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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Aus Prinz Kraft zu Hohenlohes Erinnerungen

sieben Uhr wurde Hohenlohe alarmiert, Diesesmal setzte er durch, unmittelbar
hinter der ersten Gardedivision (Hiller von Gärtringen) marschieren zu dürfen;
dann, als der Kanonendonner von Westen her immer heftiger wurde, jagte
er querfeldein an ihr vorbei an die Spitze und sah auf der Höhe von
Chotjeborek, neben dem Kronprinzen haltend, die wogende Schlacht vor sich.
Auf die berühmten Linden bei Horschenowjes weisend, sagte ihm der Kronprinz
mit dem Scharfblick des echten Feldherrn: "Meinem Vetter Fritz Karl geht es
schlecht. Ich habe Meldung, er braucht dringend Hilfe. Ich habe nur zwei Wege.
Entweder ich marschiere zu ihm, der Weg ist aber zu weit, und ich komme
zu spät, oder ich marschiere gerade aus und greife Flanke und Rücken des
Feindes an. Sehen Sie diesen großen Baum, der ist der rechte Flügel der
Österreicher, den lassen Sie rechts. Knallen Sie bald tüchtig, damit Fritz Karl
hört, daß ich da bin." Wie nun Hohenlohes Batterien von Stellung zu
Stellung vorgehn -- kurz nach zwölf Uhr fiel der erste Schuß --, immer gegen
eine weit überlegne österreichische Artillerie -- wie er persönlich den Angriff
der ersten Gardedivision auf die Lindenhöhe im Granatfeuer begleitet, den
ersten Jnfanterieangriff, den er sah, wie er, dem kühnen Vorstoß Hillers
folgend, endlich mühsam mit erschöpften Pferden auf das Plateau von China
hinaufkommt und dort mit 48 Geschützen 128 österreichischen im furchtbarsten
Granatenhagel gegenüber steht, die ganze Reserve Benedeks, zwei Armeekorps
und mehrere Kavalleriedivisionen unter sich, ein hinreißend prächtiger Anblick, das
alles wird mit einer dramatischen Lebendigkeit und einer malerischen Anschaulich¬
keit geschildert, die das volle überzeugende Bild einer modernen Schlacht gewährt
und kaum übertroffen werden kann. So hatte Hohenlohe durch sein kühnes
selbständiges Draufgehn sehr wesentlich zu dem Gewinn der ungeheuern Schlacht
beigetragen. Im spätern Verlauf des Feldzuges, der ja damit entschieden war,
kam er nicht mehr ins Gefecht, fand also auch keine Gelegenheit mehr zu
solchen Schilderungen. Neben solchen dramatischen Momenten wird aber auch
alles das, worauf ein Truppenführer zu achten hat, abgesehen vom Kampfe,
das Exerzieren, die Ordnung des Marsches, die Verpflegung und die Ein¬
quartierung von Menschen und Pferden, deren Gefechts- und Marschfähigkeit
Zu erhalten immer die höchste Aufgabe ist, die scharfe und unbefangne Beob¬
achtung alles dessen, was die Erfahrung bei Marsch und Gefecht lehrt, und
was rasch dazu führt, den "Friedensrost" abzustreifen und unerbittliche Kritik
SU üben, auch an sich selbst, das wird auch dem Laien klar. Zum Schlüsse
des Krieges erlebte Hohenlohe noch in Prag (19. bis 29. August) das furcht¬
bare Wüten der Cholera, von der er selbst befallen wurde. Mit 44 Mann war
sein Stab eingerückt, mit 22, von denen nur 5 ganz gesund waren, verließ
er die unheimliche Stadt, und von den 22 andern starben 17!

Der letzte Teil des Bandes beschäftigt sich mit der Friedenszeit von 1867
bis 1870, die er selbst schon als eine Vorbereitung zum unvermeidlichen Kriege
gegen Frankreich betrachtete. In diesem Gefühl sah er die Zusammenkauft Kaiser


Aus Prinz Kraft zu Hohenlohes Erinnerungen

sieben Uhr wurde Hohenlohe alarmiert, Diesesmal setzte er durch, unmittelbar
hinter der ersten Gardedivision (Hiller von Gärtringen) marschieren zu dürfen;
dann, als der Kanonendonner von Westen her immer heftiger wurde, jagte
er querfeldein an ihr vorbei an die Spitze und sah auf der Höhe von
Chotjeborek, neben dem Kronprinzen haltend, die wogende Schlacht vor sich.
Auf die berühmten Linden bei Horschenowjes weisend, sagte ihm der Kronprinz
mit dem Scharfblick des echten Feldherrn: „Meinem Vetter Fritz Karl geht es
schlecht. Ich habe Meldung, er braucht dringend Hilfe. Ich habe nur zwei Wege.
Entweder ich marschiere zu ihm, der Weg ist aber zu weit, und ich komme
zu spät, oder ich marschiere gerade aus und greife Flanke und Rücken des
Feindes an. Sehen Sie diesen großen Baum, der ist der rechte Flügel der
Österreicher, den lassen Sie rechts. Knallen Sie bald tüchtig, damit Fritz Karl
hört, daß ich da bin." Wie nun Hohenlohes Batterien von Stellung zu
Stellung vorgehn — kurz nach zwölf Uhr fiel der erste Schuß —, immer gegen
eine weit überlegne österreichische Artillerie — wie er persönlich den Angriff
der ersten Gardedivision auf die Lindenhöhe im Granatfeuer begleitet, den
ersten Jnfanterieangriff, den er sah, wie er, dem kühnen Vorstoß Hillers
folgend, endlich mühsam mit erschöpften Pferden auf das Plateau von China
hinaufkommt und dort mit 48 Geschützen 128 österreichischen im furchtbarsten
Granatenhagel gegenüber steht, die ganze Reserve Benedeks, zwei Armeekorps
und mehrere Kavalleriedivisionen unter sich, ein hinreißend prächtiger Anblick, das
alles wird mit einer dramatischen Lebendigkeit und einer malerischen Anschaulich¬
keit geschildert, die das volle überzeugende Bild einer modernen Schlacht gewährt
und kaum übertroffen werden kann. So hatte Hohenlohe durch sein kühnes
selbständiges Draufgehn sehr wesentlich zu dem Gewinn der ungeheuern Schlacht
beigetragen. Im spätern Verlauf des Feldzuges, der ja damit entschieden war,
kam er nicht mehr ins Gefecht, fand also auch keine Gelegenheit mehr zu
solchen Schilderungen. Neben solchen dramatischen Momenten wird aber auch
alles das, worauf ein Truppenführer zu achten hat, abgesehen vom Kampfe,
das Exerzieren, die Ordnung des Marsches, die Verpflegung und die Ein¬
quartierung von Menschen und Pferden, deren Gefechts- und Marschfähigkeit
Zu erhalten immer die höchste Aufgabe ist, die scharfe und unbefangne Beob¬
achtung alles dessen, was die Erfahrung bei Marsch und Gefecht lehrt, und
was rasch dazu führt, den „Friedensrost" abzustreifen und unerbittliche Kritik
SU üben, auch an sich selbst, das wird auch dem Laien klar. Zum Schlüsse
des Krieges erlebte Hohenlohe noch in Prag (19. bis 29. August) das furcht¬
bare Wüten der Cholera, von der er selbst befallen wurde. Mit 44 Mann war
sein Stab eingerückt, mit 22, von denen nur 5 ganz gesund waren, verließ
er die unheimliche Stadt, und von den 22 andern starben 17!

Der letzte Teil des Bandes beschäftigt sich mit der Friedenszeit von 1867
bis 1870, die er selbst schon als eine Vorbereitung zum unvermeidlichen Kriege
gegen Frankreich betrachtete. In diesem Gefühl sah er die Zusammenkauft Kaiser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/247>, abgerufen am 27.12.2024.