Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lckermann an Goethe

Wieder zu vöttiuZen hinaus. Die Postillone fuhren den langsamsten Schritt,
entschädigten aber dafür durch ein so treffliches Hornbläser, wie ich es von
solchen Leuten nie gehört habe. Der Postillon des Beywagens blies die zweyte
Stimme und beyde trafen immer sehr gut zusammen. Der Jungfernkranz aus
dem Freyschütz schien ihre Lieblingsmelodie zu seyn. Und so wäre denn 'Weder
populär genug da ihn sogar die Postillone blasen. Alle Leute kamen zu Thüren
und hörten zu. Als wir nachher durch Wedncle und Loveäsn*) fuhren, stimmten
die Postillone ihre Melodieen wieder an.

In der Nähe von Mrätreiin rechts von der Chaussee wo man das weite
Thal hat, sah man in den Weiden an der Leine einige Hundert Pferde grasen.
Der Abend war sehr schön. Vor zwey Jahren fuhr ich diesen Weg in dem-
selbigen Wagen zur selbigen Stunde. Damals erquickte mich die Mondsichel,
und auch sie stand wieder heute grade so wie vor zwey Jahren. Das war mir
ein erwünschtes Zeichen, denn ich hatte in Weimar darauf gehoft, daß es so
seyn möchte.

Nachts 1. Uhr waren wir in NndeeK^), 500. Gebende lagen in Asche, man
sah in der Dämmerung der Nacht die gewöhnlichen Trümmer ragen, halbe
Schornsteine und halbes Gemäuer.

Am nächsten Mittag, Sonnabend den 10. ^uno, sahen wir die Stadt
Hannover im Sonnenscheine vor uns liegen. Ich freute mich über die herrlichen
Kornfelder des Calenberger Landes. Zwey Stunden vor Hannover hat man
alle Berge die den Reisenden von Weimar her begleiten, hinter sich, es beginnt
die große Ebene bis nach HaiuizurZ und die See. In der Fläche vor Nannover
nach 6öttinAen zu ist der Boden schwer und zum Wciizcnbau wohl geeignet. Gleich
hinter Hannover nach Harndur^ zu beginnet der Sand der Ilünelzur^er Herde.

Bald nach 1. Uhr fuhr der Postwagen in die Straßen der Stadt Hannover
herein. fDie dreizehn folgenden Zeilen des Briefes sind durch Streichung ganz
unleserlich gemacht^ Das Ziel meiner Reise war aber dießmal nicht Hannover
sondern LleeKecle, östlich von ImnednrA an der Elbe, 19. Meilen von Hannover,
und es war verabredet, daß ein Bruder meiner Geliebten mich begleiten solle.
^Wiederum sechs Zeilen Streichungen.^ Ich verwendete den Nachmittag zur
Erholung und Vorbereitung zur ferneren Reise. Besuche machte ich bey niemanden.
Nach einem Netourwcigcn nach Lslls sahen wir uns um und fanden ihn sogleich
wie wir ihn nur wünschten.

Am nächsten Morgen, Sonntag d. 11. ^uno, fuhren wir ab. Wir hatten
bald mit dem Sande der I^ünewr^or Heide zu kämpfen, worin die Pferde ein
mühsames Ziehen hatten. Der 6. Meilen lange Weg von Hannover bis LeUe,
ist durchaus sandig, und, obgleich soviel befahren wie nur irgend ein Weg in




Die unmittelbar bei Göttingen liegenden Dörfer Weende und Bovenden erwähnt Ecker-
Mann wohl nur, weil sie ihm als frühern Göttinger Studenten bekannt und interessant sind.
Am 21. und 22. Mai 1826 wurde Einbeck von einer furchtbaren Feuersbrunst heim¬
gesucht, der in der Tat fast fünfhundert Gebäude zum Opfer fielen.
Lckermann an Goethe

Wieder zu vöttiuZen hinaus. Die Postillone fuhren den langsamsten Schritt,
entschädigten aber dafür durch ein so treffliches Hornbläser, wie ich es von
solchen Leuten nie gehört habe. Der Postillon des Beywagens blies die zweyte
Stimme und beyde trafen immer sehr gut zusammen. Der Jungfernkranz aus
dem Freyschütz schien ihre Lieblingsmelodie zu seyn. Und so wäre denn 'Weder
populär genug da ihn sogar die Postillone blasen. Alle Leute kamen zu Thüren
und hörten zu. Als wir nachher durch Wedncle und Loveäsn*) fuhren, stimmten
die Postillone ihre Melodieen wieder an.

In der Nähe von Mrätreiin rechts von der Chaussee wo man das weite
Thal hat, sah man in den Weiden an der Leine einige Hundert Pferde grasen.
Der Abend war sehr schön. Vor zwey Jahren fuhr ich diesen Weg in dem-
selbigen Wagen zur selbigen Stunde. Damals erquickte mich die Mondsichel,
und auch sie stand wieder heute grade so wie vor zwey Jahren. Das war mir
ein erwünschtes Zeichen, denn ich hatte in Weimar darauf gehoft, daß es so
seyn möchte.

Nachts 1. Uhr waren wir in NndeeK^), 500. Gebende lagen in Asche, man
sah in der Dämmerung der Nacht die gewöhnlichen Trümmer ragen, halbe
Schornsteine und halbes Gemäuer.

Am nächsten Mittag, Sonnabend den 10. ^uno, sahen wir die Stadt
Hannover im Sonnenscheine vor uns liegen. Ich freute mich über die herrlichen
Kornfelder des Calenberger Landes. Zwey Stunden vor Hannover hat man
alle Berge die den Reisenden von Weimar her begleiten, hinter sich, es beginnt
die große Ebene bis nach HaiuizurZ und die See. In der Fläche vor Nannover
nach 6öttinAen zu ist der Boden schwer und zum Wciizcnbau wohl geeignet. Gleich
hinter Hannover nach Harndur^ zu beginnet der Sand der Ilünelzur^er Herde.

Bald nach 1. Uhr fuhr der Postwagen in die Straßen der Stadt Hannover
herein. fDie dreizehn folgenden Zeilen des Briefes sind durch Streichung ganz
unleserlich gemacht^ Das Ziel meiner Reise war aber dießmal nicht Hannover
sondern LleeKecle, östlich von ImnednrA an der Elbe, 19. Meilen von Hannover,
und es war verabredet, daß ein Bruder meiner Geliebten mich begleiten solle.
^Wiederum sechs Zeilen Streichungen.^ Ich verwendete den Nachmittag zur
Erholung und Vorbereitung zur ferneren Reise. Besuche machte ich bey niemanden.
Nach einem Netourwcigcn nach Lslls sahen wir uns um und fanden ihn sogleich
wie wir ihn nur wünschten.

Am nächsten Morgen, Sonntag d. 11. ^uno, fuhren wir ab. Wir hatten
bald mit dem Sande der I^ünewr^or Heide zu kämpfen, worin die Pferde ein
mühsames Ziehen hatten. Der 6. Meilen lange Weg von Hannover bis LeUe,
ist durchaus sandig, und, obgleich soviel befahren wie nur irgend ein Weg in




Die unmittelbar bei Göttingen liegenden Dörfer Weende und Bovenden erwähnt Ecker-
Mann wohl nur, weil sie ihm als frühern Göttinger Studenten bekannt und interessant sind.
Am 21. und 22. Mai 1826 wurde Einbeck von einer furchtbaren Feuersbrunst heim¬
gesucht, der in der Tat fast fünfhundert Gebäude zum Opfer fielen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299930"/>
          <fw type="header" place="top"> Lckermann an Goethe</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_497" prev="#ID_496"> Wieder zu vöttiuZen hinaus. Die Postillone fuhren den langsamsten Schritt,<lb/>
entschädigten aber dafür durch ein so treffliches Hornbläser, wie ich es von<lb/>
solchen Leuten nie gehört habe. Der Postillon des Beywagens blies die zweyte<lb/>
Stimme und beyde trafen immer sehr gut zusammen. Der Jungfernkranz aus<lb/>
dem Freyschütz schien ihre Lieblingsmelodie zu seyn. Und so wäre denn 'Weder<lb/>
populär genug da ihn sogar die Postillone blasen. Alle Leute kamen zu Thüren<lb/>
und hörten zu. Als wir nachher durch Wedncle und Loveäsn*) fuhren, stimmten<lb/>
die Postillone ihre Melodieen wieder an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_498"> In der Nähe von Mrätreiin rechts von der Chaussee wo man das weite<lb/>
Thal hat, sah man in den Weiden an der Leine einige Hundert Pferde grasen.<lb/>
Der Abend war sehr schön. Vor zwey Jahren fuhr ich diesen Weg in dem-<lb/>
selbigen Wagen zur selbigen Stunde. Damals erquickte mich die Mondsichel,<lb/>
und auch sie stand wieder heute grade so wie vor zwey Jahren. Das war mir<lb/>
ein erwünschtes Zeichen, denn ich hatte in Weimar darauf gehoft, daß es so<lb/>
seyn möchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_499"> Nachts 1. Uhr waren wir in NndeeK^), 500. Gebende lagen in Asche, man<lb/>
sah in der Dämmerung der Nacht die gewöhnlichen Trümmer ragen, halbe<lb/>
Schornsteine und halbes Gemäuer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_500"> Am nächsten Mittag, Sonnabend den 10. ^uno, sahen wir die Stadt<lb/>
Hannover im Sonnenscheine vor uns liegen. Ich freute mich über die herrlichen<lb/>
Kornfelder des Calenberger Landes. Zwey Stunden vor Hannover hat man<lb/>
alle Berge die den Reisenden von Weimar her begleiten, hinter sich, es beginnt<lb/>
die große Ebene bis nach HaiuizurZ und die See. In der Fläche vor Nannover<lb/>
nach 6öttinAen zu ist der Boden schwer und zum Wciizcnbau wohl geeignet. Gleich<lb/>
hinter Hannover nach Harndur^ zu beginnet der Sand der Ilünelzur^er Herde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_501"> Bald nach 1. Uhr fuhr der Postwagen in die Straßen der Stadt Hannover<lb/>
herein. fDie dreizehn folgenden Zeilen des Briefes sind durch Streichung ganz<lb/>
unleserlich gemacht^ Das Ziel meiner Reise war aber dießmal nicht Hannover<lb/>
sondern LleeKecle, östlich von ImnednrA an der Elbe, 19. Meilen von Hannover,<lb/>
und es war verabredet, daß ein Bruder meiner Geliebten mich begleiten solle.<lb/>
^Wiederum sechs Zeilen Streichungen.^ Ich verwendete den Nachmittag zur<lb/>
Erholung und Vorbereitung zur ferneren Reise. Besuche machte ich bey niemanden.<lb/>
Nach einem Netourwcigcn nach Lslls sahen wir uns um und fanden ihn sogleich<lb/>
wie wir ihn nur wünschten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_502" next="#ID_503"> Am nächsten Morgen, Sonntag d. 11. ^uno, fuhren wir ab. Wir hatten<lb/>
bald mit dem Sande der I^ünewr^or Heide zu kämpfen, worin die Pferde ein<lb/>
mühsames Ziehen hatten. Der 6. Meilen lange Weg von Hannover bis LeUe,<lb/>
ist durchaus sandig, und, obgleich soviel befahren wie nur irgend ein Weg in</p><lb/>
          <note xml:id="FID_24" place="foot"> Die unmittelbar bei Göttingen liegenden Dörfer Weende und Bovenden erwähnt Ecker-<lb/>
Mann wohl nur, weil sie ihm als frühern Göttinger Studenten bekannt und interessant sind.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_25" place="foot"> Am 21. und 22. Mai 1826 wurde Einbeck von einer furchtbaren Feuersbrunst heim¬<lb/>
gesucht, der in der Tat fast fünfhundert Gebäude zum Opfer fielen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0143] Lckermann an Goethe Wieder zu vöttiuZen hinaus. Die Postillone fuhren den langsamsten Schritt, entschädigten aber dafür durch ein so treffliches Hornbläser, wie ich es von solchen Leuten nie gehört habe. Der Postillon des Beywagens blies die zweyte Stimme und beyde trafen immer sehr gut zusammen. Der Jungfernkranz aus dem Freyschütz schien ihre Lieblingsmelodie zu seyn. Und so wäre denn 'Weder populär genug da ihn sogar die Postillone blasen. Alle Leute kamen zu Thüren und hörten zu. Als wir nachher durch Wedncle und Loveäsn*) fuhren, stimmten die Postillone ihre Melodieen wieder an. In der Nähe von Mrätreiin rechts von der Chaussee wo man das weite Thal hat, sah man in den Weiden an der Leine einige Hundert Pferde grasen. Der Abend war sehr schön. Vor zwey Jahren fuhr ich diesen Weg in dem- selbigen Wagen zur selbigen Stunde. Damals erquickte mich die Mondsichel, und auch sie stand wieder heute grade so wie vor zwey Jahren. Das war mir ein erwünschtes Zeichen, denn ich hatte in Weimar darauf gehoft, daß es so seyn möchte. Nachts 1. Uhr waren wir in NndeeK^), 500. Gebende lagen in Asche, man sah in der Dämmerung der Nacht die gewöhnlichen Trümmer ragen, halbe Schornsteine und halbes Gemäuer. Am nächsten Mittag, Sonnabend den 10. ^uno, sahen wir die Stadt Hannover im Sonnenscheine vor uns liegen. Ich freute mich über die herrlichen Kornfelder des Calenberger Landes. Zwey Stunden vor Hannover hat man alle Berge die den Reisenden von Weimar her begleiten, hinter sich, es beginnt die große Ebene bis nach HaiuizurZ und die See. In der Fläche vor Nannover nach 6öttinAen zu ist der Boden schwer und zum Wciizcnbau wohl geeignet. Gleich hinter Hannover nach Harndur^ zu beginnet der Sand der Ilünelzur^er Herde. Bald nach 1. Uhr fuhr der Postwagen in die Straßen der Stadt Hannover herein. fDie dreizehn folgenden Zeilen des Briefes sind durch Streichung ganz unleserlich gemacht^ Das Ziel meiner Reise war aber dießmal nicht Hannover sondern LleeKecle, östlich von ImnednrA an der Elbe, 19. Meilen von Hannover, und es war verabredet, daß ein Bruder meiner Geliebten mich begleiten solle. ^Wiederum sechs Zeilen Streichungen.^ Ich verwendete den Nachmittag zur Erholung und Vorbereitung zur ferneren Reise. Besuche machte ich bey niemanden. Nach einem Netourwcigcn nach Lslls sahen wir uns um und fanden ihn sogleich wie wir ihn nur wünschten. Am nächsten Morgen, Sonntag d. 11. ^uno, fuhren wir ab. Wir hatten bald mit dem Sande der I^ünewr^or Heide zu kämpfen, worin die Pferde ein mühsames Ziehen hatten. Der 6. Meilen lange Weg von Hannover bis LeUe, ist durchaus sandig, und, obgleich soviel befahren wie nur irgend ein Weg in Die unmittelbar bei Göttingen liegenden Dörfer Weende und Bovenden erwähnt Ecker- Mann wohl nur, weil sie ihm als frühern Göttinger Studenten bekannt und interessant sind. Am 21. und 22. Mai 1826 wurde Einbeck von einer furchtbaren Feuersbrunst heim¬ gesucht, der in der Tat fast fünfhundert Gebäude zum Opfer fielen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/143
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/143>, abgerufen am 23.07.2024.