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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Reformen im Kongostaat

Um die Entwicklung der Privatunternehmungen zu begünstigen, bestimmt
ein Dekret, daß jährlich eine Liste der Domanialländereien veröffentlicht werden
soll, die zum Verkauf oder zur Verpachtung kommen, und die den Meist¬
bietenden ein öffentlichen Terminen zugesprochen werden sollen.

Zum Schluß wird ein Dekret veröffentlicht, das seine Entstehung der
persönlichen Initiative des Souveräns verdankt, und worin ein Preis von
200000 Franken ohne Unterschied der Nationalität für den bestimmt wird, der
ein Heilmittel gegen die Schlafkrankheit entdeckt, und ein Kredit von 300 000
Franken festgesetzt wird, der zur Entdeckung von Mitteln zur Behandlung und
zur Prophylaxe dieser Krankheit dienen soll.

Die kurze Aufzählung der Maßnahmen, die die Verwaltung des Kongo¬
staats ergriffen hat, genügt zur Erkenntnis ihrer Bedeutung. Sogar die Times
erkennt an, daß sie einen Schritt vorwärts bedeuten. Für jeden unparteiischen
Beobachter, der weniger anspruchsvoll ist als das Cityorgan und bei seinen
Erwägungen mehr die Schwierigkeiten in Rechnung zieht, die das Problem
einer jeden Kolonisation in Afrika bietet, scheinen die neuen Reformen einen
bedeutenden Fortschritt in sich zu schließen. Man kann in ihnen den festen
Willen des Königs Leopold erkennen, den philanthropischen Bestrebungen unsrer
Zeit und den legitimen Interessen des internationalen Handels Rechnung zu
tragen. Der Kongostaat hat in den neuen Dekreten seine innere, finanzielle und
wirtschaftliche Politik geregelt in einer Weise, die von seinem Pflichtbewußtsein
und von seiner Rücksicht auf die Zukunft zeugt. Er hat damit den Beweis
von politischer Begabung geliefert und mit seinem Gesetzeswerk für manche
andre Kolonialmächte in Afrika fruchtbare Inspirationen geschaffen. Das in
Aussicht genommne Eisenbahnnetz im obern Kongogebiete wird hoffentlich unserm
Reichstage die Veranlassung geben, die längst gewünschte deutschostafrikanische
Zentralbahn zu bewillige", da diese in Verbindung mit den Kongobahnen
sicher eine internationale Bedeutung und eine gesteigerte Rentabilität er¬
langen würde.

Angesichts der zahlreichen Reformen ist es nicht mehr als recht und billig,
dem Kongostaate Zeit zu lassen, und ohne g. xriori die Aufrichtigkeit seiner
Bestrebungen anzuzweifeln die Resultate abzuwarten. Jedenfalls liegt für uns
Deutsche bis auf weiteres keine Veranlassung vor, aus der Rolle des ab¬
wartenden Zuschauers herauszutreten.




Die Reformen im Kongostaat

Um die Entwicklung der Privatunternehmungen zu begünstigen, bestimmt
ein Dekret, daß jährlich eine Liste der Domanialländereien veröffentlicht werden
soll, die zum Verkauf oder zur Verpachtung kommen, und die den Meist¬
bietenden ein öffentlichen Terminen zugesprochen werden sollen.

Zum Schluß wird ein Dekret veröffentlicht, das seine Entstehung der
persönlichen Initiative des Souveräns verdankt, und worin ein Preis von
200000 Franken ohne Unterschied der Nationalität für den bestimmt wird, der
ein Heilmittel gegen die Schlafkrankheit entdeckt, und ein Kredit von 300 000
Franken festgesetzt wird, der zur Entdeckung von Mitteln zur Behandlung und
zur Prophylaxe dieser Krankheit dienen soll.

Die kurze Aufzählung der Maßnahmen, die die Verwaltung des Kongo¬
staats ergriffen hat, genügt zur Erkenntnis ihrer Bedeutung. Sogar die Times
erkennt an, daß sie einen Schritt vorwärts bedeuten. Für jeden unparteiischen
Beobachter, der weniger anspruchsvoll ist als das Cityorgan und bei seinen
Erwägungen mehr die Schwierigkeiten in Rechnung zieht, die das Problem
einer jeden Kolonisation in Afrika bietet, scheinen die neuen Reformen einen
bedeutenden Fortschritt in sich zu schließen. Man kann in ihnen den festen
Willen des Königs Leopold erkennen, den philanthropischen Bestrebungen unsrer
Zeit und den legitimen Interessen des internationalen Handels Rechnung zu
tragen. Der Kongostaat hat in den neuen Dekreten seine innere, finanzielle und
wirtschaftliche Politik geregelt in einer Weise, die von seinem Pflichtbewußtsein
und von seiner Rücksicht auf die Zukunft zeugt. Er hat damit den Beweis
von politischer Begabung geliefert und mit seinem Gesetzeswerk für manche
andre Kolonialmächte in Afrika fruchtbare Inspirationen geschaffen. Das in
Aussicht genommne Eisenbahnnetz im obern Kongogebiete wird hoffentlich unserm
Reichstage die Veranlassung geben, die längst gewünschte deutschostafrikanische
Zentralbahn zu bewillige», da diese in Verbindung mit den Kongobahnen
sicher eine internationale Bedeutung und eine gesteigerte Rentabilität er¬
langen würde.

Angesichts der zahlreichen Reformen ist es nicht mehr als recht und billig,
dem Kongostaate Zeit zu lassen, und ohne g. xriori die Aufrichtigkeit seiner
Bestrebungen anzuzweifeln die Resultate abzuwarten. Jedenfalls liegt für uns
Deutsche bis auf weiteres keine Veranlassung vor, aus der Rolle des ab¬
wartenden Zuschauers herauszutreten.




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[0129] Die Reformen im Kongostaat Um die Entwicklung der Privatunternehmungen zu begünstigen, bestimmt ein Dekret, daß jährlich eine Liste der Domanialländereien veröffentlicht werden soll, die zum Verkauf oder zur Verpachtung kommen, und die den Meist¬ bietenden ein öffentlichen Terminen zugesprochen werden sollen. Zum Schluß wird ein Dekret veröffentlicht, das seine Entstehung der persönlichen Initiative des Souveräns verdankt, und worin ein Preis von 200000 Franken ohne Unterschied der Nationalität für den bestimmt wird, der ein Heilmittel gegen die Schlafkrankheit entdeckt, und ein Kredit von 300 000 Franken festgesetzt wird, der zur Entdeckung von Mitteln zur Behandlung und zur Prophylaxe dieser Krankheit dienen soll. Die kurze Aufzählung der Maßnahmen, die die Verwaltung des Kongo¬ staats ergriffen hat, genügt zur Erkenntnis ihrer Bedeutung. Sogar die Times erkennt an, daß sie einen Schritt vorwärts bedeuten. Für jeden unparteiischen Beobachter, der weniger anspruchsvoll ist als das Cityorgan und bei seinen Erwägungen mehr die Schwierigkeiten in Rechnung zieht, die das Problem einer jeden Kolonisation in Afrika bietet, scheinen die neuen Reformen einen bedeutenden Fortschritt in sich zu schließen. Man kann in ihnen den festen Willen des Königs Leopold erkennen, den philanthropischen Bestrebungen unsrer Zeit und den legitimen Interessen des internationalen Handels Rechnung zu tragen. Der Kongostaat hat in den neuen Dekreten seine innere, finanzielle und wirtschaftliche Politik geregelt in einer Weise, die von seinem Pflichtbewußtsein und von seiner Rücksicht auf die Zukunft zeugt. Er hat damit den Beweis von politischer Begabung geliefert und mit seinem Gesetzeswerk für manche andre Kolonialmächte in Afrika fruchtbare Inspirationen geschaffen. Das in Aussicht genommne Eisenbahnnetz im obern Kongogebiete wird hoffentlich unserm Reichstage die Veranlassung geben, die längst gewünschte deutschostafrikanische Zentralbahn zu bewillige», da diese in Verbindung mit den Kongobahnen sicher eine internationale Bedeutung und eine gesteigerte Rentabilität er¬ langen würde. Angesichts der zahlreichen Reformen ist es nicht mehr als recht und billig, dem Kongostaate Zeit zu lassen, und ohne g. xriori die Aufrichtigkeit seiner Bestrebungen anzuzweifeln die Resultate abzuwarten. Jedenfalls liegt für uns Deutsche bis auf weiteres keine Veranlassung vor, aus der Rolle des ab¬ wartenden Zuschauers herauszutreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/129>, abgerufen am 25.08.2024.