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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Einzelstaaten ernannt werden sollten, vorgesehen. Selbstverständlich dürfte
das Oberhaus weder "Mntitö n6ssIiAös,oIö noch ein Hemmschuh in den Reichs¬
geschäften sein. Ursprünglich war dem Bundesrat der Charakter einer Art von
"Staatenhaus" zugedacht. Den hat er mit der Ausgestaltung der Reichsämter
längst eingebüßt und neben diesen oder richtiger über diesen die Stellung eines
Staatsrath angenommen, der zugleich die Souveränität der Einzelstaaten wahr¬
nimmt.

In der Presse ist es als auffällig bezeichnet worden, daß der Staatssekretär
des Reichsmarineamts der Kieler Woche fernbleibt und sich dort vertreten läßt,
anscheinend von interessierter Seite ist sogar ein Abschiedsgesuch daraus gemacht
worden, zu dem sachlich nicht der geringste Grund vorliegt. Der Hinweis auf einen
erst vorhergegangnen Urlaub ist dabei ebenso verfehlt wie der andre, daß eine Aus¬
zeichnung nach Annahme des Flottengesetzes ausgeblieben sei. Der Staatssekretär
hat zu Ostern auf vierzehn Tage seine in Se. Blasien im Schwarzwalde liegende
Villa aufgesucht, und was die vermißte Auszeichnung anlangt, so darf wohl daran
erinnert werden, daß das jetzige Flottengesetz tatsächlich nur eine Ergänzung zu dem
von 1900 ist, es würde darum eine neue Auszeichnung vielleicht auffälliger ge¬
wesen sein als deren Unterbleiben. Bekannt ist, daß sich der Staatssekretär der
besondern Wertschätzung des Prinzen Heinrich erfreut, und da der Prinz zum Herbst
die obere Führung der Schlachtenflotte übernimmt, besteht für den Staatssekretär,
zumal bei seinen guten Beziehungen zum Reichskanzler, um so weniger ein Grund
zu einem Abschiedsgesuch, als es ihm auch noch in jüngster Zeit an wohlwollender
Anerkennung seitens des Kaisers wohl nicht gefehlt hat. Solche braucht doch gerade
nicht immer in Orden ihren Ausdruck zu finden. Heutzutage urteilt alle Welt
nach Äußerlichkeiten, Männer wie Admiral von Tirpitz müssen aber doch anders
eingeschätzt werden.

Der Staatssekretär gebraucht gegenwärtig eine Kur in Nauheim, und Nauheim
ist bekanntlich ein Bad, das nicht mit sich spaßen läßt. Wer sich daran erinnert, daß der
Admiral im Jahre 1897 leidend aus Ostasien heimkehrte, damals sofort Bad Ems
aufsuchen mußte und seitdem neun arbeitsreiche Jahre voller ernster Schwierigkeiten,
nach allen Richtungen hin, zurückgelegt hat, wird sich nicht wundern dürfen, daß auch
diese geniale und unermüdliche Arbeitskraft nachläßt und einer sehr gründlichen
Auffrischung bedarf. Die Vorgänge im Flottenverein, von denen ja nur wenig, und
das Wenige nicht authentisch, an die Öffentlichkeit gelangt ist, sind ein schwaches
Spiegelbild der Schwierigkeiten, unter denen jede neue Flottenvorlage zustande
kommt, nicht nur diese, sondern auch der alljährliche Etatsentwurf. Zwischen der
Aufstellung einer Vorlage im Reichsmarineamt bis zur Genehmigung durch den
Reichstag ändern sich nicht selten mancherlei Verhältnisse, die auf den Grund¬
gedanken der Vorlage nicht ohne Einfluß waren, und es muß dann wieder in eine
sehr sorgfältige und in der Regel auch recht sorgenvolle Erörterung eingetreten
werden, ob und inwieweit den veränderten Verhältnissen noch während der Be¬
handlung der Vorlage im Reichstage Rechnung getragen werden kann. Da es sich
dann gewöhnlich doch um bedeutende Mehrkosten handelt, ist mit der patriotischen
Beurteilung allein kein Geschäft zu machen; die allgemeine Finanzlage spielt sowohl
beim Reichsschatzamt und vor allem beim Reichstage selbst die entscheidende Rolle.

Die jetzige Leitung des Reichsmarineamts hat es vorgezogen, sich maßvolle
Forderungen durch eine große Majorität bewilligen zu lassen, anstatt größere durch
eine noch stärkere Majorität abgelehnt zu sehen. Die Frage, ob und was beim
Reichstag etwa noch erreicht werden könnte, und was erreicht werden muß, kann
nur von Fall zu Fall rein sachlich geprüft werden; bis jetzt hat der Staatssekretär den
gegenteiligen Strömungen gegenüber, so patriotisch deren Motive auch waren, Recht
behalten. Es ist sein großes bleibendes Verdienst, das erst später im vollen Um¬
fange klar werden wird, daß er das Flottengesetz von 1900 vor der Durchbrechung
bewahrte. Was nun die Kieler Woche anlangt, so hat der Staatssekretär des Reichs-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Einzelstaaten ernannt werden sollten, vorgesehen. Selbstverständlich dürfte
das Oberhaus weder »Mntitö n6ssIiAös,oIö noch ein Hemmschuh in den Reichs¬
geschäften sein. Ursprünglich war dem Bundesrat der Charakter einer Art von
„Staatenhaus" zugedacht. Den hat er mit der Ausgestaltung der Reichsämter
längst eingebüßt und neben diesen oder richtiger über diesen die Stellung eines
Staatsrath angenommen, der zugleich die Souveränität der Einzelstaaten wahr¬
nimmt.

In der Presse ist es als auffällig bezeichnet worden, daß der Staatssekretär
des Reichsmarineamts der Kieler Woche fernbleibt und sich dort vertreten läßt,
anscheinend von interessierter Seite ist sogar ein Abschiedsgesuch daraus gemacht
worden, zu dem sachlich nicht der geringste Grund vorliegt. Der Hinweis auf einen
erst vorhergegangnen Urlaub ist dabei ebenso verfehlt wie der andre, daß eine Aus¬
zeichnung nach Annahme des Flottengesetzes ausgeblieben sei. Der Staatssekretär
hat zu Ostern auf vierzehn Tage seine in Se. Blasien im Schwarzwalde liegende
Villa aufgesucht, und was die vermißte Auszeichnung anlangt, so darf wohl daran
erinnert werden, daß das jetzige Flottengesetz tatsächlich nur eine Ergänzung zu dem
von 1900 ist, es würde darum eine neue Auszeichnung vielleicht auffälliger ge¬
wesen sein als deren Unterbleiben. Bekannt ist, daß sich der Staatssekretär der
besondern Wertschätzung des Prinzen Heinrich erfreut, und da der Prinz zum Herbst
die obere Führung der Schlachtenflotte übernimmt, besteht für den Staatssekretär,
zumal bei seinen guten Beziehungen zum Reichskanzler, um so weniger ein Grund
zu einem Abschiedsgesuch, als es ihm auch noch in jüngster Zeit an wohlwollender
Anerkennung seitens des Kaisers wohl nicht gefehlt hat. Solche braucht doch gerade
nicht immer in Orden ihren Ausdruck zu finden. Heutzutage urteilt alle Welt
nach Äußerlichkeiten, Männer wie Admiral von Tirpitz müssen aber doch anders
eingeschätzt werden.

Der Staatssekretär gebraucht gegenwärtig eine Kur in Nauheim, und Nauheim
ist bekanntlich ein Bad, das nicht mit sich spaßen läßt. Wer sich daran erinnert, daß der
Admiral im Jahre 1897 leidend aus Ostasien heimkehrte, damals sofort Bad Ems
aufsuchen mußte und seitdem neun arbeitsreiche Jahre voller ernster Schwierigkeiten,
nach allen Richtungen hin, zurückgelegt hat, wird sich nicht wundern dürfen, daß auch
diese geniale und unermüdliche Arbeitskraft nachläßt und einer sehr gründlichen
Auffrischung bedarf. Die Vorgänge im Flottenverein, von denen ja nur wenig, und
das Wenige nicht authentisch, an die Öffentlichkeit gelangt ist, sind ein schwaches
Spiegelbild der Schwierigkeiten, unter denen jede neue Flottenvorlage zustande
kommt, nicht nur diese, sondern auch der alljährliche Etatsentwurf. Zwischen der
Aufstellung einer Vorlage im Reichsmarineamt bis zur Genehmigung durch den
Reichstag ändern sich nicht selten mancherlei Verhältnisse, die auf den Grund¬
gedanken der Vorlage nicht ohne Einfluß waren, und es muß dann wieder in eine
sehr sorgfältige und in der Regel auch recht sorgenvolle Erörterung eingetreten
werden, ob und inwieweit den veränderten Verhältnissen noch während der Be¬
handlung der Vorlage im Reichstage Rechnung getragen werden kann. Da es sich
dann gewöhnlich doch um bedeutende Mehrkosten handelt, ist mit der patriotischen
Beurteilung allein kein Geschäft zu machen; die allgemeine Finanzlage spielt sowohl
beim Reichsschatzamt und vor allem beim Reichstage selbst die entscheidende Rolle.

Die jetzige Leitung des Reichsmarineamts hat es vorgezogen, sich maßvolle
Forderungen durch eine große Majorität bewilligen zu lassen, anstatt größere durch
eine noch stärkere Majorität abgelehnt zu sehen. Die Frage, ob und was beim
Reichstag etwa noch erreicht werden könnte, und was erreicht werden muß, kann
nur von Fall zu Fall rein sachlich geprüft werden; bis jetzt hat der Staatssekretär den
gegenteiligen Strömungen gegenüber, so patriotisch deren Motive auch waren, Recht
behalten. Es ist sein großes bleibendes Verdienst, das erst später im vollen Um¬
fange klar werden wird, daß er das Flottengesetz von 1900 vor der Durchbrechung
bewahrte. Was nun die Kieler Woche anlangt, so hat der Staatssekretär des Reichs-


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[0677] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Einzelstaaten ernannt werden sollten, vorgesehen. Selbstverständlich dürfte das Oberhaus weder »Mntitö n6ssIiAös,oIö noch ein Hemmschuh in den Reichs¬ geschäften sein. Ursprünglich war dem Bundesrat der Charakter einer Art von „Staatenhaus" zugedacht. Den hat er mit der Ausgestaltung der Reichsämter längst eingebüßt und neben diesen oder richtiger über diesen die Stellung eines Staatsrath angenommen, der zugleich die Souveränität der Einzelstaaten wahr¬ nimmt. In der Presse ist es als auffällig bezeichnet worden, daß der Staatssekretär des Reichsmarineamts der Kieler Woche fernbleibt und sich dort vertreten läßt, anscheinend von interessierter Seite ist sogar ein Abschiedsgesuch daraus gemacht worden, zu dem sachlich nicht der geringste Grund vorliegt. Der Hinweis auf einen erst vorhergegangnen Urlaub ist dabei ebenso verfehlt wie der andre, daß eine Aus¬ zeichnung nach Annahme des Flottengesetzes ausgeblieben sei. Der Staatssekretär hat zu Ostern auf vierzehn Tage seine in Se. Blasien im Schwarzwalde liegende Villa aufgesucht, und was die vermißte Auszeichnung anlangt, so darf wohl daran erinnert werden, daß das jetzige Flottengesetz tatsächlich nur eine Ergänzung zu dem von 1900 ist, es würde darum eine neue Auszeichnung vielleicht auffälliger ge¬ wesen sein als deren Unterbleiben. Bekannt ist, daß sich der Staatssekretär der besondern Wertschätzung des Prinzen Heinrich erfreut, und da der Prinz zum Herbst die obere Führung der Schlachtenflotte übernimmt, besteht für den Staatssekretär, zumal bei seinen guten Beziehungen zum Reichskanzler, um so weniger ein Grund zu einem Abschiedsgesuch, als es ihm auch noch in jüngster Zeit an wohlwollender Anerkennung seitens des Kaisers wohl nicht gefehlt hat. Solche braucht doch gerade nicht immer in Orden ihren Ausdruck zu finden. Heutzutage urteilt alle Welt nach Äußerlichkeiten, Männer wie Admiral von Tirpitz müssen aber doch anders eingeschätzt werden. Der Staatssekretär gebraucht gegenwärtig eine Kur in Nauheim, und Nauheim ist bekanntlich ein Bad, das nicht mit sich spaßen läßt. Wer sich daran erinnert, daß der Admiral im Jahre 1897 leidend aus Ostasien heimkehrte, damals sofort Bad Ems aufsuchen mußte und seitdem neun arbeitsreiche Jahre voller ernster Schwierigkeiten, nach allen Richtungen hin, zurückgelegt hat, wird sich nicht wundern dürfen, daß auch diese geniale und unermüdliche Arbeitskraft nachläßt und einer sehr gründlichen Auffrischung bedarf. Die Vorgänge im Flottenverein, von denen ja nur wenig, und das Wenige nicht authentisch, an die Öffentlichkeit gelangt ist, sind ein schwaches Spiegelbild der Schwierigkeiten, unter denen jede neue Flottenvorlage zustande kommt, nicht nur diese, sondern auch der alljährliche Etatsentwurf. Zwischen der Aufstellung einer Vorlage im Reichsmarineamt bis zur Genehmigung durch den Reichstag ändern sich nicht selten mancherlei Verhältnisse, die auf den Grund¬ gedanken der Vorlage nicht ohne Einfluß waren, und es muß dann wieder in eine sehr sorgfältige und in der Regel auch recht sorgenvolle Erörterung eingetreten werden, ob und inwieweit den veränderten Verhältnissen noch während der Be¬ handlung der Vorlage im Reichstage Rechnung getragen werden kann. Da es sich dann gewöhnlich doch um bedeutende Mehrkosten handelt, ist mit der patriotischen Beurteilung allein kein Geschäft zu machen; die allgemeine Finanzlage spielt sowohl beim Reichsschatzamt und vor allem beim Reichstage selbst die entscheidende Rolle. Die jetzige Leitung des Reichsmarineamts hat es vorgezogen, sich maßvolle Forderungen durch eine große Majorität bewilligen zu lassen, anstatt größere durch eine noch stärkere Majorität abgelehnt zu sehen. Die Frage, ob und was beim Reichstag etwa noch erreicht werden könnte, und was erreicht werden muß, kann nur von Fall zu Fall rein sachlich geprüft werden; bis jetzt hat der Staatssekretär den gegenteiligen Strömungen gegenüber, so patriotisch deren Motive auch waren, Recht behalten. Es ist sein großes bleibendes Verdienst, das erst später im vollen Um¬ fange klar werden wird, daß er das Flottengesetz von 1900 vor der Durchbrechung bewahrte. Was nun die Kieler Woche anlangt, so hat der Staatssekretär des Reichs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/677>, abgerufen am 24.07.2024.