Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ver Bopparder Krieg

Wir schreiben heut erst den zwölften, hochedelgeborne und ehrwürdige Frau,
und der Feind wird nicht vor Sankt Johannisabend vor die Stadt rücken. Ein
löblicher Rat hat deshalb beschlossen, das Vieh erst am einundzwanzigsten aus den
Dörfern zu holen, also daß man zuvor nicht unnütze Arbeit mit dem Warten und
dem Füttern hat.

Wenn es alsdann nur nicht zu spät ist, bemerkte die Äbtissin nachdenklich,
aber das mag des Rates Sorge sein. Wie stehts mit denen in der Burg?

Sind wohl verwahrt, Hochedelgeborne, nicht anders denn die Mäuslein in
der Falle.

Regina hat mir erzählt, daß sie Hunger leiden.

Metzler machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: Also bleiben sie
vor der Sünde der Völlerei bewahrt. Was kümmerts die Gin?

Eure Tochter hat mit den Leuten ein christliches Erbarmen, Metzler. Daß
Ihr sie mir deshalb nur nicht scheltet! Hab ihr selber schon einen Sermon ge¬
halten, sonderlich weil sie den Stadtknechten ihrer Wachsamkeit halber Übles wünschte.
Aber eine kleine Strafe soll sie doch haben. Meint Ihr nicht auch?

Metzler rieb sich die Hände. Er wußte offenbar nicht recht, worauf die
Domina hinauswollte.

Eine Strafe könnt der Gin nicht schaden, sagte er endlich, sonderlich da sich
heimlich mit den Kurfürstlichen hält, ob ihr Vater gleich im Rate sitzt.

Seht, das ists, warum ich ihr eine Buße auferlegen möchte, sagte die Äbtissin.
Und wißt Ihr, worin die bestehn soll? Regina muß den Knechten selbst eine
Liebnis an Wein hinausbringen -- natürlich in meinem Namen. Von der Greifenklau
Zeiten her müssen im Keller noch etliche Fäßlein Malvasier liegen --

Nur noch zwei, Hochedelgeborne. Es waren vordem vier, aber eins ist bei
Eurer seligen Vorgängerin Gräbnis getrunken worden, das andre, als die von
Mcmderschetd Profeß tat.

Wißt Ihr, wieviel die Fäßlein halten?

Das große eine halbe Ohm, das kleine vielleicht vier Sester.

Gut. So soll der Balthes das kleine auf ein Wägelein laden und vor die
Burg fahren, und Eure Tochter mag angehn und es den Knechten darreichen.
Aber erst in der Nacht zum Samstag, wenn die Guardia auf dem Leinpfad steht,
die neulich die Hämmel erwischt hat.

Hat die Domina sonst noch Befehle?

Weiter keine.

Metzler verneigte sich und zog sich zurück. Er hätte gar zu gern seinem Be¬
fremden darüber Ausdruck gegeben, daß der kostbare, starke griechische Wein an die
städtischen Knechte verschwendet werden sollte, für die doch der saure Filsener auch
genügt hätte, aber er wußte, daß die hohe Frau keine Widerrede duldete, und zog
es deshalb vor, seine Meinung für sich zu behalten.

(Fortsetzung folgt)




Ver Bopparder Krieg

Wir schreiben heut erst den zwölften, hochedelgeborne und ehrwürdige Frau,
und der Feind wird nicht vor Sankt Johannisabend vor die Stadt rücken. Ein
löblicher Rat hat deshalb beschlossen, das Vieh erst am einundzwanzigsten aus den
Dörfern zu holen, also daß man zuvor nicht unnütze Arbeit mit dem Warten und
dem Füttern hat.

Wenn es alsdann nur nicht zu spät ist, bemerkte die Äbtissin nachdenklich,
aber das mag des Rates Sorge sein. Wie stehts mit denen in der Burg?

Sind wohl verwahrt, Hochedelgeborne, nicht anders denn die Mäuslein in
der Falle.

Regina hat mir erzählt, daß sie Hunger leiden.

Metzler machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: Also bleiben sie
vor der Sünde der Völlerei bewahrt. Was kümmerts die Gin?

Eure Tochter hat mit den Leuten ein christliches Erbarmen, Metzler. Daß
Ihr sie mir deshalb nur nicht scheltet! Hab ihr selber schon einen Sermon ge¬
halten, sonderlich weil sie den Stadtknechten ihrer Wachsamkeit halber Übles wünschte.
Aber eine kleine Strafe soll sie doch haben. Meint Ihr nicht auch?

Metzler rieb sich die Hände. Er wußte offenbar nicht recht, worauf die
Domina hinauswollte.

Eine Strafe könnt der Gin nicht schaden, sagte er endlich, sonderlich da sich
heimlich mit den Kurfürstlichen hält, ob ihr Vater gleich im Rate sitzt.

Seht, das ists, warum ich ihr eine Buße auferlegen möchte, sagte die Äbtissin.
Und wißt Ihr, worin die bestehn soll? Regina muß den Knechten selbst eine
Liebnis an Wein hinausbringen — natürlich in meinem Namen. Von der Greifenklau
Zeiten her müssen im Keller noch etliche Fäßlein Malvasier liegen —

Nur noch zwei, Hochedelgeborne. Es waren vordem vier, aber eins ist bei
Eurer seligen Vorgängerin Gräbnis getrunken worden, das andre, als die von
Mcmderschetd Profeß tat.

Wißt Ihr, wieviel die Fäßlein halten?

Das große eine halbe Ohm, das kleine vielleicht vier Sester.

Gut. So soll der Balthes das kleine auf ein Wägelein laden und vor die
Burg fahren, und Eure Tochter mag angehn und es den Knechten darreichen.
Aber erst in der Nacht zum Samstag, wenn die Guardia auf dem Leinpfad steht,
die neulich die Hämmel erwischt hat.

Hat die Domina sonst noch Befehle?

Weiter keine.

Metzler verneigte sich und zog sich zurück. Er hätte gar zu gern seinem Be¬
fremden darüber Ausdruck gegeben, daß der kostbare, starke griechische Wein an die
städtischen Knechte verschwendet werden sollte, für die doch der saure Filsener auch
genügt hätte, aber er wußte, daß die hohe Frau keine Widerrede duldete, und zog
es deshalb vor, seine Meinung für sich zu behalten.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0674" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299715"/>
          <fw type="header" place="top"> Ver Bopparder Krieg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2991"> Wir schreiben heut erst den zwölften, hochedelgeborne und ehrwürdige Frau,<lb/>
und der Feind wird nicht vor Sankt Johannisabend vor die Stadt rücken. Ein<lb/>
löblicher Rat hat deshalb beschlossen, das Vieh erst am einundzwanzigsten aus den<lb/>
Dörfern zu holen, also daß man zuvor nicht unnütze Arbeit mit dem Warten und<lb/>
dem Füttern hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2992"> Wenn es alsdann nur nicht zu spät ist, bemerkte die Äbtissin nachdenklich,<lb/>
aber das mag des Rates Sorge sein.  Wie stehts mit denen in der Burg?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2993"> Sind wohl verwahrt, Hochedelgeborne, nicht anders denn die Mäuslein in<lb/>
der Falle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2994"> Regina hat mir erzählt, daß sie Hunger leiden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2995"> Metzler machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: Also bleiben sie<lb/>
vor der Sünde der Völlerei bewahrt.  Was kümmerts die Gin?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2996"> Eure Tochter hat mit den Leuten ein christliches Erbarmen, Metzler. Daß<lb/>
Ihr sie mir deshalb nur nicht scheltet! Hab ihr selber schon einen Sermon ge¬<lb/>
halten, sonderlich weil sie den Stadtknechten ihrer Wachsamkeit halber Übles wünschte.<lb/>
Aber eine kleine Strafe soll sie doch haben.  Meint Ihr nicht auch?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2997"> Metzler rieb sich die Hände. Er wußte offenbar nicht recht, worauf die<lb/>
Domina hinauswollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2998"> Eine Strafe könnt der Gin nicht schaden, sagte er endlich, sonderlich da sich<lb/>
heimlich mit den Kurfürstlichen hält, ob ihr Vater gleich im Rate sitzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2999"> Seht, das ists, warum ich ihr eine Buße auferlegen möchte, sagte die Äbtissin.<lb/>
Und wißt Ihr, worin die bestehn soll? Regina muß den Knechten selbst eine<lb/>
Liebnis an Wein hinausbringen &#x2014; natürlich in meinem Namen. Von der Greifenklau<lb/>
Zeiten her müssen im Keller noch etliche Fäßlein Malvasier liegen &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3000"> Nur noch zwei, Hochedelgeborne. Es waren vordem vier, aber eins ist bei<lb/>
Eurer seligen Vorgängerin Gräbnis getrunken worden, das andre, als die von<lb/>
Mcmderschetd Profeß tat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3001"> Wißt Ihr, wieviel die Fäßlein halten?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3002"> Das große eine halbe Ohm, das kleine vielleicht vier Sester.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3003"> Gut. So soll der Balthes das kleine auf ein Wägelein laden und vor die<lb/>
Burg fahren, und Eure Tochter mag angehn und es den Knechten darreichen.<lb/>
Aber erst in der Nacht zum Samstag, wenn die Guardia auf dem Leinpfad steht,<lb/>
die neulich die Hämmel erwischt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3004"> Hat die Domina sonst noch Befehle?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3005"> Weiter keine.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3006"> Metzler verneigte sich und zog sich zurück. Er hätte gar zu gern seinem Be¬<lb/>
fremden darüber Ausdruck gegeben, daß der kostbare, starke griechische Wein an die<lb/>
städtischen Knechte verschwendet werden sollte, für die doch der saure Filsener auch<lb/>
genügt hätte, aber er wußte, daß die hohe Frau keine Widerrede duldete, und zog<lb/>
es deshalb vor, seine Meinung für sich zu behalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3007"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0674] Ver Bopparder Krieg Wir schreiben heut erst den zwölften, hochedelgeborne und ehrwürdige Frau, und der Feind wird nicht vor Sankt Johannisabend vor die Stadt rücken. Ein löblicher Rat hat deshalb beschlossen, das Vieh erst am einundzwanzigsten aus den Dörfern zu holen, also daß man zuvor nicht unnütze Arbeit mit dem Warten und dem Füttern hat. Wenn es alsdann nur nicht zu spät ist, bemerkte die Äbtissin nachdenklich, aber das mag des Rates Sorge sein. Wie stehts mit denen in der Burg? Sind wohl verwahrt, Hochedelgeborne, nicht anders denn die Mäuslein in der Falle. Regina hat mir erzählt, daß sie Hunger leiden. Metzler machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: Also bleiben sie vor der Sünde der Völlerei bewahrt. Was kümmerts die Gin? Eure Tochter hat mit den Leuten ein christliches Erbarmen, Metzler. Daß Ihr sie mir deshalb nur nicht scheltet! Hab ihr selber schon einen Sermon ge¬ halten, sonderlich weil sie den Stadtknechten ihrer Wachsamkeit halber Übles wünschte. Aber eine kleine Strafe soll sie doch haben. Meint Ihr nicht auch? Metzler rieb sich die Hände. Er wußte offenbar nicht recht, worauf die Domina hinauswollte. Eine Strafe könnt der Gin nicht schaden, sagte er endlich, sonderlich da sich heimlich mit den Kurfürstlichen hält, ob ihr Vater gleich im Rate sitzt. Seht, das ists, warum ich ihr eine Buße auferlegen möchte, sagte die Äbtissin. Und wißt Ihr, worin die bestehn soll? Regina muß den Knechten selbst eine Liebnis an Wein hinausbringen — natürlich in meinem Namen. Von der Greifenklau Zeiten her müssen im Keller noch etliche Fäßlein Malvasier liegen — Nur noch zwei, Hochedelgeborne. Es waren vordem vier, aber eins ist bei Eurer seligen Vorgängerin Gräbnis getrunken worden, das andre, als die von Mcmderschetd Profeß tat. Wißt Ihr, wieviel die Fäßlein halten? Das große eine halbe Ohm, das kleine vielleicht vier Sester. Gut. So soll der Balthes das kleine auf ein Wägelein laden und vor die Burg fahren, und Eure Tochter mag angehn und es den Knechten darreichen. Aber erst in der Nacht zum Samstag, wenn die Guardia auf dem Leinpfad steht, die neulich die Hämmel erwischt hat. Hat die Domina sonst noch Befehle? Weiter keine. Metzler verneigte sich und zog sich zurück. Er hätte gar zu gern seinem Be¬ fremden darüber Ausdruck gegeben, daß der kostbare, starke griechische Wein an die städtischen Knechte verschwendet werden sollte, für die doch der saure Filsener auch genügt hätte, aber er wußte, daß die hohe Frau keine Widerrede duldete, und zog es deshalb vor, seine Meinung für sich zu behalten. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/674
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/674>, abgerufen am 24.07.2024.