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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

Allgemeingedankens, unter Umständen von nicht nur bedeutenden Nachteilen,
sondern geradezu die Existenz von Tausenden und Zehntausenden von Mit¬
gliedern des bürgerlichen Mittelstandes gefährdender und zerstörender Wirkung
sein müßte. Dies erscheint um so bedeutungsvoller, als ja leider in weiten, der
Dinge nicht kundigen Kreisen die Ansicht verbreitet ist, daß wenn irgendwie ein
wirtschaftliches Problem oder eine wirtschaftliche Schwierigkeit auftritt, man
einfach glaubt, solche Situation durch eine genossenschaftliche Gründung ohne
weiteres erledigen zu können und gleichsam den Stein der Weisen für die be¬
treffende Frage damit gefunden zu haben. Nichts ist aber verkehrter, als eine
solche Auffassung, wie die Erfahrung besonders gerade auf dem Gebiete der
Produktivgenossenschaften leider nur an allzuvielen Beispielen schon gelehrt
hat und noch täglich zeigt. Man wird, abgesehen etwa von Molkereien, für
die allerdings die gemeinschaftliche Verwertung von eignen Erzeugnissen eine
geradezu ideale Wirtschaftsform darstellt, wirklich prosperierende und ihren
Zweck erfüllende Produktivgenossenschaften nur ganz außerordentlich selten
finden, wie ja denn auch die Geschichte der Nationalökonomie einschlägig fast
überall nur Fehlschläge zu verzeichnen hat, auch wenn die Dinge in der Theorie
noch so glatt und schön aussehend konstruiert waren. Es genügt in dieser
Beziehung, auf die Assoziationsversuche vom grauen Altertum über ihre Haupt¬
periode zur Zeit Fouriers bis zu Hertzkas Freiland und den betreffenden ge¬
nossenschaftlichen Versuchen zu verweisen: die Reibungsflächen des wirklichen
Lebens und der Personen mit ihren verschiednen Anschauungen und Tem¬
peramenten sind eben stärker als die schönste theoretische Konstruktion.

Deshalb soll nun im einzelnen an der Hand von Erfahrungen, die auf
dem Gebiete der gemeinschaftlichen genossenschaftlichen Erzeugung von Waren
gemacht sind, unter den speziell im Thema liegenden Einzelfragen dieses des
nähern durchgesprochen werden.

Das wesentlichste ist zunächst selbstverständlich die Frage der Rentabilitäts¬
berechnung auf Grund einer genauen Aufmachung der Erzeugungs- und
Geschäftskosten sowie einer entsprechenden Konsumstatistik, d. h. es müssen
nach den allgemeinen Erfahrungen, die möglichst genau festzulegen sind, der
Umfang des beabsichtigten Unternehmens in bezug auf das Quantum und
der Herstellungspreis des zu erzeugenden Bieres oder der einzelnen Biersorten
festgestellt werden. Inwieweit diese Feststellungen tatsächlich möglich sind,
wird Sache der genauesten Erwägungen und Ermittlungen sein müssen, damit
nicht nur das Anlage- sondern auch das Betriebskapital wenigstens einiger¬
maßen zutreffend geschätzt werden kann. Was sodann die Form anlangt, die
der zu gründenden Gemeinschaft zu geben sein möchte, so würden nach dem
Genossenschaftsgesch die drei möglichen Formen der Genossenschaft, nämlich
die der beschränkten oder der unbeschränkten Haftpflicht und der unbeschränkten
Nachschußpflicht in Betracht kommen. Daß die unbeschränkte Haft- und die
nnbeschrünkte Nachschußpflicht wohl kaum in Frage stehn können, wird einer


Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

Allgemeingedankens, unter Umständen von nicht nur bedeutenden Nachteilen,
sondern geradezu die Existenz von Tausenden und Zehntausenden von Mit¬
gliedern des bürgerlichen Mittelstandes gefährdender und zerstörender Wirkung
sein müßte. Dies erscheint um so bedeutungsvoller, als ja leider in weiten, der
Dinge nicht kundigen Kreisen die Ansicht verbreitet ist, daß wenn irgendwie ein
wirtschaftliches Problem oder eine wirtschaftliche Schwierigkeit auftritt, man
einfach glaubt, solche Situation durch eine genossenschaftliche Gründung ohne
weiteres erledigen zu können und gleichsam den Stein der Weisen für die be¬
treffende Frage damit gefunden zu haben. Nichts ist aber verkehrter, als eine
solche Auffassung, wie die Erfahrung besonders gerade auf dem Gebiete der
Produktivgenossenschaften leider nur an allzuvielen Beispielen schon gelehrt
hat und noch täglich zeigt. Man wird, abgesehen etwa von Molkereien, für
die allerdings die gemeinschaftliche Verwertung von eignen Erzeugnissen eine
geradezu ideale Wirtschaftsform darstellt, wirklich prosperierende und ihren
Zweck erfüllende Produktivgenossenschaften nur ganz außerordentlich selten
finden, wie ja denn auch die Geschichte der Nationalökonomie einschlägig fast
überall nur Fehlschläge zu verzeichnen hat, auch wenn die Dinge in der Theorie
noch so glatt und schön aussehend konstruiert waren. Es genügt in dieser
Beziehung, auf die Assoziationsversuche vom grauen Altertum über ihre Haupt¬
periode zur Zeit Fouriers bis zu Hertzkas Freiland und den betreffenden ge¬
nossenschaftlichen Versuchen zu verweisen: die Reibungsflächen des wirklichen
Lebens und der Personen mit ihren verschiednen Anschauungen und Tem¬
peramenten sind eben stärker als die schönste theoretische Konstruktion.

Deshalb soll nun im einzelnen an der Hand von Erfahrungen, die auf
dem Gebiete der gemeinschaftlichen genossenschaftlichen Erzeugung von Waren
gemacht sind, unter den speziell im Thema liegenden Einzelfragen dieses des
nähern durchgesprochen werden.

Das wesentlichste ist zunächst selbstverständlich die Frage der Rentabilitäts¬
berechnung auf Grund einer genauen Aufmachung der Erzeugungs- und
Geschäftskosten sowie einer entsprechenden Konsumstatistik, d. h. es müssen
nach den allgemeinen Erfahrungen, die möglichst genau festzulegen sind, der
Umfang des beabsichtigten Unternehmens in bezug auf das Quantum und
der Herstellungspreis des zu erzeugenden Bieres oder der einzelnen Biersorten
festgestellt werden. Inwieweit diese Feststellungen tatsächlich möglich sind,
wird Sache der genauesten Erwägungen und Ermittlungen sein müssen, damit
nicht nur das Anlage- sondern auch das Betriebskapital wenigstens einiger¬
maßen zutreffend geschätzt werden kann. Was sodann die Form anlangt, die
der zu gründenden Gemeinschaft zu geben sein möchte, so würden nach dem
Genossenschaftsgesch die drei möglichen Formen der Genossenschaft, nämlich
die der beschränkten oder der unbeschränkten Haftpflicht und der unbeschränkten
Nachschußpflicht in Betracht kommen. Daß die unbeschränkte Haft- und die
nnbeschrünkte Nachschußpflicht wohl kaum in Frage stehn können, wird einer


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[0395] Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien Allgemeingedankens, unter Umständen von nicht nur bedeutenden Nachteilen, sondern geradezu die Existenz von Tausenden und Zehntausenden von Mit¬ gliedern des bürgerlichen Mittelstandes gefährdender und zerstörender Wirkung sein müßte. Dies erscheint um so bedeutungsvoller, als ja leider in weiten, der Dinge nicht kundigen Kreisen die Ansicht verbreitet ist, daß wenn irgendwie ein wirtschaftliches Problem oder eine wirtschaftliche Schwierigkeit auftritt, man einfach glaubt, solche Situation durch eine genossenschaftliche Gründung ohne weiteres erledigen zu können und gleichsam den Stein der Weisen für die be¬ treffende Frage damit gefunden zu haben. Nichts ist aber verkehrter, als eine solche Auffassung, wie die Erfahrung besonders gerade auf dem Gebiete der Produktivgenossenschaften leider nur an allzuvielen Beispielen schon gelehrt hat und noch täglich zeigt. Man wird, abgesehen etwa von Molkereien, für die allerdings die gemeinschaftliche Verwertung von eignen Erzeugnissen eine geradezu ideale Wirtschaftsform darstellt, wirklich prosperierende und ihren Zweck erfüllende Produktivgenossenschaften nur ganz außerordentlich selten finden, wie ja denn auch die Geschichte der Nationalökonomie einschlägig fast überall nur Fehlschläge zu verzeichnen hat, auch wenn die Dinge in der Theorie noch so glatt und schön aussehend konstruiert waren. Es genügt in dieser Beziehung, auf die Assoziationsversuche vom grauen Altertum über ihre Haupt¬ periode zur Zeit Fouriers bis zu Hertzkas Freiland und den betreffenden ge¬ nossenschaftlichen Versuchen zu verweisen: die Reibungsflächen des wirklichen Lebens und der Personen mit ihren verschiednen Anschauungen und Tem¬ peramenten sind eben stärker als die schönste theoretische Konstruktion. Deshalb soll nun im einzelnen an der Hand von Erfahrungen, die auf dem Gebiete der gemeinschaftlichen genossenschaftlichen Erzeugung von Waren gemacht sind, unter den speziell im Thema liegenden Einzelfragen dieses des nähern durchgesprochen werden. Das wesentlichste ist zunächst selbstverständlich die Frage der Rentabilitäts¬ berechnung auf Grund einer genauen Aufmachung der Erzeugungs- und Geschäftskosten sowie einer entsprechenden Konsumstatistik, d. h. es müssen nach den allgemeinen Erfahrungen, die möglichst genau festzulegen sind, der Umfang des beabsichtigten Unternehmens in bezug auf das Quantum und der Herstellungspreis des zu erzeugenden Bieres oder der einzelnen Biersorten festgestellt werden. Inwieweit diese Feststellungen tatsächlich möglich sind, wird Sache der genauesten Erwägungen und Ermittlungen sein müssen, damit nicht nur das Anlage- sondern auch das Betriebskapital wenigstens einiger¬ maßen zutreffend geschätzt werden kann. Was sodann die Form anlangt, die der zu gründenden Gemeinschaft zu geben sein möchte, so würden nach dem Genossenschaftsgesch die drei möglichen Formen der Genossenschaft, nämlich die der beschränkten oder der unbeschränkten Haftpflicht und der unbeschränkten Nachschußpflicht in Betracht kommen. Daß die unbeschränkte Haft- und die nnbeschrünkte Nachschußpflicht wohl kaum in Frage stehn können, wird einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/395>, abgerufen am 25.08.2024.