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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

die Frage der Leitung und der Organisation von Brauereigenossenschaften: hier
müssen ebenfalls zwei Dinge Hand in Hand gehn, die technische Seite des
Brauereibetriebes als solchen und die kaufmännische Leitung, die exakte Kontrolle
und die Geschäftsführung. Wenn man nun zunächst auch mag zugeben können,
daß die Frage der Beschaffung geeigneter Techniker, d. h. also der Braumeister
und der einschlägigen Hilfskräfte, wohl noch relativ leichter zu lösen sein wird, so
dürfte sich desto schwieriger die kaufmännische Seite der Sache gestalten. Und
ob nicht zwischen technischen Leitern und kaufmännischen Leitern nur allzuleicht
sehr ernste Reibungen entsteh" können oder gar unvermeidlich sein werden, die
das glatte Funktionieren des ganzen Betriebs in hohem Grade zweifelhaft
machen, ist eine Frage, die vorläufig nur nebenher gestreift werden mag. Auch
hier mahnt die Erfahrung zu der größten Vorsicht. Haben sich nämlich, wie
dies sehr leicht eintreten kann, die Geschäftsergebnisse nicht gerade als die
allerglünzendsten gestaltet, so werden die Techniker die Schuld auf die kauf¬
männische Leitung und diese wieder auf jene schieben, und der Keim zu Zwistig-
keiten in der Verwaltung -- der Tod jedes gesunden Unternehmens -- ist
ohne weiteres gegeben. Hierzu kommt nämlich noch eins: es ist eine ganz
besondre Eigentümlichkeit gerade des Genossenschaftswesens, daß die allergrößte
Exaktheit gerade, was die Beobachtung von Formvorschriften anlangt, wie sie
das Genossenschaftsgesetz, das Statut, die Dienstanweisung usw. aufstellen und
erheischen, absolut notwendig ist, und zwar mit einer solchen Schürfe, wie dies
bei keiner andern Wirtschafts- oder Gesellschaftsform der Fall ist. Zwar gehn,
wenn diese Grundsätze vernachlässigt werden, die Geschäfte regelmäßig vorläufig
noch eine gewisse Zeit lang anscheinend ruhig und ungestört weiter, und diese
scheinbare Gesundheit der Verhältnisse kann sich sogar über einige Jahre er¬
strecken, ebenso zweifellos ist es aber, daß über kurz oder lang der oder die
gemachten Fehler zutage treten, und wenn diese Fehler anscheinend zunächst
auch noch so geringfügig sind, so wirken sie ebenso regelmäßig in ihren
Konsequenzen und nachhaltigen Folgen sehr häufig geradezu unabsehbar. Und
es bedarf, wenn überhaupt eine Heilung möglich ist, alsdann der Gewaltkuren
und ganz außerordentlicher Opfer.

Damit steht weiter zur Erörterung, ob die leitenden Vorstandsämter, die
des Aufsichtsrats einbegriffen, als im Ehrenamt oder aber gegen Besoldung geführt
werden sollen. Auch hier wird sich einer der wundesten Punkte des modernen
Genossenschaftswesens zeigen, der durch die Überspannung des sogenannten "ehren¬
amtlichen Prinzips" und der "Gemeinnützigkeit" teilweise auf die verhängnis¬
vollsten Bahnen zu gelangen im Begriff ist. Man verbindet, dank einer völlig
falschen Auffassung des Genossenschaftswesens, wie sie sich speziell seit andert¬
halb Jahrzehnten breit macht, für die Praxis des Genossenschaftswesens mit
dem Gedanken der genossenschaftlichen Vereinigung nur allzuleicht ausschließlich
den der Rechte, nicht aber auch der Pflichten, und dies zeigt sich namentlich
bei den Ansprüchen der einzelnen Genossen an Vorstand und Aufsichtsrat. Es


Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

die Frage der Leitung und der Organisation von Brauereigenossenschaften: hier
müssen ebenfalls zwei Dinge Hand in Hand gehn, die technische Seite des
Brauereibetriebes als solchen und die kaufmännische Leitung, die exakte Kontrolle
und die Geschäftsführung. Wenn man nun zunächst auch mag zugeben können,
daß die Frage der Beschaffung geeigneter Techniker, d. h. also der Braumeister
und der einschlägigen Hilfskräfte, wohl noch relativ leichter zu lösen sein wird, so
dürfte sich desto schwieriger die kaufmännische Seite der Sache gestalten. Und
ob nicht zwischen technischen Leitern und kaufmännischen Leitern nur allzuleicht
sehr ernste Reibungen entsteh» können oder gar unvermeidlich sein werden, die
das glatte Funktionieren des ganzen Betriebs in hohem Grade zweifelhaft
machen, ist eine Frage, die vorläufig nur nebenher gestreift werden mag. Auch
hier mahnt die Erfahrung zu der größten Vorsicht. Haben sich nämlich, wie
dies sehr leicht eintreten kann, die Geschäftsergebnisse nicht gerade als die
allerglünzendsten gestaltet, so werden die Techniker die Schuld auf die kauf¬
männische Leitung und diese wieder auf jene schieben, und der Keim zu Zwistig-
keiten in der Verwaltung — der Tod jedes gesunden Unternehmens — ist
ohne weiteres gegeben. Hierzu kommt nämlich noch eins: es ist eine ganz
besondre Eigentümlichkeit gerade des Genossenschaftswesens, daß die allergrößte
Exaktheit gerade, was die Beobachtung von Formvorschriften anlangt, wie sie
das Genossenschaftsgesetz, das Statut, die Dienstanweisung usw. aufstellen und
erheischen, absolut notwendig ist, und zwar mit einer solchen Schürfe, wie dies
bei keiner andern Wirtschafts- oder Gesellschaftsform der Fall ist. Zwar gehn,
wenn diese Grundsätze vernachlässigt werden, die Geschäfte regelmäßig vorläufig
noch eine gewisse Zeit lang anscheinend ruhig und ungestört weiter, und diese
scheinbare Gesundheit der Verhältnisse kann sich sogar über einige Jahre er¬
strecken, ebenso zweifellos ist es aber, daß über kurz oder lang der oder die
gemachten Fehler zutage treten, und wenn diese Fehler anscheinend zunächst
auch noch so geringfügig sind, so wirken sie ebenso regelmäßig in ihren
Konsequenzen und nachhaltigen Folgen sehr häufig geradezu unabsehbar. Und
es bedarf, wenn überhaupt eine Heilung möglich ist, alsdann der Gewaltkuren
und ganz außerordentlicher Opfer.

Damit steht weiter zur Erörterung, ob die leitenden Vorstandsämter, die
des Aufsichtsrats einbegriffen, als im Ehrenamt oder aber gegen Besoldung geführt
werden sollen. Auch hier wird sich einer der wundesten Punkte des modernen
Genossenschaftswesens zeigen, der durch die Überspannung des sogenannten „ehren¬
amtlichen Prinzips" und der „Gemeinnützigkeit" teilweise auf die verhängnis¬
vollsten Bahnen zu gelangen im Begriff ist. Man verbindet, dank einer völlig
falschen Auffassung des Genossenschaftswesens, wie sie sich speziell seit andert¬
halb Jahrzehnten breit macht, für die Praxis des Genossenschaftswesens mit
dem Gedanken der genossenschaftlichen Vereinigung nur allzuleicht ausschließlich
den der Rechte, nicht aber auch der Pflichten, und dies zeigt sich namentlich
bei den Ansprüchen der einzelnen Genossen an Vorstand und Aufsichtsrat. Es


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[0397] Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien die Frage der Leitung und der Organisation von Brauereigenossenschaften: hier müssen ebenfalls zwei Dinge Hand in Hand gehn, die technische Seite des Brauereibetriebes als solchen und die kaufmännische Leitung, die exakte Kontrolle und die Geschäftsführung. Wenn man nun zunächst auch mag zugeben können, daß die Frage der Beschaffung geeigneter Techniker, d. h. also der Braumeister und der einschlägigen Hilfskräfte, wohl noch relativ leichter zu lösen sein wird, so dürfte sich desto schwieriger die kaufmännische Seite der Sache gestalten. Und ob nicht zwischen technischen Leitern und kaufmännischen Leitern nur allzuleicht sehr ernste Reibungen entsteh» können oder gar unvermeidlich sein werden, die das glatte Funktionieren des ganzen Betriebs in hohem Grade zweifelhaft machen, ist eine Frage, die vorläufig nur nebenher gestreift werden mag. Auch hier mahnt die Erfahrung zu der größten Vorsicht. Haben sich nämlich, wie dies sehr leicht eintreten kann, die Geschäftsergebnisse nicht gerade als die allerglünzendsten gestaltet, so werden die Techniker die Schuld auf die kauf¬ männische Leitung und diese wieder auf jene schieben, und der Keim zu Zwistig- keiten in der Verwaltung — der Tod jedes gesunden Unternehmens — ist ohne weiteres gegeben. Hierzu kommt nämlich noch eins: es ist eine ganz besondre Eigentümlichkeit gerade des Genossenschaftswesens, daß die allergrößte Exaktheit gerade, was die Beobachtung von Formvorschriften anlangt, wie sie das Genossenschaftsgesetz, das Statut, die Dienstanweisung usw. aufstellen und erheischen, absolut notwendig ist, und zwar mit einer solchen Schürfe, wie dies bei keiner andern Wirtschafts- oder Gesellschaftsform der Fall ist. Zwar gehn, wenn diese Grundsätze vernachlässigt werden, die Geschäfte regelmäßig vorläufig noch eine gewisse Zeit lang anscheinend ruhig und ungestört weiter, und diese scheinbare Gesundheit der Verhältnisse kann sich sogar über einige Jahre er¬ strecken, ebenso zweifellos ist es aber, daß über kurz oder lang der oder die gemachten Fehler zutage treten, und wenn diese Fehler anscheinend zunächst auch noch so geringfügig sind, so wirken sie ebenso regelmäßig in ihren Konsequenzen und nachhaltigen Folgen sehr häufig geradezu unabsehbar. Und es bedarf, wenn überhaupt eine Heilung möglich ist, alsdann der Gewaltkuren und ganz außerordentlicher Opfer. Damit steht weiter zur Erörterung, ob die leitenden Vorstandsämter, die des Aufsichtsrats einbegriffen, als im Ehrenamt oder aber gegen Besoldung geführt werden sollen. Auch hier wird sich einer der wundesten Punkte des modernen Genossenschaftswesens zeigen, der durch die Überspannung des sogenannten „ehren¬ amtlichen Prinzips" und der „Gemeinnützigkeit" teilweise auf die verhängnis¬ vollsten Bahnen zu gelangen im Begriff ist. Man verbindet, dank einer völlig falschen Auffassung des Genossenschaftswesens, wie sie sich speziell seit andert¬ halb Jahrzehnten breit macht, für die Praxis des Genossenschaftswesens mit dem Gedanken der genossenschaftlichen Vereinigung nur allzuleicht ausschließlich den der Rechte, nicht aber auch der Pflichten, und dies zeigt sich namentlich bei den Ansprüchen der einzelnen Genossen an Vorstand und Aufsichtsrat. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/397>, abgerufen am 23.07.2024.