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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Anastasius Grün

Und wenn der Politiker 1862 erklärte: "Ich bin ein Idealist, d. h. einer, der
das Gute anstrebt, also ein Anhänger der Preßfreiheit," und ferner: "Wie
das Eisen das materielle Leben der Jetztzeit, so beherrscht die Arbeit des
Gedankens das geistige Leben der Gegenwart, und die Leichtigkeit, womit
heutzutage Ideen in dieser oder jener Form ins Volk gebracht werden können,
spottet der unmüchtigen Einengung durch tote Paragraphen" -- so stieß der
Poet in dasselbe Horn, wenn er von den Häschern der Zensur sang:

Der Staatsmann dachte eben wie der Dichter, und umgekehrt der Dichter wie
der Staatsmann.

Übrigens hatte ihn der krainische Großgrundbesitz seit 1861 auch wieder
als Abgeordneten in den krainischen Landtag gewählt, wo er als der gründ¬
lichste Kenner des verzwickten Steuersystems galt. Im Jahre 1863 erhielt
er den Geheimratstitel und das Prädikat Exzellenz. Aber er blieb gesinnt, wie
er war. Das zeigte sich 1864 im Januar, wo er wieder, wie so oft, in der
schärfsten Tonart gegen die Schutztruppe des Konkordats, besonders gegen den
Grafen Thun und den Kardinal Rauscher zu Felde zog und die Notwendigkeit
einer Durchsicht hervorhob. Damals sagte er unter andern:: "Man kann
die Freiheit nicht vom Rechtsbegriff trennen, und man kann die Freiheit
lieben, ohne mit seinem Adel oder mit der Religion in Widerspruch zu ge¬
raten." -- Herzerfrischend ist auch die Art, mit der er in demselben Jahre die
slowenischen Gelüste abfertigte. Die Slowene" hatten die Nativualitätsfahue
zum Kampfe gegen das Deutschtum entfaltet und sich sogar zu der unsinnigen
Forderung verstiegen, die deutschen Schulen und Beamten, ja das deutsche
Theater müßten abgeschafft werden. Da kam Auersperg in die Landstube,
mit zwei Büchern unteren Arm, und sagte: "Das ist die ganze slowenische
Literatur!" Es waren die Bibelübersetzung vom Primus Trüber aus der
Reformationszeit und die Gedichte Presirens, dessen Unterricht der Graf im
Klinckowströmschen Institut genossen hatte. Und wie der Politiker in lapidaren
Stil den lächerlichen Dünkel des "interessanten" Nationchens gekennzeichnet
hatte, so hieb der Dichter in dieselbe Kerbe:

Deutsch sein heißt: offne Freundesarme
Für alle Menschen ausgespannt,
Im Herzen doch die ewigwarme.
Die einzge Liebe: Vaterland!
Deutsch sein heißt! sinnen, ringen, schaffen,
Gedanken san, nach Sternen spähn
Und Blumen ziehn, doch stets in Waffen
Für das bedrohte Eigen stehn!

Grenzboten II 1906 11
Anastasius Grün

Und wenn der Politiker 1862 erklärte: „Ich bin ein Idealist, d. h. einer, der
das Gute anstrebt, also ein Anhänger der Preßfreiheit," und ferner: „Wie
das Eisen das materielle Leben der Jetztzeit, so beherrscht die Arbeit des
Gedankens das geistige Leben der Gegenwart, und die Leichtigkeit, womit
heutzutage Ideen in dieser oder jener Form ins Volk gebracht werden können,
spottet der unmüchtigen Einengung durch tote Paragraphen" — so stieß der
Poet in dasselbe Horn, wenn er von den Häschern der Zensur sang:

Der Staatsmann dachte eben wie der Dichter, und umgekehrt der Dichter wie
der Staatsmann.

Übrigens hatte ihn der krainische Großgrundbesitz seit 1861 auch wieder
als Abgeordneten in den krainischen Landtag gewählt, wo er als der gründ¬
lichste Kenner des verzwickten Steuersystems galt. Im Jahre 1863 erhielt
er den Geheimratstitel und das Prädikat Exzellenz. Aber er blieb gesinnt, wie
er war. Das zeigte sich 1864 im Januar, wo er wieder, wie so oft, in der
schärfsten Tonart gegen die Schutztruppe des Konkordats, besonders gegen den
Grafen Thun und den Kardinal Rauscher zu Felde zog und die Notwendigkeit
einer Durchsicht hervorhob. Damals sagte er unter andern:: „Man kann
die Freiheit nicht vom Rechtsbegriff trennen, und man kann die Freiheit
lieben, ohne mit seinem Adel oder mit der Religion in Widerspruch zu ge¬
raten." — Herzerfrischend ist auch die Art, mit der er in demselben Jahre die
slowenischen Gelüste abfertigte. Die Slowene» hatten die Nativualitätsfahue
zum Kampfe gegen das Deutschtum entfaltet und sich sogar zu der unsinnigen
Forderung verstiegen, die deutschen Schulen und Beamten, ja das deutsche
Theater müßten abgeschafft werden. Da kam Auersperg in die Landstube,
mit zwei Büchern unteren Arm, und sagte: „Das ist die ganze slowenische
Literatur!" Es waren die Bibelübersetzung vom Primus Trüber aus der
Reformationszeit und die Gedichte Presirens, dessen Unterricht der Graf im
Klinckowströmschen Institut genossen hatte. Und wie der Politiker in lapidaren
Stil den lächerlichen Dünkel des „interessanten" Nationchens gekennzeichnet
hatte, so hieb der Dichter in dieselbe Kerbe:

Deutsch sein heißt: offne Freundesarme
Für alle Menschen ausgespannt,
Im Herzen doch die ewigwarme.
Die einzge Liebe: Vaterland!
Deutsch sein heißt! sinnen, ringen, schaffen,
Gedanken san, nach Sternen spähn
Und Blumen ziehn, doch stets in Waffen
Für das bedrohte Eigen stehn!

Grenzboten II 1906 11
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[0091] Anastasius Grün Und wenn der Politiker 1862 erklärte: „Ich bin ein Idealist, d. h. einer, der das Gute anstrebt, also ein Anhänger der Preßfreiheit," und ferner: „Wie das Eisen das materielle Leben der Jetztzeit, so beherrscht die Arbeit des Gedankens das geistige Leben der Gegenwart, und die Leichtigkeit, womit heutzutage Ideen in dieser oder jener Form ins Volk gebracht werden können, spottet der unmüchtigen Einengung durch tote Paragraphen" — so stieß der Poet in dasselbe Horn, wenn er von den Häschern der Zensur sang: Der Staatsmann dachte eben wie der Dichter, und umgekehrt der Dichter wie der Staatsmann. Übrigens hatte ihn der krainische Großgrundbesitz seit 1861 auch wieder als Abgeordneten in den krainischen Landtag gewählt, wo er als der gründ¬ lichste Kenner des verzwickten Steuersystems galt. Im Jahre 1863 erhielt er den Geheimratstitel und das Prädikat Exzellenz. Aber er blieb gesinnt, wie er war. Das zeigte sich 1864 im Januar, wo er wieder, wie so oft, in der schärfsten Tonart gegen die Schutztruppe des Konkordats, besonders gegen den Grafen Thun und den Kardinal Rauscher zu Felde zog und die Notwendigkeit einer Durchsicht hervorhob. Damals sagte er unter andern:: „Man kann die Freiheit nicht vom Rechtsbegriff trennen, und man kann die Freiheit lieben, ohne mit seinem Adel oder mit der Religion in Widerspruch zu ge¬ raten." — Herzerfrischend ist auch die Art, mit der er in demselben Jahre die slowenischen Gelüste abfertigte. Die Slowene» hatten die Nativualitätsfahue zum Kampfe gegen das Deutschtum entfaltet und sich sogar zu der unsinnigen Forderung verstiegen, die deutschen Schulen und Beamten, ja das deutsche Theater müßten abgeschafft werden. Da kam Auersperg in die Landstube, mit zwei Büchern unteren Arm, und sagte: „Das ist die ganze slowenische Literatur!" Es waren die Bibelübersetzung vom Primus Trüber aus der Reformationszeit und die Gedichte Presirens, dessen Unterricht der Graf im Klinckowströmschen Institut genossen hatte. Und wie der Politiker in lapidaren Stil den lächerlichen Dünkel des „interessanten" Nationchens gekennzeichnet hatte, so hieb der Dichter in dieselbe Kerbe: Deutsch sein heißt: offne Freundesarme Für alle Menschen ausgespannt, Im Herzen doch die ewigwarme. Die einzge Liebe: Vaterland! Deutsch sein heißt! sinnen, ringen, schaffen, Gedanken san, nach Sternen spähn Und Blumen ziehn, doch stets in Waffen Für das bedrohte Eigen stehn! Grenzboten II 1906 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/91>, abgerufen am 24.07.2024.