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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Koloniale Lisenbahnpolitik

Zweitens können sich wohl die kolonialen Kreise auf einen bestimmten Plan
einigen (was sogar sehr wünschenswert wäre), aber für den Reichstag ist der
Plan unverbindlich, und dieser wird sich auch nie in Bausch und Bogen auf
einen solchen mehrere hundert Millionen für die Kolonien allein repräsen¬
tierenden Plan festlegen lassen, das ist dem mit den parlamentarischen Ver¬
hältnissen Vertrauten unzweifelhaft. Die Regierung wird immer das nehmen,
was sie bekommen kann. Drittens ist es unpraktisch, Eisenbahnen in noch
unentwickelten Kolonien durch diese selbst bauen und verwalten zu lassen. Von
feiten einer bureaukratischen Eisenbahnverwaltung wird in der Regel nichts für
die Entwicklung der Kolonie geschehen, während eine kaufmännisch organisierte
Privatgesellschaft durch die ihr erteilte Landkonzession selbst an der Hebung
des Verkehrs interessiert ist, schon weil die kleine Zinsgarantie allein kein
ausreichendes Äquivalent für das übernommne Risiko ist. Voraussetzung ist,
daß die mit Eisenbahnkonzessionen verbundnen Landkonzessionen unter scharf
abgegrenzten Verpflichtungen erteilt werden, die eine Mitarbeit der Eisenbahn¬
gesellschaft an der Erschließungstütigkeit gewährleisten und die Herausbildung
irgendwelcher Monopole verhindern. Von einschneidender Bedeutung ist meines
Erachtens bei der Finanzierung die Bemessung der Anteile. Nichts ist besser
geeignet, die Volkstümlichkeit der kolonialen Bestrebungen zu fördern, als die
Möglichkeit für den kleinen Mann, sich an guten Kolonialunternehmungen,
die bis jetzt noch Dominium der Finanzkreise sind, zu beteiligen und so bis zu
einem gewissen Grade aktiv mitzuarbeiten. Bis zu hundert Mark sind wir ja
schon bei unsern neusten Kolonialbahnen heruntergegangen, wir sollten aber den
englischen Pfundshares noch näher kommen. Wenn wir diesen Modus zunächst
bei den mit Zinsgarantie von feiten des Reichs ausgestatteten Eisenbahnunter¬
nehmungen einführen, so brauchen wir auch keine Besorgnis um die "Spar¬
groschen des Volkes" zu hegen. Die aussichtsvollc "Südbahn" wäre eine
günstige Gelegenheit, damit einen Anfang zu machen. Die Vertrüge über den
Eisenbahnbetrieb müssen selbstverständlich Vorschriften, die die Tarifpolitik
regeln, enthalten. Die Beibehaltung dieses Modus scheint uns für Ostafrika
und Kamerun am empfehlenswertesten.

Obiger Vorschlag ist nach meiner Ansicht schon aus dem Grunde zu
verwerfen, weil er zu wenig dem praktischen Leben gerecht wird und nach
parlamentarischen Begriffen in das Gebiet der uferlosen Koloninlpolitik gehört.
Wir würden damit in absehbarer Zeit beim Reichstag nicht durchdringen und
uns durch seine Verfechtung der Gefahr aussetzen, wieder wie mit der Zentral¬
bahn in nutzlosen Kampfe Jahre zu verlieren. Durch ein mißglücktes Eisen¬
bahnunternehmer -- und diese Gefahr liegt bei der Zentralbahn mit ihren
120 Millionen Mark Kosten vor! -- würden wir den Kredit unsrer Kolonien
bei der öffentlichen Meinung dauernd untergraben.

Bleiben wir deshalb bei der nun einmal als unzweifelhaft aussichtsvoll
erkannten "Südbahn", bleiben wir bei dem kaum erst gewühlten System:
Eisenbahnkonzessionsgesellschaften.


Koloniale Lisenbahnpolitik

Zweitens können sich wohl die kolonialen Kreise auf einen bestimmten Plan
einigen (was sogar sehr wünschenswert wäre), aber für den Reichstag ist der
Plan unverbindlich, und dieser wird sich auch nie in Bausch und Bogen auf
einen solchen mehrere hundert Millionen für die Kolonien allein repräsen¬
tierenden Plan festlegen lassen, das ist dem mit den parlamentarischen Ver¬
hältnissen Vertrauten unzweifelhaft. Die Regierung wird immer das nehmen,
was sie bekommen kann. Drittens ist es unpraktisch, Eisenbahnen in noch
unentwickelten Kolonien durch diese selbst bauen und verwalten zu lassen. Von
feiten einer bureaukratischen Eisenbahnverwaltung wird in der Regel nichts für
die Entwicklung der Kolonie geschehen, während eine kaufmännisch organisierte
Privatgesellschaft durch die ihr erteilte Landkonzession selbst an der Hebung
des Verkehrs interessiert ist, schon weil die kleine Zinsgarantie allein kein
ausreichendes Äquivalent für das übernommne Risiko ist. Voraussetzung ist,
daß die mit Eisenbahnkonzessionen verbundnen Landkonzessionen unter scharf
abgegrenzten Verpflichtungen erteilt werden, die eine Mitarbeit der Eisenbahn¬
gesellschaft an der Erschließungstütigkeit gewährleisten und die Herausbildung
irgendwelcher Monopole verhindern. Von einschneidender Bedeutung ist meines
Erachtens bei der Finanzierung die Bemessung der Anteile. Nichts ist besser
geeignet, die Volkstümlichkeit der kolonialen Bestrebungen zu fördern, als die
Möglichkeit für den kleinen Mann, sich an guten Kolonialunternehmungen,
die bis jetzt noch Dominium der Finanzkreise sind, zu beteiligen und so bis zu
einem gewissen Grade aktiv mitzuarbeiten. Bis zu hundert Mark sind wir ja
schon bei unsern neusten Kolonialbahnen heruntergegangen, wir sollten aber den
englischen Pfundshares noch näher kommen. Wenn wir diesen Modus zunächst
bei den mit Zinsgarantie von feiten des Reichs ausgestatteten Eisenbahnunter¬
nehmungen einführen, so brauchen wir auch keine Besorgnis um die „Spar¬
groschen des Volkes" zu hegen. Die aussichtsvollc „Südbahn" wäre eine
günstige Gelegenheit, damit einen Anfang zu machen. Die Vertrüge über den
Eisenbahnbetrieb müssen selbstverständlich Vorschriften, die die Tarifpolitik
regeln, enthalten. Die Beibehaltung dieses Modus scheint uns für Ostafrika
und Kamerun am empfehlenswertesten.

Obiger Vorschlag ist nach meiner Ansicht schon aus dem Grunde zu
verwerfen, weil er zu wenig dem praktischen Leben gerecht wird und nach
parlamentarischen Begriffen in das Gebiet der uferlosen Koloninlpolitik gehört.
Wir würden damit in absehbarer Zeit beim Reichstag nicht durchdringen und
uns durch seine Verfechtung der Gefahr aussetzen, wieder wie mit der Zentral¬
bahn in nutzlosen Kampfe Jahre zu verlieren. Durch ein mißglücktes Eisen¬
bahnunternehmer — und diese Gefahr liegt bei der Zentralbahn mit ihren
120 Millionen Mark Kosten vor! — würden wir den Kredit unsrer Kolonien
bei der öffentlichen Meinung dauernd untergraben.

Bleiben wir deshalb bei der nun einmal als unzweifelhaft aussichtsvoll
erkannten „Südbahn", bleiben wir bei dem kaum erst gewühlten System:
Eisenbahnkonzessionsgesellschaften.


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[0244] Koloniale Lisenbahnpolitik Zweitens können sich wohl die kolonialen Kreise auf einen bestimmten Plan einigen (was sogar sehr wünschenswert wäre), aber für den Reichstag ist der Plan unverbindlich, und dieser wird sich auch nie in Bausch und Bogen auf einen solchen mehrere hundert Millionen für die Kolonien allein repräsen¬ tierenden Plan festlegen lassen, das ist dem mit den parlamentarischen Ver¬ hältnissen Vertrauten unzweifelhaft. Die Regierung wird immer das nehmen, was sie bekommen kann. Drittens ist es unpraktisch, Eisenbahnen in noch unentwickelten Kolonien durch diese selbst bauen und verwalten zu lassen. Von feiten einer bureaukratischen Eisenbahnverwaltung wird in der Regel nichts für die Entwicklung der Kolonie geschehen, während eine kaufmännisch organisierte Privatgesellschaft durch die ihr erteilte Landkonzession selbst an der Hebung des Verkehrs interessiert ist, schon weil die kleine Zinsgarantie allein kein ausreichendes Äquivalent für das übernommne Risiko ist. Voraussetzung ist, daß die mit Eisenbahnkonzessionen verbundnen Landkonzessionen unter scharf abgegrenzten Verpflichtungen erteilt werden, die eine Mitarbeit der Eisenbahn¬ gesellschaft an der Erschließungstütigkeit gewährleisten und die Herausbildung irgendwelcher Monopole verhindern. Von einschneidender Bedeutung ist meines Erachtens bei der Finanzierung die Bemessung der Anteile. Nichts ist besser geeignet, die Volkstümlichkeit der kolonialen Bestrebungen zu fördern, als die Möglichkeit für den kleinen Mann, sich an guten Kolonialunternehmungen, die bis jetzt noch Dominium der Finanzkreise sind, zu beteiligen und so bis zu einem gewissen Grade aktiv mitzuarbeiten. Bis zu hundert Mark sind wir ja schon bei unsern neusten Kolonialbahnen heruntergegangen, wir sollten aber den englischen Pfundshares noch näher kommen. Wenn wir diesen Modus zunächst bei den mit Zinsgarantie von feiten des Reichs ausgestatteten Eisenbahnunter¬ nehmungen einführen, so brauchen wir auch keine Besorgnis um die „Spar¬ groschen des Volkes" zu hegen. Die aussichtsvollc „Südbahn" wäre eine günstige Gelegenheit, damit einen Anfang zu machen. Die Vertrüge über den Eisenbahnbetrieb müssen selbstverständlich Vorschriften, die die Tarifpolitik regeln, enthalten. Die Beibehaltung dieses Modus scheint uns für Ostafrika und Kamerun am empfehlenswertesten. Obiger Vorschlag ist nach meiner Ansicht schon aus dem Grunde zu verwerfen, weil er zu wenig dem praktischen Leben gerecht wird und nach parlamentarischen Begriffen in das Gebiet der uferlosen Koloninlpolitik gehört. Wir würden damit in absehbarer Zeit beim Reichstag nicht durchdringen und uns durch seine Verfechtung der Gefahr aussetzen, wieder wie mit der Zentral¬ bahn in nutzlosen Kampfe Jahre zu verlieren. Durch ein mißglücktes Eisen¬ bahnunternehmer — und diese Gefahr liegt bei der Zentralbahn mit ihren 120 Millionen Mark Kosten vor! — würden wir den Kredit unsrer Kolonien bei der öffentlichen Meinung dauernd untergraben. Bleiben wir deshalb bei der nun einmal als unzweifelhaft aussichtsvoll erkannten „Südbahn", bleiben wir bei dem kaum erst gewühlten System: Eisenbahnkonzessionsgesellschaften.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/244>, abgerufen am 23.07.2024.