will der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/407>, abgerufen am 23.07.2024.