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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Lckennann an Goethe

er mir wie gerne er in >Veiing.r gewesen, besonders weil dort alles so bey ein¬
ander sey, und er sich in jedem Fall immer leicht habe Rath holen können. Die
Weimarische Bibliothek vermisse er sehr. Auch fehle es an Umgang mit geist¬
reichen Männern, er fühle sich hier sehr einsam. Über das Theater war er
voller Klagen. Die Idee für das Theater zu wirken habe ich aufgegeben,
sagte er, es ist ein vielköpfiges Wesen das nicht weiß wohin und das man
seinem Schicksale überlassen muß. Ich arbeite jetzt nur bloß, weil ich davon
leben muß, und mache es so wie man es haben will. Ich muß nun leider
auch bunte Decorationen malen, und seitdem Lxor in I,hio2iA gewesen ist, sind
brillante Farben nicht mehr genug, sondern ich muß nun auch das sogenannte
Folio mit anwenden, weil H. 8xc>r in Lsiv^iA gesehen hat daß das noch mehr
Effect macht. Bey der Vorstellung überschreit denn freylich eine solche Deco-
ration alle Figuren, und es ist als wenn man zur Guitarre die Trommel
schlägt; aber ich muß es machen und man muß das Publicum solange damit
füttern, bis es vielleicht nach dem Besseren zurückverlangt. 6ropius *) in I^eiMK
nehme bey diesem Verkehrten Geschmack des Publicums und dem übertriebenen
Beyfall den seine bunten Sachen erhalten, eine ganz verkehrte Richtung und
könne als junger im Tage befangener Mensch ganz zu Grunde gehen. Auch
von list war die Rede, der im Gegentheil zu weit gehe und den Shakspeare
ohne alle Decorationen aufgeführt haben wolle. SoliillKel**) in Lsrlin wurde
von Löntdsr auf das Höchste gelobt, in der Zeichnung übertreffe ihn keiner,
und wenn jemand seine Vorzüge mit dem Cholorit der Italiener vereinigen
könne, so sey das Vollkommenste zu erwarten. Er lobte an SoKiicksl den
immer strengen reinen Styl, dagegen tadelte er an den Italienern, daß sie alles
durcheinander mengen.

Auch von den hiesigen Schauspielern war viel die Rede und wenig zu
loben. Es ist kein Einziger, sagte Leutder, der gehörig reden kann. -- Jeder
spricht wie ihm der Schnabel gewachsen ist, es sind lauter Naturalisten, und
niemand will lernen. Auf die Goethsche Schule schimpfen alle, weil sie ihnen
unbequem ist, und weil sie zu etwas Höherem machen will, wozu man nicht
ohne Fleiß und Studium gelangen kann. Dabey sieht man denn daß jede
Maxime, die die Faulheit hinter sich hat, unüberwindlich ist. list hat in dieser
Hinsicht auch mehr gesündiget als er gut machen kann, indem er verschiedentlich
Ihre Schule verdächtig zu machen gesucht hat. Lsutluzr gedachte hiebey des
hohen Genusses, den er in V^hin-u' bey der Aufführung von guten Tragödien
gehabt, und die er bey keinem anderen Theater wieder in solcher Vollkommenheit
gefunden habe.




Karl Wilhelm Gropius (1793 bis 1870), berühmter Dekorationsmaler, schon seit 18S2
Mitglied der Berliner Akademie.
Schinkel war Goethe persönlich bekannt. Noch am 17. April 1826 hatte er ihn bei
seiner Durchreise in Weimar besucht.
Lckennann an Goethe

er mir wie gerne er in >Veiing.r gewesen, besonders weil dort alles so bey ein¬
ander sey, und er sich in jedem Fall immer leicht habe Rath holen können. Die
Weimarische Bibliothek vermisse er sehr. Auch fehle es an Umgang mit geist¬
reichen Männern, er fühle sich hier sehr einsam. Über das Theater war er
voller Klagen. Die Idee für das Theater zu wirken habe ich aufgegeben,
sagte er, es ist ein vielköpfiges Wesen das nicht weiß wohin und das man
seinem Schicksale überlassen muß. Ich arbeite jetzt nur bloß, weil ich davon
leben muß, und mache es so wie man es haben will. Ich muß nun leider
auch bunte Decorationen malen, und seitdem Lxor in I,hio2iA gewesen ist, sind
brillante Farben nicht mehr genug, sondern ich muß nun auch das sogenannte
Folio mit anwenden, weil H. 8xc>r in Lsiv^iA gesehen hat daß das noch mehr
Effect macht. Bey der Vorstellung überschreit denn freylich eine solche Deco-
ration alle Figuren, und es ist als wenn man zur Guitarre die Trommel
schlägt; aber ich muß es machen und man muß das Publicum solange damit
füttern, bis es vielleicht nach dem Besseren zurückverlangt. 6ropius *) in I^eiMK
nehme bey diesem Verkehrten Geschmack des Publicums und dem übertriebenen
Beyfall den seine bunten Sachen erhalten, eine ganz verkehrte Richtung und
könne als junger im Tage befangener Mensch ganz zu Grunde gehen. Auch
von list war die Rede, der im Gegentheil zu weit gehe und den Shakspeare
ohne alle Decorationen aufgeführt haben wolle. SoliillKel**) in Lsrlin wurde
von Löntdsr auf das Höchste gelobt, in der Zeichnung übertreffe ihn keiner,
und wenn jemand seine Vorzüge mit dem Cholorit der Italiener vereinigen
könne, so sey das Vollkommenste zu erwarten. Er lobte an SoKiicksl den
immer strengen reinen Styl, dagegen tadelte er an den Italienern, daß sie alles
durcheinander mengen.

Auch von den hiesigen Schauspielern war viel die Rede und wenig zu
loben. Es ist kein Einziger, sagte Leutder, der gehörig reden kann. — Jeder
spricht wie ihm der Schnabel gewachsen ist, es sind lauter Naturalisten, und
niemand will lernen. Auf die Goethsche Schule schimpfen alle, weil sie ihnen
unbequem ist, und weil sie zu etwas Höherem machen will, wozu man nicht
ohne Fleiß und Studium gelangen kann. Dabey sieht man denn daß jede
Maxime, die die Faulheit hinter sich hat, unüberwindlich ist. list hat in dieser
Hinsicht auch mehr gesündiget als er gut machen kann, indem er verschiedentlich
Ihre Schule verdächtig zu machen gesucht hat. Lsutluzr gedachte hiebey des
hohen Genusses, den er in V^hin-u' bey der Aufführung von guten Tragödien
gehabt, und die er bey keinem anderen Theater wieder in solcher Vollkommenheit
gefunden habe.




Karl Wilhelm Gropius (1793 bis 1870), berühmter Dekorationsmaler, schon seit 18S2
Mitglied der Berliner Akademie.
Schinkel war Goethe persönlich bekannt. Noch am 17. April 1826 hatte er ihn bei
seiner Durchreise in Weimar besucht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/139>, abgerufen am 23.07.2024.