Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches wenn einige Zeitungen weiter gehn und von neuem die Forderung einer Amnestie Die alljährlich nach dem Schluß der großen Manöver stattfindenden Ver¬ Der Erlaß des Kultusministers, der die Aufrechthaltung der Sedanfcier in Maßgebliches und Unmaßgebliches wenn einige Zeitungen weiter gehn und von neuem die Forderung einer Amnestie Die alljährlich nach dem Schluß der großen Manöver stattfindenden Ver¬ Der Erlaß des Kultusministers, der die Aufrechthaltung der Sedanfcier in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300173"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1448" prev="#ID_1447"> wenn einige Zeitungen weiter gehn und von neuem die Forderung einer Amnestie<lb/> peremptorisch erheben, so verkennen sie die Sachlage und namentlich den Umstand,<lb/> daß sie Gefahr laufen, abermals die Bemühungen derer zu durchkreuzen, die im<lb/> Sinne der Gewährung einer Amnestie tätig gewesen sind. Eine Amnestie ist aus¬<lb/> schließlich ein Guatemale der Krone, und dieser die Gewährung publizistisch vor¬<lb/> zuschreiben, dürfte der allergeeignetste Weg sein, die Sache gänzlich zu vereiteln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1449"> Die alljährlich nach dem Schluß der großen Manöver stattfindenden Ver¬<lb/> änderungen in den obern Flottenkommandostellen werfen diesesmcil ihre Schatten<lb/> etwas weit voraus, und man begegnet zahlreichen Meldungen, die sich meist durch<lb/> innere Widersprüche auszeichnen. Als sicher darf das Ausscheiden des Großadmirals<lb/> von Koester und der Übergang des Oberkommandos der Schlachtflotte auf den<lb/> Prinzen Heinrich von Preußen anzusehen sein, nachdem die künftige Zusammensetzung<lb/> des Admiralstabes der Schlachtflotte schon mit Rücksicht auf die Person des Prinzen<lb/> befohlen worden ist. Ob der Großadmiral von Koester noch in der Stellung eines<lb/> Generalinspekteurs der Marine, die er auch jetzt schon bekleidet, verbleiben wird, wie<lb/> eine Kieler Meldung besagt, muß abgewartet werden. Es würde das sein Verbleiben<lb/> in dem aktiven Dienst bedeuten und die Stelle müßte nebst den Anforderungen für<lb/> Stab, Adjutantur und Bureau neu auf den Etat gebracht werden. Die ebenfalls wieder<lb/> auftauchende Meldung, daß der Chef des großen Admiralstabes, Büchsel, ein Ge¬<lb/> schwaderkommando übernehmen werde, ist schon dementiert worden. Bisher galt all¬<lb/> gemein die Annahme, daß die Errichtung einer besondern Generalinspektion der Marine<lb/> erst beim Ausscheiden des Prinzen Heinrich aus dem unmittelbaren Frontdienst er¬<lb/> folgen werde. Der Prinz ist jetzt erst 44 Jahre alt, seit sechs Jahren Admiral, mit<lb/> großer Lust und Liebe Seemann, er kann mithin das Oberkommando der Schlachtflotte<lb/> noch eine Reihe von Jahren führen. Seine Inspizierung durch einen Generalinspekteur<lb/> gilt aus diesem Grunde nicht als wahrscheinlich, wäre aber immerhin für einen<lb/> Übergangszeitraum denkbar. — Die Altdeutschen Blätter kommen noch einmal auf<lb/> ihre Behauptung zurück, „daß Reichskanzler und Zentrum den Flottenforderungen<lb/> des letzten Jahres die Grenze gezogen haben". Es ist dies eine absolute Unwahr¬<lb/> heit. Die Entscheidung über die einzubringende Flottenvorlage ist vom Kaiser, zunächst<lb/> völlig unabhängig vom Reichskanzler, beim vorjährigen Vortrag des Staatssekretärs<lb/> in Rominten getroffen worden. Bei der Entscheidung ist die parlamentarische und<lb/> finanzielle Sachlage gewiß mit in Erwägung gekommen, war aber keineswegs aus¬<lb/> schlaggebend. Ausschlaggebend waren organisatorische und technische Erwägungen.<lb/> Man muß sich gegenwärtig halten, daß diese Entscheidung zu Anfang Oktober 1905<lb/> inmitten einer noch ziemlich gespannten politischen Lage zu treffen war, daß somit<lb/> eine Reihe von Umständen mit in Betracht kam, die später hinfällig geworden sind,<lb/> an denen man aber damals nicht vorübergehn konnte. Der Verfasser sagt wört¬<lb/> lich: „Ebenso gewiß wie durch einen Winkel und eine ihm anliegende Seite des<lb/> Dreiecks die Länge der gegenüberliegenden bestimmt wird, haben Reichskanzler und<lb/> Zentrum den Flottenforderungen die Grenze gezogen." Man darf getrost an¬<lb/> nehmen, daß sich die vom Verfasser vertretnen Anschauungen und Behauptungen<lb/> auf der Höhe dieser merkwürdigen mathematischen Auffassung bewegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1450" next="#ID_1451"> Der Erlaß des Kultusministers, der die Aufrechthaltung der Sedanfcier in<lb/> den Schulen anordnet, ist eine staatspolitische Notwendigkeit ersten Ranges und als<lb/> solche freudig zu begrüßen. Es war in dieser Hinsicht leider schon vielfach eine<lb/> bedauerliche Gleichgiltigkeit eingerissen, deren Folgen nicht verkannt werden dürfen.<lb/> Die Feier des Sedantages vermehrt die ohnehin recht spärlichen Gelegenheiten zur<lb/> Betätigung und Befestigung vaterländischer nationaler Gesinnung und gibt Lehrern<lb/> und Schülern Anlaß, sich immer wieder von neuem in die große Werdezeit des</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
wenn einige Zeitungen weiter gehn und von neuem die Forderung einer Amnestie
peremptorisch erheben, so verkennen sie die Sachlage und namentlich den Umstand,
daß sie Gefahr laufen, abermals die Bemühungen derer zu durchkreuzen, die im
Sinne der Gewährung einer Amnestie tätig gewesen sind. Eine Amnestie ist aus¬
schließlich ein Guatemale der Krone, und dieser die Gewährung publizistisch vor¬
zuschreiben, dürfte der allergeeignetste Weg sein, die Sache gänzlich zu vereiteln.
Die alljährlich nach dem Schluß der großen Manöver stattfindenden Ver¬
änderungen in den obern Flottenkommandostellen werfen diesesmcil ihre Schatten
etwas weit voraus, und man begegnet zahlreichen Meldungen, die sich meist durch
innere Widersprüche auszeichnen. Als sicher darf das Ausscheiden des Großadmirals
von Koester und der Übergang des Oberkommandos der Schlachtflotte auf den
Prinzen Heinrich von Preußen anzusehen sein, nachdem die künftige Zusammensetzung
des Admiralstabes der Schlachtflotte schon mit Rücksicht auf die Person des Prinzen
befohlen worden ist. Ob der Großadmiral von Koester noch in der Stellung eines
Generalinspekteurs der Marine, die er auch jetzt schon bekleidet, verbleiben wird, wie
eine Kieler Meldung besagt, muß abgewartet werden. Es würde das sein Verbleiben
in dem aktiven Dienst bedeuten und die Stelle müßte nebst den Anforderungen für
Stab, Adjutantur und Bureau neu auf den Etat gebracht werden. Die ebenfalls wieder
auftauchende Meldung, daß der Chef des großen Admiralstabes, Büchsel, ein Ge¬
schwaderkommando übernehmen werde, ist schon dementiert worden. Bisher galt all¬
gemein die Annahme, daß die Errichtung einer besondern Generalinspektion der Marine
erst beim Ausscheiden des Prinzen Heinrich aus dem unmittelbaren Frontdienst er¬
folgen werde. Der Prinz ist jetzt erst 44 Jahre alt, seit sechs Jahren Admiral, mit
großer Lust und Liebe Seemann, er kann mithin das Oberkommando der Schlachtflotte
noch eine Reihe von Jahren führen. Seine Inspizierung durch einen Generalinspekteur
gilt aus diesem Grunde nicht als wahrscheinlich, wäre aber immerhin für einen
Übergangszeitraum denkbar. — Die Altdeutschen Blätter kommen noch einmal auf
ihre Behauptung zurück, „daß Reichskanzler und Zentrum den Flottenforderungen
des letzten Jahres die Grenze gezogen haben". Es ist dies eine absolute Unwahr¬
heit. Die Entscheidung über die einzubringende Flottenvorlage ist vom Kaiser, zunächst
völlig unabhängig vom Reichskanzler, beim vorjährigen Vortrag des Staatssekretärs
in Rominten getroffen worden. Bei der Entscheidung ist die parlamentarische und
finanzielle Sachlage gewiß mit in Erwägung gekommen, war aber keineswegs aus¬
schlaggebend. Ausschlaggebend waren organisatorische und technische Erwägungen.
Man muß sich gegenwärtig halten, daß diese Entscheidung zu Anfang Oktober 1905
inmitten einer noch ziemlich gespannten politischen Lage zu treffen war, daß somit
eine Reihe von Umständen mit in Betracht kam, die später hinfällig geworden sind,
an denen man aber damals nicht vorübergehn konnte. Der Verfasser sagt wört¬
lich: „Ebenso gewiß wie durch einen Winkel und eine ihm anliegende Seite des
Dreiecks die Länge der gegenüberliegenden bestimmt wird, haben Reichskanzler und
Zentrum den Flottenforderungen die Grenze gezogen." Man darf getrost an¬
nehmen, daß sich die vom Verfasser vertretnen Anschauungen und Behauptungen
auf der Höhe dieser merkwürdigen mathematischen Auffassung bewegen.
Der Erlaß des Kultusministers, der die Aufrechthaltung der Sedanfcier in
den Schulen anordnet, ist eine staatspolitische Notwendigkeit ersten Ranges und als
solche freudig zu begrüßen. Es war in dieser Hinsicht leider schon vielfach eine
bedauerliche Gleichgiltigkeit eingerissen, deren Folgen nicht verkannt werden dürfen.
Die Feier des Sedantages vermehrt die ohnehin recht spärlichen Gelegenheiten zur
Betätigung und Befestigung vaterländischer nationaler Gesinnung und gibt Lehrern
und Schülern Anlaß, sich immer wieder von neuem in die große Werdezeit des
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