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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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5>an Francisco und die deutschen Feuerversicherer

nmittelbar nachdem die ersten Nachrichten über die durch das Erd¬
beben hervorgerufne Feuersbrunst, die ganz Francisco zu zerstören
drohte, eingelaufen waren, zerbrachen sich einige führende Zeitungen
den Kopf darüber, welche Wirkungen diese Riesenkatastrophe ans
die Fetterversicherungsgesellschaften, namentlich auf die deutsche"
Unternehmungen ausüben würde, von denen man wußte, daß sie mit großen
Beträgen an der pazifischen Küste Nordamerikas beteiligt waren.

Wenn ein Privatmann, der von geschäftlichen Dingen nicht viel weiß, die
Frage aufgeworfen und aus ihrer Beantwortung die Befürchtung abgeleitet hätte,
daß die Versicherungsgesellschaften durch die Bezahlung der ungeheuern Ent¬
schädigungssummen dein Bankrott zugetrieben werden müßten, so wäre das be¬
greiflich; daß aber die Handelsredakteure großer Blätter über die in Betracht
kommenden Verhältnisse so vollkommen im unklaren sein und die angedeuteten
Befürchtungen ernstlich in das Publikum ausstreuen konnten, ist doch bemerkens¬
wert. Überraschend ist diese Erscheinung ja nicht; sie ist nur ein neuer Beweis
für die dem Fachmanne längst bekannte und von ihm beklagte Tatsache, daß nicht
nur im breiten Publikum, sondern auch in solchen Kreisen, deren Intelligenz und
vielseitige Kenntnisse außer jedem Zweifel stehn, und die andauernd mit dem
Versicherungswesen in geschäftliche Beziehungen zu treten genötigt sind, eine
bedauerliche Unkenntnis der Grundlagen und der Lebensbedingungen der Ver¬
sicherungsunternehmungen vorherrscht. Das hat sich vor fünf Jahren und auch
jetzt wieder bei der öffentlichen Besprechung der beiden das Versicherungswesen
regelnden Gesetzesvorlagen gezeigt, hat der Hetze gegen die Versicherungsaktien¬
gesellschaften und ihre Syndikate seinen Stempel aufgedrückt und zeigt sich auch
gegenwärtig in der Beurteilung der Folgen des Unglücks von San Francisco
für die deutschen Fcuerversicheruugsgesellschaften.

Wenn sich der Zeitungsleser über die Sache klar werden will, brauchte er
sich eigentlich bloß seine eigne Versicherungspolice herauszusuchen; dort findet
er eine Bestimmung, die sich auf die durch Erdbeben verursachten Brandschäden
bezieht und in den meisten Policen folgendermaßen lautet: "Ausgenommen von der
Versicherung sind solche Schäden, welche ... die Folge ... eines Erdbebens sind."
Dieses ist die Fassung des dritten Absatzes im Paragraphen 1 der vom Verbände
deutscher Feuerversicherungsgesellschaften aufgestellten allgemeinen Versichcrungs-
bedingungen. Wenn sich eine solche Bestimmung in den deutschen Versicherungs¬
verträgen findet, so kann man daraus schon schließen, daß der Feuerversicherer
in Ländern, in denen der Erdboden nicht die erfreuliche Ruhe zeigt, die unser
deutsches Vaterland auszeichnet, die hier gebrauchte Vorsicht nicht außer acht


Grenzboten II 1906 80


5>an Francisco und die deutschen Feuerversicherer

nmittelbar nachdem die ersten Nachrichten über die durch das Erd¬
beben hervorgerufne Feuersbrunst, die ganz Francisco zu zerstören
drohte, eingelaufen waren, zerbrachen sich einige führende Zeitungen
den Kopf darüber, welche Wirkungen diese Riesenkatastrophe ans
die Fetterversicherungsgesellschaften, namentlich auf die deutsche»
Unternehmungen ausüben würde, von denen man wußte, daß sie mit großen
Beträgen an der pazifischen Küste Nordamerikas beteiligt waren.

Wenn ein Privatmann, der von geschäftlichen Dingen nicht viel weiß, die
Frage aufgeworfen und aus ihrer Beantwortung die Befürchtung abgeleitet hätte,
daß die Versicherungsgesellschaften durch die Bezahlung der ungeheuern Ent¬
schädigungssummen dein Bankrott zugetrieben werden müßten, so wäre das be¬
greiflich; daß aber die Handelsredakteure großer Blätter über die in Betracht
kommenden Verhältnisse so vollkommen im unklaren sein und die angedeuteten
Befürchtungen ernstlich in das Publikum ausstreuen konnten, ist doch bemerkens¬
wert. Überraschend ist diese Erscheinung ja nicht; sie ist nur ein neuer Beweis
für die dem Fachmanne längst bekannte und von ihm beklagte Tatsache, daß nicht
nur im breiten Publikum, sondern auch in solchen Kreisen, deren Intelligenz und
vielseitige Kenntnisse außer jedem Zweifel stehn, und die andauernd mit dem
Versicherungswesen in geschäftliche Beziehungen zu treten genötigt sind, eine
bedauerliche Unkenntnis der Grundlagen und der Lebensbedingungen der Ver¬
sicherungsunternehmungen vorherrscht. Das hat sich vor fünf Jahren und auch
jetzt wieder bei der öffentlichen Besprechung der beiden das Versicherungswesen
regelnden Gesetzesvorlagen gezeigt, hat der Hetze gegen die Versicherungsaktien¬
gesellschaften und ihre Syndikate seinen Stempel aufgedrückt und zeigt sich auch
gegenwärtig in der Beurteilung der Folgen des Unglücks von San Francisco
für die deutschen Fcuerversicheruugsgesellschaften.

Wenn sich der Zeitungsleser über die Sache klar werden will, brauchte er
sich eigentlich bloß seine eigne Versicherungspolice herauszusuchen; dort findet
er eine Bestimmung, die sich auf die durch Erdbeben verursachten Brandschäden
bezieht und in den meisten Policen folgendermaßen lautet: „Ausgenommen von der
Versicherung sind solche Schäden, welche ... die Folge ... eines Erdbebens sind."
Dieses ist die Fassung des dritten Absatzes im Paragraphen 1 der vom Verbände
deutscher Feuerversicherungsgesellschaften aufgestellten allgemeinen Versichcrungs-
bedingungen. Wenn sich eine solche Bestimmung in den deutschen Versicherungs¬
verträgen findet, so kann man daraus schon schließen, daß der Feuerversicherer
in Ländern, in denen der Erdboden nicht die erfreuliche Ruhe zeigt, die unser
deutsches Vaterland auszeichnet, die hier gebrauchte Vorsicht nicht außer acht


Grenzboten II 1906 80
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[0633] [Abbildung] 5>an Francisco und die deutschen Feuerversicherer nmittelbar nachdem die ersten Nachrichten über die durch das Erd¬ beben hervorgerufne Feuersbrunst, die ganz Francisco zu zerstören drohte, eingelaufen waren, zerbrachen sich einige führende Zeitungen den Kopf darüber, welche Wirkungen diese Riesenkatastrophe ans die Fetterversicherungsgesellschaften, namentlich auf die deutsche» Unternehmungen ausüben würde, von denen man wußte, daß sie mit großen Beträgen an der pazifischen Küste Nordamerikas beteiligt waren. Wenn ein Privatmann, der von geschäftlichen Dingen nicht viel weiß, die Frage aufgeworfen und aus ihrer Beantwortung die Befürchtung abgeleitet hätte, daß die Versicherungsgesellschaften durch die Bezahlung der ungeheuern Ent¬ schädigungssummen dein Bankrott zugetrieben werden müßten, so wäre das be¬ greiflich; daß aber die Handelsredakteure großer Blätter über die in Betracht kommenden Verhältnisse so vollkommen im unklaren sein und die angedeuteten Befürchtungen ernstlich in das Publikum ausstreuen konnten, ist doch bemerkens¬ wert. Überraschend ist diese Erscheinung ja nicht; sie ist nur ein neuer Beweis für die dem Fachmanne längst bekannte und von ihm beklagte Tatsache, daß nicht nur im breiten Publikum, sondern auch in solchen Kreisen, deren Intelligenz und vielseitige Kenntnisse außer jedem Zweifel stehn, und die andauernd mit dem Versicherungswesen in geschäftliche Beziehungen zu treten genötigt sind, eine bedauerliche Unkenntnis der Grundlagen und der Lebensbedingungen der Ver¬ sicherungsunternehmungen vorherrscht. Das hat sich vor fünf Jahren und auch jetzt wieder bei der öffentlichen Besprechung der beiden das Versicherungswesen regelnden Gesetzesvorlagen gezeigt, hat der Hetze gegen die Versicherungsaktien¬ gesellschaften und ihre Syndikate seinen Stempel aufgedrückt und zeigt sich auch gegenwärtig in der Beurteilung der Folgen des Unglücks von San Francisco für die deutschen Fcuerversicheruugsgesellschaften. Wenn sich der Zeitungsleser über die Sache klar werden will, brauchte er sich eigentlich bloß seine eigne Versicherungspolice herauszusuchen; dort findet er eine Bestimmung, die sich auf die durch Erdbeben verursachten Brandschäden bezieht und in den meisten Policen folgendermaßen lautet: „Ausgenommen von der Versicherung sind solche Schäden, welche ... die Folge ... eines Erdbebens sind." Dieses ist die Fassung des dritten Absatzes im Paragraphen 1 der vom Verbände deutscher Feuerversicherungsgesellschaften aufgestellten allgemeinen Versichcrungs- bedingungen. Wenn sich eine solche Bestimmung in den deutschen Versicherungs¬ verträgen findet, so kann man daraus schon schließen, daß der Feuerversicherer in Ländern, in denen der Erdboden nicht die erfreuliche Ruhe zeigt, die unser deutsches Vaterland auszeichnet, die hier gebrauchte Vorsicht nicht außer acht Grenzboten II 1906 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/633>, abgerufen am 27.12.2024.