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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Lckermann an Goethe

160. Mann zu Fuß und 60. Mann zu Pferde auf der Bühne einen Parade¬
marsch gemacht. Zehn Ankleidezimmer schloß er auf und man hatte mit Freuden
zu bemerken daß für die Bequemlichkeit der Schauspieler sehr viel geschehen,
während man bey dem neuen Hause in Weimar *) hieran fast gar nicht gedacht
hat. Außer den Ankleidezimmern zeigte man mir ein Sprechzimmer, worin man
sich durcheinander in den Zwischen Scenen aufhalte. In diesem Zimmer zählte
ich 8. mit grünem Dammast beschlagene Cancipee, auch stand ein Clavier darin,
denn dieses Zimmer wird zugleich zu kleinen Singproben benutzt. Die Ankleide¬
zimmer sind jedes zu 4. Personen.

Wache gehalten wird im Theater Tag und Nacht. Alle Stunde Nachts
muß ein Wächter im ganzen Theater die Runde machen. Um nun zu wissen
daß er zu jeder Stunde an jeder Stelle nachgesehen, so stehen an allen den
Plätzen die er zu besuchen hat sogenannte Wachtuhren die als Maschinen eine
lebendige Controlle führen. Von der Einrichtung dieser Uhren will ich mündlich
erzählen.

Die Decorationen gehen nicht umgerollt in die Höhe, sondern sie werden
zwey drehmal zusammengeschlagen. Lsntlisr sagte daß dieses Zusammenschlagen
den Decorationen nicht allein gar nichts schade, sondern daß es sie sogar vor
Staub und Qualm bewahre. Die Decorationen aber umgerollt in die Höhe zu
ziehen habe gar keinen Nutzen, sondern viele Nachtheile. Ganze Magazinen von
Decorationen zeigte man mir, die sich durch viele Jahre gehäuft haben. Von
den veralteten benutzt man hin und wieder die Leinewand.

Soviel vom Theater. Auf der Straße begegnete uns die kleine Roland**)
die ich nach der Beschreibung schon von Ferne erkannte. Ich richtete die auf¬
getragenen Grüße aus, sie war sehr freundlich, besonders schien der Dr. Lehnt?
in ihrem liebenswürdigen Andenken zu leben, sie erkundigte sich nach ihm auf
das Angelegentlichste. Sie sagte daß sie in 8. Tagen nach Hamburg reise um
dort Gastrollen zu geben; ich erwiederte daß ich vielleicht so glücklich seyn
könne sie dort zu sehen und zu hören, indem ich auch die Absicht habe/ diese
schöne Stadt zu besuchen. Wir schieden mit dem Wunsche eines baldigen
Wiedersehens.

Lond-nsrs Frau war abwesend in einem Bade, ich begleitete ihn nach seinem
Hause um Mittags mit ihm zu essen. Ich fand seine Zimmer wohl eingerichtet,
die Wände waren mit trefflichen Kupferstichen unter Glas und Rahmen be¬
hängen, so viel ihrer nur Platz finden konnten. Auch der berühmte Kupfer¬
stich von IiouM fehlte nicht. Freylich, sagte er, habe ich in die Sachen mehr
Geld gesteckt als billig, allein es gehört zu meinem Leben. Bey Tisch erzählte




Abgebrannt in der Nacht zum 22. Mnrz 1825 und in demselben Jahre von Coudray
wieder aufgebaut.
Demoiselle Roland (f 1833) wirkte von 1821 bis 1823 am Hoftheater in Weimar,
dann am Hoftheater in Kassel. Sie wurde kurfürstlich hessische Hofsängerin und trat als
solche vom 21. Juni bis zum 6. Juli 1826 im Stadttheater zu Hamburg als Gast auf.
Lckermann an Goethe

160. Mann zu Fuß und 60. Mann zu Pferde auf der Bühne einen Parade¬
marsch gemacht. Zehn Ankleidezimmer schloß er auf und man hatte mit Freuden
zu bemerken daß für die Bequemlichkeit der Schauspieler sehr viel geschehen,
während man bey dem neuen Hause in Weimar *) hieran fast gar nicht gedacht
hat. Außer den Ankleidezimmern zeigte man mir ein Sprechzimmer, worin man
sich durcheinander in den Zwischen Scenen aufhalte. In diesem Zimmer zählte
ich 8. mit grünem Dammast beschlagene Cancipee, auch stand ein Clavier darin,
denn dieses Zimmer wird zugleich zu kleinen Singproben benutzt. Die Ankleide¬
zimmer sind jedes zu 4. Personen.

Wache gehalten wird im Theater Tag und Nacht. Alle Stunde Nachts
muß ein Wächter im ganzen Theater die Runde machen. Um nun zu wissen
daß er zu jeder Stunde an jeder Stelle nachgesehen, so stehen an allen den
Plätzen die er zu besuchen hat sogenannte Wachtuhren die als Maschinen eine
lebendige Controlle führen. Von der Einrichtung dieser Uhren will ich mündlich
erzählen.

Die Decorationen gehen nicht umgerollt in die Höhe, sondern sie werden
zwey drehmal zusammengeschlagen. Lsntlisr sagte daß dieses Zusammenschlagen
den Decorationen nicht allein gar nichts schade, sondern daß es sie sogar vor
Staub und Qualm bewahre. Die Decorationen aber umgerollt in die Höhe zu
ziehen habe gar keinen Nutzen, sondern viele Nachtheile. Ganze Magazinen von
Decorationen zeigte man mir, die sich durch viele Jahre gehäuft haben. Von
den veralteten benutzt man hin und wieder die Leinewand.

Soviel vom Theater. Auf der Straße begegnete uns die kleine Roland**)
die ich nach der Beschreibung schon von Ferne erkannte. Ich richtete die auf¬
getragenen Grüße aus, sie war sehr freundlich, besonders schien der Dr. Lehnt?
in ihrem liebenswürdigen Andenken zu leben, sie erkundigte sich nach ihm auf
das Angelegentlichste. Sie sagte daß sie in 8. Tagen nach Hamburg reise um
dort Gastrollen zu geben; ich erwiederte daß ich vielleicht so glücklich seyn
könne sie dort zu sehen und zu hören, indem ich auch die Absicht habe/ diese
schöne Stadt zu besuchen. Wir schieden mit dem Wunsche eines baldigen
Wiedersehens.

Lond-nsrs Frau war abwesend in einem Bade, ich begleitete ihn nach seinem
Hause um Mittags mit ihm zu essen. Ich fand seine Zimmer wohl eingerichtet,
die Wände waren mit trefflichen Kupferstichen unter Glas und Rahmen be¬
hängen, so viel ihrer nur Platz finden konnten. Auch der berühmte Kupfer¬
stich von IiouM fehlte nicht. Freylich, sagte er, habe ich in die Sachen mehr
Geld gesteckt als billig, allein es gehört zu meinem Leben. Bey Tisch erzählte




Abgebrannt in der Nacht zum 22. Mnrz 1825 und in demselben Jahre von Coudray
wieder aufgebaut.
Demoiselle Roland (f 1833) wirkte von 1821 bis 1823 am Hoftheater in Weimar,
dann am Hoftheater in Kassel. Sie wurde kurfürstlich hessische Hofsängerin und trat als
solche vom 21. Juni bis zum 6. Juli 1826 im Stadttheater zu Hamburg als Gast auf.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/138>, abgerufen am 23.07.2024.