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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

gemeinschaftlichen Zusammenschluß in Gestalt der Begründung von Genossen¬
schaftsbrauereien. Mit andern Worten: es soll die Frage erörtert werden, ob es
sich für die, nationalökonomisch gesprochen, die Distributivfunktion ausübende
Bevölkerungsklasse der Gastwirte empfiehlt zum eignen und zum Nutzen der
Konsumenten selbst die Erzeugung eines wesentlichen Bedarfsartikels, der für
das fragliche Gewerbe mit der bedeutendste ist, gleichsam in Konkurrenz zu
den bisherigen Produzenten der gedachten Ware in die Hand zu nehmen, indem
man die Ware auf gemeinschaftliche Rechnung selbst erzeugt oder erzeugen
läßt? Um welche Werte und Zahlen es sich aber bei dieser Frage handelt,
davon kann man sich ein ungefähres Bild machen, wenn man die Biererzeugung
Deutschlands einer auch nur summarischen Würdigung unterzieht/') Die Zahl
der Brauereien in Deutschland betrug schon im Jahre 1896 nicht weniger als
21433, die Menge des von ihnen hergestellten Bieres aber 6160000000 Liter;
nimmt man nun das Liter Bier im Durchschnitt nur zu 20 Pfennigen an,
so ergibt sich ein Betrag von 1232000000 Mark, also Summen, bei denen
dem Zahlenlaien fast schwindlig wird, und man wird es nur für angemessen
erachten können, wenn der Kundige hier vor übereilten Entschließungen auf
das eindringlichste warnt.

Wenden wir uns nach diesem Überblick nun der Frage selbst wieder zu.

Grundlegend ist zunächst für unsre Untersuchung in juristischer Beziehung
der Paragraph 1, Ziffer 4 des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschafts¬
genossenschaften, der wie folgt lautet: "Gesellschaften von nicht geschlossener
Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer
Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossen¬
schaften), namentlich: g,) Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum
Verkauf derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften)
erwerben die Rechte einer "eingetragnen Genossenschaft" nach Maßgabe des
Gesetzes." Danach erscheint es nun auf den ersten Blick allerdings so, als
wenn die entstandne wirtschaftliche Differenz verhältnismäßig sehr einfach und
leicht dadurch beigelegt werden könne, daß die Gastwirte und die Restaurateure
von der gedachten Gesetzesbestimmung in Gestalt der Gründung von Genossen¬
schaftsbrauereien Gebrauch machen.

Aber es wird sich bei näherm Durchdenken des Planes nicht verkennen
lassen, daß ihm sehr praktische Bedenken wenn nicht gegenüberstehn, so doch
auf alle Fälle in dem Sinne innewohnen, daß die eingehendste Prüfung der
Sache sowohl vom theoretischen wie vom praktischen Standpunkt aus not¬
wendig erscheint. Dies nämlich deshalb, weil ein etwaiger Fehlschlag für die
weitesten Kreise der daran beteiligten und davon betroffnen Personen, ganz ab¬
gesehen von der auch damit verknüpften Schädigung des genossenschaftlichen



*) Die Zahlen und die Berechnungen beruhen auf den Materialien, wie sie in Conrads
Handbuch der Staatswissenschaften, zweite Auflage, unter "Bier" gegeben werden.
Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien

gemeinschaftlichen Zusammenschluß in Gestalt der Begründung von Genossen¬
schaftsbrauereien. Mit andern Worten: es soll die Frage erörtert werden, ob es
sich für die, nationalökonomisch gesprochen, die Distributivfunktion ausübende
Bevölkerungsklasse der Gastwirte empfiehlt zum eignen und zum Nutzen der
Konsumenten selbst die Erzeugung eines wesentlichen Bedarfsartikels, der für
das fragliche Gewerbe mit der bedeutendste ist, gleichsam in Konkurrenz zu
den bisherigen Produzenten der gedachten Ware in die Hand zu nehmen, indem
man die Ware auf gemeinschaftliche Rechnung selbst erzeugt oder erzeugen
läßt? Um welche Werte und Zahlen es sich aber bei dieser Frage handelt,
davon kann man sich ein ungefähres Bild machen, wenn man die Biererzeugung
Deutschlands einer auch nur summarischen Würdigung unterzieht/') Die Zahl
der Brauereien in Deutschland betrug schon im Jahre 1896 nicht weniger als
21433, die Menge des von ihnen hergestellten Bieres aber 6160000000 Liter;
nimmt man nun das Liter Bier im Durchschnitt nur zu 20 Pfennigen an,
so ergibt sich ein Betrag von 1232000000 Mark, also Summen, bei denen
dem Zahlenlaien fast schwindlig wird, und man wird es nur für angemessen
erachten können, wenn der Kundige hier vor übereilten Entschließungen auf
das eindringlichste warnt.

Wenden wir uns nach diesem Überblick nun der Frage selbst wieder zu.

Grundlegend ist zunächst für unsre Untersuchung in juristischer Beziehung
der Paragraph 1, Ziffer 4 des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschafts¬
genossenschaften, der wie folgt lautet: „Gesellschaften von nicht geschlossener
Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer
Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossen¬
schaften), namentlich: g,) Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum
Verkauf derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften)
erwerben die Rechte einer »eingetragnen Genossenschaft« nach Maßgabe des
Gesetzes." Danach erscheint es nun auf den ersten Blick allerdings so, als
wenn die entstandne wirtschaftliche Differenz verhältnismäßig sehr einfach und
leicht dadurch beigelegt werden könne, daß die Gastwirte und die Restaurateure
von der gedachten Gesetzesbestimmung in Gestalt der Gründung von Genossen¬
schaftsbrauereien Gebrauch machen.

Aber es wird sich bei näherm Durchdenken des Planes nicht verkennen
lassen, daß ihm sehr praktische Bedenken wenn nicht gegenüberstehn, so doch
auf alle Fälle in dem Sinne innewohnen, daß die eingehendste Prüfung der
Sache sowohl vom theoretischen wie vom praktischen Standpunkt aus not¬
wendig erscheint. Dies nämlich deshalb, weil ein etwaiger Fehlschlag für die
weitesten Kreise der daran beteiligten und davon betroffnen Personen, ganz ab¬
gesehen von der auch damit verknüpften Schädigung des genossenschaftlichen



*) Die Zahlen und die Berechnungen beruhen auf den Materialien, wie sie in Conrads
Handbuch der Staatswissenschaften, zweite Auflage, unter „Bier" gegeben werden.
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[0394] Brausteuererhöhung und Genossenschaftsbrauereien gemeinschaftlichen Zusammenschluß in Gestalt der Begründung von Genossen¬ schaftsbrauereien. Mit andern Worten: es soll die Frage erörtert werden, ob es sich für die, nationalökonomisch gesprochen, die Distributivfunktion ausübende Bevölkerungsklasse der Gastwirte empfiehlt zum eignen und zum Nutzen der Konsumenten selbst die Erzeugung eines wesentlichen Bedarfsartikels, der für das fragliche Gewerbe mit der bedeutendste ist, gleichsam in Konkurrenz zu den bisherigen Produzenten der gedachten Ware in die Hand zu nehmen, indem man die Ware auf gemeinschaftliche Rechnung selbst erzeugt oder erzeugen läßt? Um welche Werte und Zahlen es sich aber bei dieser Frage handelt, davon kann man sich ein ungefähres Bild machen, wenn man die Biererzeugung Deutschlands einer auch nur summarischen Würdigung unterzieht/') Die Zahl der Brauereien in Deutschland betrug schon im Jahre 1896 nicht weniger als 21433, die Menge des von ihnen hergestellten Bieres aber 6160000000 Liter; nimmt man nun das Liter Bier im Durchschnitt nur zu 20 Pfennigen an, so ergibt sich ein Betrag von 1232000000 Mark, also Summen, bei denen dem Zahlenlaien fast schwindlig wird, und man wird es nur für angemessen erachten können, wenn der Kundige hier vor übereilten Entschließungen auf das eindringlichste warnt. Wenden wir uns nach diesem Überblick nun der Frage selbst wieder zu. Grundlegend ist zunächst für unsre Untersuchung in juristischer Beziehung der Paragraph 1, Ziffer 4 des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschafts¬ genossenschaften, der wie folgt lautet: „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossen¬ schaften), namentlich: g,) Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkauf derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften) erwerben die Rechte einer »eingetragnen Genossenschaft« nach Maßgabe des Gesetzes." Danach erscheint es nun auf den ersten Blick allerdings so, als wenn die entstandne wirtschaftliche Differenz verhältnismäßig sehr einfach und leicht dadurch beigelegt werden könne, daß die Gastwirte und die Restaurateure von der gedachten Gesetzesbestimmung in Gestalt der Gründung von Genossen¬ schaftsbrauereien Gebrauch machen. Aber es wird sich bei näherm Durchdenken des Planes nicht verkennen lassen, daß ihm sehr praktische Bedenken wenn nicht gegenüberstehn, so doch auf alle Fälle in dem Sinne innewohnen, daß die eingehendste Prüfung der Sache sowohl vom theoretischen wie vom praktischen Standpunkt aus not¬ wendig erscheint. Dies nämlich deshalb, weil ein etwaiger Fehlschlag für die weitesten Kreise der daran beteiligten und davon betroffnen Personen, ganz ab¬ gesehen von der auch damit verknüpften Schädigung des genossenschaftlichen *) Die Zahlen und die Berechnungen beruhen auf den Materialien, wie sie in Conrads Handbuch der Staatswissenschaften, zweite Auflage, unter „Bier" gegeben werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/394>, abgerufen am 27.12.2024.