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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

treten könne, indem man die Mitglieder gleichsam unlösbar mit der Genossen¬
schaft verbindet. Auch diese Frage ist zu verneinen. Abgesehen davon, daß dem
sehr gewichtige ethische Bedenken entgegenstehn würden, sind nach der Recht¬
sprechung des Reichsgerichts irgendwelche Erschwerungen des Austritts aus
der Genossenschaft vollständig undurchführbar: das höchste, was sich nach dieser
Richtung hin erreichen ließe, wäre, daß eine zweijährige Kündigungsfrist fest¬
gesetzt würde. Ob diese aber, auch wenn sie genügend wäre, eine Billigung
der Mitglieder bei der Festsetzung des Statuts fände, dürfte schon ebenfalls
zweifelhaft sein. Es kann außerdem keinem Zweifel unterliegen, daß sobald
nur erst Meinungsverschiedenheiten entstehn, die Kündigungen der Mitglied¬
schaft nicht auf sich warten lassen werden, jeder will alsdann so schnell wie
möglich aus der Genossenschaft heraus, und um ein bekanntes Bild zu ge¬
brauchen -- den letzten beißen alsdann die Hunde. In dieser Beziehung ist
nämlich folgendes zu beachten. Es würde sich bei der Errichtung und der
Erwerbung von Genossenschaftsbrauereien ja selbstverständlich um die In¬
vestierung, d. h. die Immobilisierung sehr bedeutender Mittel handeln, weil
ja eben wirtschaftliche Gebilde geschaffen werden sollen, die ihrer eigensten
Natur nach auf die Dauer und auf dauernden Betrieb berechnet sind und nur
so berechnet sein können. Andrerseits aber kann, wie soeben ausgeführt worden
ist, kein Mitglied auf länger als höchstens zwei Jahre gebunden werden.
Muß nun aber, wie dies unter Umständen sehr leicht möglich ist, die Genossen¬
schaft wegen mangelnden Absatzes usw. ihren Betrieb einschränken oder sogar
einstellen, so sind die erworbnen Einrichtungen kaum viel mehr wert als altes
Eisen oder ein leer stehendes Gebäude, und die Mitglieder, die bei der schlie߬
lichen Liquidation noch in der Genossenschaft mitverhaftet sind, werden bis
zum letzten Tropfen der übernommnen Haftsummen ausgepreßt werden.

Allermindestens würden also alle diese Fragen einer sehr eingehenden
Prüfung unter juristischen und genossenschaftlichen Erfahrungsgrundsätzen be¬
dürfen, ehe etwa die Leiter der Bewegung daran gingen, ihre Berufsgenossen
zur Gründung solcher Genossenschaften aufzufordern. Allerhöchstens könnte
zweckmäßigerweise nur die auf längere Zeit zu erfolgende Pachtung ge¬
eigneter Brauereien in Betracht kommen; von einem Erwerbe zum Eigentum
für eigne Rechnung der Genossenschaft muß unter allen Umständen auf
das entschiedenste abgeraten werden. Grundsätzlich wird vielmehr auch hier
zu beachten sein, daß große Erzeugungsanstalten von der Art der Konsum¬
artikel, wie sie das Bier ist, das einer hohen Konkurrenz in bezug auf das
Angebot und die Produktion ausgesetzt ist, überhaupt niemals auf genossen¬
schaftlicher Grundlage errichtet werden sollten und auch nicht errichtet werden
können, ohne daß über kurz oder lang ebenso große und schließlich meist kaum
zu überwältigende Schwierigkeiten entstehn könnten oder müßten. Der Haupt¬
grund hierfür liegt, wie oben schon, wenn auch nur in der allergrößten Kürze,
dargelegt worden ist, darin, daß die eigentliche Unterlage für das Unter¬
nehmen natürlich das materielle Fundament -- das Kapital -- sein muß,


Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

treten könne, indem man die Mitglieder gleichsam unlösbar mit der Genossen¬
schaft verbindet. Auch diese Frage ist zu verneinen. Abgesehen davon, daß dem
sehr gewichtige ethische Bedenken entgegenstehn würden, sind nach der Recht¬
sprechung des Reichsgerichts irgendwelche Erschwerungen des Austritts aus
der Genossenschaft vollständig undurchführbar: das höchste, was sich nach dieser
Richtung hin erreichen ließe, wäre, daß eine zweijährige Kündigungsfrist fest¬
gesetzt würde. Ob diese aber, auch wenn sie genügend wäre, eine Billigung
der Mitglieder bei der Festsetzung des Statuts fände, dürfte schon ebenfalls
zweifelhaft sein. Es kann außerdem keinem Zweifel unterliegen, daß sobald
nur erst Meinungsverschiedenheiten entstehn, die Kündigungen der Mitglied¬
schaft nicht auf sich warten lassen werden, jeder will alsdann so schnell wie
möglich aus der Genossenschaft heraus, und um ein bekanntes Bild zu ge¬
brauchen — den letzten beißen alsdann die Hunde. In dieser Beziehung ist
nämlich folgendes zu beachten. Es würde sich bei der Errichtung und der
Erwerbung von Genossenschaftsbrauereien ja selbstverständlich um die In¬
vestierung, d. h. die Immobilisierung sehr bedeutender Mittel handeln, weil
ja eben wirtschaftliche Gebilde geschaffen werden sollen, die ihrer eigensten
Natur nach auf die Dauer und auf dauernden Betrieb berechnet sind und nur
so berechnet sein können. Andrerseits aber kann, wie soeben ausgeführt worden
ist, kein Mitglied auf länger als höchstens zwei Jahre gebunden werden.
Muß nun aber, wie dies unter Umständen sehr leicht möglich ist, die Genossen¬
schaft wegen mangelnden Absatzes usw. ihren Betrieb einschränken oder sogar
einstellen, so sind die erworbnen Einrichtungen kaum viel mehr wert als altes
Eisen oder ein leer stehendes Gebäude, und die Mitglieder, die bei der schlie߬
lichen Liquidation noch in der Genossenschaft mitverhaftet sind, werden bis
zum letzten Tropfen der übernommnen Haftsummen ausgepreßt werden.

Allermindestens würden also alle diese Fragen einer sehr eingehenden
Prüfung unter juristischen und genossenschaftlichen Erfahrungsgrundsätzen be¬
dürfen, ehe etwa die Leiter der Bewegung daran gingen, ihre Berufsgenossen
zur Gründung solcher Genossenschaften aufzufordern. Allerhöchstens könnte
zweckmäßigerweise nur die auf längere Zeit zu erfolgende Pachtung ge¬
eigneter Brauereien in Betracht kommen; von einem Erwerbe zum Eigentum
für eigne Rechnung der Genossenschaft muß unter allen Umständen auf
das entschiedenste abgeraten werden. Grundsätzlich wird vielmehr auch hier
zu beachten sein, daß große Erzeugungsanstalten von der Art der Konsum¬
artikel, wie sie das Bier ist, das einer hohen Konkurrenz in bezug auf das
Angebot und die Produktion ausgesetzt ist, überhaupt niemals auf genossen¬
schaftlicher Grundlage errichtet werden sollten und auch nicht errichtet werden
können, ohne daß über kurz oder lang ebenso große und schließlich meist kaum
zu überwältigende Schwierigkeiten entstehn könnten oder müßten. Der Haupt¬
grund hierfür liegt, wie oben schon, wenn auch nur in der allergrößten Kürze,
dargelegt worden ist, darin, daß die eigentliche Unterlage für das Unter¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/400>, abgerufen am 23.07.2024.