Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Lckermanii an Goethe jungen stillen Dame vorne im Cabriolett zu sitzen. So konnte ich ans dem Hinter mir im Wagen saß ein reicher junger Curläuder, der den Faust Halb 10. waren wir in Hrturt. Der Wagen fuhr aber nicht zur Post, Lckermanii an Goethe jungen stillen Dame vorne im Cabriolett zu sitzen. So konnte ich ans dem Hinter mir im Wagen saß ein reicher junger Curläuder, der den Faust Halb 10. waren wir in Hrturt. Der Wagen fuhr aber nicht zur Post, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299823"/> <fw type="header" place="top"> Lckermanii an Goethe</fw><lb/> <p xml:id="ID_67" prev="#ID_66"> jungen stillen Dame vorne im Cabriolett zu sitzen. So konnte ich ans dem<lb/> Wege nach Lrtnrt frey umher sehen und da das Dämchen stiller Natur und<lb/> der Conducteur müde war, so brauchte ich nicht zu reden und konnte mich<lb/> meinen Gedanken und Empfindungen überlassen, die größtentheils bey Ihnen<lb/> waren. Übrigens verließ ich dieszmal ^Vsimar ohne alle Herzensregung, ohne<lb/> Neigung zu bleiben, und ohne Hoffnung irgend wo anzukommen. Ich ließ mich<lb/> vom Wagen forttragen als wäre es nichts, und als wollte ich nichts. Ich<lb/> empfand die höchste Ruhe. Dabey war ich über mein Gehen und Wieder¬<lb/> kommen entschieden und klar, das gab mir die schönste Stimmung.</p><lb/> <p xml:id="ID_68"> Hinter mir im Wagen saß ein reicher junger Curläuder, der den Faust<lb/> las. Es gehört unter den angesehenen jungen Leuten zum guten Tone das;<lb/> sie den Faust mit auf Reisen nehmen; dieses habe ich vielfach gefunden. Das<lb/> Buch reizt sie an weil sie es im Ganzen nicht verstehen, es aber doch, im<lb/> Einzelnen ihnen mit so entschiedener Klarheit entgegentritt, daß sie getäuscht<lb/> werden als verständen sie es. Ich kam auf den Gedanken, daß um auf die<lb/> Dauer zu fesseln, man uicht alles aussprechen sondern manches problematisch<lb/> lassen müsse, und daß die Natur und die Gottheit selbst den Menschen eben<lb/> deswegen fortführend so viel zu schaffen machen weil Beyde so große Probleme<lb/> sind. Ich hatte auf dem Wege nach Lrkurt viele Gedanken, in zwey Stunden<lb/> fuhren wir hinüber; mir aber war die Zeit so schnell vergangen, daß es mir<lb/> vorkam als waren wir nur eine Stunde gefahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_69" next="#ID_70"> Halb 10. waren wir in Hrturt. Der Wagen fuhr aber nicht zur Post,<lb/> sondern zunächst vor das Wirthshaus um die Passagiere aussteigen zu lassen.<lb/> Bon I,sixi?iA bis Drturt, war der preußische Eilwagen gegangen. Hier trat nun<lb/> der Frankfurter ein. Es mußte umgepackt werden und den Passagieren war<lb/> eine Stunde Zeit gegeben. Alles setzte sich zu Tische, ich setzte mich zu Prellern,<lb/> da kam denn das Gespräch alsobald auf Eure Excellenz. Der Gute war sehr<lb/> beglückt, daß Sie ihm einen so trefflichen Rath mitgegeben, wodurch er sich<lb/> denn auf seinem Kunstwege gefördert und befestiget fühlte. Er theilte mir alles<lb/> mit, ihm war kein Wort entgangen. „Sie gehen nnn in die große Welt hinaus<lb/> (hatten Sie gesagt). Vieles wird auf Sie eindringen, und Viele werden zu<lb/> Ihnen reden, der Eine wird Dieses sagen und der Andere Jenes, und so wird<lb/> ein junger Mensch verwirrt und verworren und er weiß zuletzt nicht mehr was<lb/> er thun und wem er folgen soll. Deshalb will ich Ihnen Einiges als guten<lb/> Rath mitgeben woran Sie Sich halten mögen. Vor Allen empfehle ich Ihnen<lb/> zwey Meister: ?oussin und planets liorsin, denen sie folgen und deren Art und<lb/> Weise die Natur darzustellen, Sie studiren wollen. Zugleich aber setzen Sie<lb/> Ihre landschaftlichen Studien fort. Aber hiebey rathe ich Ihnen dieses. Ihre<lb/> bisherigen Studien sind alles nur Einzelnheiten, die Sie zu keiner Komposition<lb/> brauchen können. Wenn Sie aber jetzt einen schönen Beinen oder irgend einen<lb/> anderen interessanten Landschaftlichen Gegenstand finden, so zeichnen Sie ihn<lb/> uicht einzeln heraus, sondern nehmen Sie gleich einige passende Umgebung mit,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Lckermanii an Goethe
jungen stillen Dame vorne im Cabriolett zu sitzen. So konnte ich ans dem
Wege nach Lrtnrt frey umher sehen und da das Dämchen stiller Natur und
der Conducteur müde war, so brauchte ich nicht zu reden und konnte mich
meinen Gedanken und Empfindungen überlassen, die größtentheils bey Ihnen
waren. Übrigens verließ ich dieszmal ^Vsimar ohne alle Herzensregung, ohne
Neigung zu bleiben, und ohne Hoffnung irgend wo anzukommen. Ich ließ mich
vom Wagen forttragen als wäre es nichts, und als wollte ich nichts. Ich
empfand die höchste Ruhe. Dabey war ich über mein Gehen und Wieder¬
kommen entschieden und klar, das gab mir die schönste Stimmung.
Hinter mir im Wagen saß ein reicher junger Curläuder, der den Faust
las. Es gehört unter den angesehenen jungen Leuten zum guten Tone das;
sie den Faust mit auf Reisen nehmen; dieses habe ich vielfach gefunden. Das
Buch reizt sie an weil sie es im Ganzen nicht verstehen, es aber doch, im
Einzelnen ihnen mit so entschiedener Klarheit entgegentritt, daß sie getäuscht
werden als verständen sie es. Ich kam auf den Gedanken, daß um auf die
Dauer zu fesseln, man uicht alles aussprechen sondern manches problematisch
lassen müsse, und daß die Natur und die Gottheit selbst den Menschen eben
deswegen fortführend so viel zu schaffen machen weil Beyde so große Probleme
sind. Ich hatte auf dem Wege nach Lrkurt viele Gedanken, in zwey Stunden
fuhren wir hinüber; mir aber war die Zeit so schnell vergangen, daß es mir
vorkam als waren wir nur eine Stunde gefahren.
Halb 10. waren wir in Hrturt. Der Wagen fuhr aber nicht zur Post,
sondern zunächst vor das Wirthshaus um die Passagiere aussteigen zu lassen.
Bon I,sixi?iA bis Drturt, war der preußische Eilwagen gegangen. Hier trat nun
der Frankfurter ein. Es mußte umgepackt werden und den Passagieren war
eine Stunde Zeit gegeben. Alles setzte sich zu Tische, ich setzte mich zu Prellern,
da kam denn das Gespräch alsobald auf Eure Excellenz. Der Gute war sehr
beglückt, daß Sie ihm einen so trefflichen Rath mitgegeben, wodurch er sich
denn auf seinem Kunstwege gefördert und befestiget fühlte. Er theilte mir alles
mit, ihm war kein Wort entgangen. „Sie gehen nnn in die große Welt hinaus
(hatten Sie gesagt). Vieles wird auf Sie eindringen, und Viele werden zu
Ihnen reden, der Eine wird Dieses sagen und der Andere Jenes, und so wird
ein junger Mensch verwirrt und verworren und er weiß zuletzt nicht mehr was
er thun und wem er folgen soll. Deshalb will ich Ihnen Einiges als guten
Rath mitgeben woran Sie Sich halten mögen. Vor Allen empfehle ich Ihnen
zwey Meister: ?oussin und planets liorsin, denen sie folgen und deren Art und
Weise die Natur darzustellen, Sie studiren wollen. Zugleich aber setzen Sie
Ihre landschaftlichen Studien fort. Aber hiebey rathe ich Ihnen dieses. Ihre
bisherigen Studien sind alles nur Einzelnheiten, die Sie zu keiner Komposition
brauchen können. Wenn Sie aber jetzt einen schönen Beinen oder irgend einen
anderen interessanten Landschaftlichen Gegenstand finden, so zeichnen Sie ihn
uicht einzeln heraus, sondern nehmen Sie gleich einige passende Umgebung mit,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |