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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Lckermann an Goethe

so daß Ihre Zeichnung schon an sich ein kleines Bild macht, die sich demnächst
einer größeren Komposition um so leichter anschließt. Denn alle abgerissnen
Einzelnheiten geben noch kein Bild und wenn Sie deren auch zu Tausenden
gesammelt hätten." war über diesen Fingerzeig hoch erfreut, er sagte
daß er selbst auf diesen unschätzbaren Rath nie gekommen seyn würde. Zugleich
Hütten Sie ihm auch empfohlen sich dem Allgemeinen einer großen Landschaft
nie hinzugeben, sondern eine gedehnte Gegend immer durch einen kleinen Rahmen
anzusehen, und auf diese Weise ein Bildchen immer hercinsznsondern. Wir
waren bey diesen Unterhaltungen und Erinnerungen an Eure Excellenz höchst
glücklich, wir vergaßen darüber das Essen, aber wir tranken im Stillen Ihre
Gesundheit. Die übrige Gesellschaft achtete nicht auf uns, sie führte ihre Ge¬
spräche anderer Art.

Der neue Frankfurter Eilwagen fuhr wieder vor, wir stiegen ein, ich setzte
mich wieder vorne ins Cabriolet zu dem neuen Conducteur, Preller setzte sich
wieder hinten zu seinen Gefährten. Ich hatte an der ganzen Einrichtung der
Eilwügen, und den dabey angestellten Leuten die Bemerkung zu machen, daß
man dieses Institut auf alle Weise den Reisenden angenehm zu machen suche.
In früheren Zeiten hat man immer über grobe Postofficiantcn geklagt, davon
ist jetzt keine Spur mehr. Der preußische Conducteur, der von Weimar bis
Lrturt, neben mir saß, war ein sehr sanfter und in seinem Äußern ein an¬
genehmer Mann. Er hatte gedient und trug das eiserne Kreuz. An der rechten
Hand war ihm in der Schlacht von Uontlrmrtrs *) der mittelste Finger ab¬
geschossen. Seine Hand war aber ebenso brauchbar, er vermißte den Finger
nicht. Er war ein Mann in den Vierziger. Es that mir leid mich von ihm
zu trennen. Der neue Conducteur aber war wiederum ein sehr angenehmer
Mann. Jung, von schlankem Wuchs, und sehr feinem Ansehen, von stillen,
gefälligen sanften Betragen. Er schien auch gedient zu haben. Er sprach den
Frankfurter Dialect. An den Postillons hatte ich zu bemerken, daß sie ganz
vortrefflich das Horn bließen. Man sagte mir, daß man diese Stellen mit
solchen Leuten besetze die bey der Cavcillerie als Trompeter gedient hätten.

Um 2. Uhr waren wir in Gotha, zwischen 4. und ö. in Liseimob. Ich
nahm von ?rsI1kr Abschied. Der Frankfurter Wagen fuhr bald weiter. Meine
Post nach OgWsl sollte aber erst am andern Morgen 6. Uhr gehen. Ich blieb
also die Nacht in lAssimvIi. Ich ging vor Abend mit einem Knaben auf die
Wartburg. Ich genoß bloß der schonen Aussicht. Die Rüstkammer und Dr. Kutbön
Zimmer zu sehen hatte ich kein Interesse. Bey meiner Rückkunft im Gasthofe
erfuhr ich, daß der Professor vistrien^) nach mir gefragt. Ich hätte ihn gerne




Am 30. Mürz 1814 wurde der Montmartre von den Verbündeten, zu denen auch die
Preußen gehörten, erstürmt.
or. Gottlieb Friedrich Dietrich (1766 bis 18K0), aus der bekannten Botanikerfamilie
in Ziegenhain bei Jena stammend, war Hofgttrtner in Weimar, dann Garteninspektor in Eisenach
und Wilhelmstal, seit 1823 Professor der Botanik.
Lckermann an Goethe

so daß Ihre Zeichnung schon an sich ein kleines Bild macht, die sich demnächst
einer größeren Komposition um so leichter anschließt. Denn alle abgerissnen
Einzelnheiten geben noch kein Bild und wenn Sie deren auch zu Tausenden
gesammelt hätten." war über diesen Fingerzeig hoch erfreut, er sagte
daß er selbst auf diesen unschätzbaren Rath nie gekommen seyn würde. Zugleich
Hütten Sie ihm auch empfohlen sich dem Allgemeinen einer großen Landschaft
nie hinzugeben, sondern eine gedehnte Gegend immer durch einen kleinen Rahmen
anzusehen, und auf diese Weise ein Bildchen immer hercinsznsondern. Wir
waren bey diesen Unterhaltungen und Erinnerungen an Eure Excellenz höchst
glücklich, wir vergaßen darüber das Essen, aber wir tranken im Stillen Ihre
Gesundheit. Die übrige Gesellschaft achtete nicht auf uns, sie führte ihre Ge¬
spräche anderer Art.

Der neue Frankfurter Eilwagen fuhr wieder vor, wir stiegen ein, ich setzte
mich wieder vorne ins Cabriolet zu dem neuen Conducteur, Preller setzte sich
wieder hinten zu seinen Gefährten. Ich hatte an der ganzen Einrichtung der
Eilwügen, und den dabey angestellten Leuten die Bemerkung zu machen, daß
man dieses Institut auf alle Weise den Reisenden angenehm zu machen suche.
In früheren Zeiten hat man immer über grobe Postofficiantcn geklagt, davon
ist jetzt keine Spur mehr. Der preußische Conducteur, der von Weimar bis
Lrturt, neben mir saß, war ein sehr sanfter und in seinem Äußern ein an¬
genehmer Mann. Er hatte gedient und trug das eiserne Kreuz. An der rechten
Hand war ihm in der Schlacht von Uontlrmrtrs *) der mittelste Finger ab¬
geschossen. Seine Hand war aber ebenso brauchbar, er vermißte den Finger
nicht. Er war ein Mann in den Vierziger. Es that mir leid mich von ihm
zu trennen. Der neue Conducteur aber war wiederum ein sehr angenehmer
Mann. Jung, von schlankem Wuchs, und sehr feinem Ansehen, von stillen,
gefälligen sanften Betragen. Er schien auch gedient zu haben. Er sprach den
Frankfurter Dialect. An den Postillons hatte ich zu bemerken, daß sie ganz
vortrefflich das Horn bließen. Man sagte mir, daß man diese Stellen mit
solchen Leuten besetze die bey der Cavcillerie als Trompeter gedient hätten.

Um 2. Uhr waren wir in Gotha, zwischen 4. und ö. in Liseimob. Ich
nahm von ?rsI1kr Abschied. Der Frankfurter Wagen fuhr bald weiter. Meine
Post nach OgWsl sollte aber erst am andern Morgen 6. Uhr gehen. Ich blieb
also die Nacht in lAssimvIi. Ich ging vor Abend mit einem Knaben auf die
Wartburg. Ich genoß bloß der schonen Aussicht. Die Rüstkammer und Dr. Kutbön
Zimmer zu sehen hatte ich kein Interesse. Bey meiner Rückkunft im Gasthofe
erfuhr ich, daß der Professor vistrien^) nach mir gefragt. Ich hätte ihn gerne




Am 30. Mürz 1814 wurde der Montmartre von den Verbündeten, zu denen auch die
Preußen gehörten, erstürmt.
or. Gottlieb Friedrich Dietrich (1766 bis 18K0), aus der bekannten Botanikerfamilie
in Ziegenhain bei Jena stammend, war Hofgttrtner in Weimar, dann Garteninspektor in Eisenach
und Wilhelmstal, seit 1823 Professor der Botanik.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/37>, abgerufen am 27.12.2024.