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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kultur der alten Kelten und Germanen.

Georg Grupp, Fürstlich
Öttingenscher Bibliothekar in Maihingen (Bayrisch-Schwaben), hat vor kurzem die
"Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit" in zwei umfangreichen Bänden populär
dargestellt. Auf knapperm Raume bietet er nun in einem neuen Werke: Kultur
der alten Kelten und Germanen (Mit einem Rückblick auf die Urgeschichte.
XII und 319 Seiten. München 1905. Allgemeine Verlagsgesellschaft) eine Schilderung
der Kulturverhältnisse der beiden Völker. Es ist als ein glücklicher Gedanke zu be¬
zeichnen, daß hier -- wohl zum erstenmal -- die Kulturwelten dieser beiden Völker¬
gruppen im Rahmen einer Darstellung zur Anschauung gebracht werden, denn der
Vergleich zwischen beiden, der dadurch überall nahegelegt wird, zeigt das Gemeinsame
wie das Trennende mit wünschenswerter Deutlichkeit.

In geschickter Gruppierung wird die Kultur der Kelten in dreizehn, dann
die der Germanen in zwölf Einzelkapiteln besprochen. Eingeleitet werden diese
beiden Hauptabschnitte durch einen Rückblick auf die "Jäger- und Hirtenvölker der
Steinzeit" und durch einen Abschnitt über die Kultur der Indogermanen.

Das Verzeichnis der benutzten Literatur und vor allem die zahlreichen An¬
merkungen unter dem Text bezeugen die wissenschaftliche Gründlichkeit der Dar¬
stellung und verraten eine ausgebreitete Belesenheit des Verfassers besonders in den
antiken Autoren, deren Zeugnisse er im allgemeinen höher zu bewerten geneigt ist
als die Ergebnisse der prähistorischen Forschung.

Das Streben nach wissenschaftlicher Zuverlässigkeit in allen Einzelheiten führt
aber an manchen Stellen zu einem Übermaß von zusammenhanglos aneinander
gereihten Einzelzügen, sodaß vielfach die Hauptlinien des Kulturbildes empfindlich
zurücktreten; es ist deshalb fraglich, ob bei dieser etwas mangelhaften künstlerischen
Ausprägung der Darstellungsform das fleißig gearbeitete Buch in den weitern
Kreisen der Gebildeten, für die es bestimmt ist, feine Leser befriedigen wird.

Als großenteils verfehlt muß die Illustration bezeichnet werden. Die 165 Ab¬
bildungen sind vom Verfasser zwar mit Geschick aus größern illustrierten Werken
und Zeitschriften ausgewählt, vom Verlag aber so reproduziert worden, daß sie
zumeist nicht auf der Höhe dessen stehn, was heute in dieser Beziehung geleistet
werden kann. Und doch wären, wo bei dem Fehlen oder der Vieldeutigkeit der
schriftlichen Überlieferung die aus jenen Urzeiten erhaltnen Geräte und Kunst¬
gegenstände eigentlich allein jene alten versunkner Kulturen zur Anschauung bringen,,
gute Abbildungen dieser wichtigsten Zeugen besonders instruktiv gewesen.


Eduard von Hartmann i

st am 5. Juni im fünfundsechzigsten Lebensjahre
verschieden. Wir haben seine ungemein fruchtbare Produktion in den Grenzboten
seit beinahe zwanzig Jahren Schritt für Schritt verfolgt und ihn nach allen Seiten
hin gewürdigt. Es bleibt uns nur übrig zu konstatieren, daß an ihm nicht bloß
die Gelehrtenwelt einen unermüdlichen Forscher ersten Ranges, sondern auch das
Vaterland einen Bürger verliert, der zeitlebens für ideale Lebensauffassung, ernste
Ethik, deutsche Gesinnung und kräftige nationale Politik gekämpft hat. Auf sein
letztes, erst vor wenig Wochen erschienenes Werk: Das Problem des Lebens, kommen
wir noch ausführlich zurück.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kultur der alten Kelten und Germanen.

Georg Grupp, Fürstlich
Öttingenscher Bibliothekar in Maihingen (Bayrisch-Schwaben), hat vor kurzem die
„Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit" in zwei umfangreichen Bänden populär
dargestellt. Auf knapperm Raume bietet er nun in einem neuen Werke: Kultur
der alten Kelten und Germanen (Mit einem Rückblick auf die Urgeschichte.
XII und 319 Seiten. München 1905. Allgemeine Verlagsgesellschaft) eine Schilderung
der Kulturverhältnisse der beiden Völker. Es ist als ein glücklicher Gedanke zu be¬
zeichnen, daß hier — wohl zum erstenmal — die Kulturwelten dieser beiden Völker¬
gruppen im Rahmen einer Darstellung zur Anschauung gebracht werden, denn der
Vergleich zwischen beiden, der dadurch überall nahegelegt wird, zeigt das Gemeinsame
wie das Trennende mit wünschenswerter Deutlichkeit.

In geschickter Gruppierung wird die Kultur der Kelten in dreizehn, dann
die der Germanen in zwölf Einzelkapiteln besprochen. Eingeleitet werden diese
beiden Hauptabschnitte durch einen Rückblick auf die „Jäger- und Hirtenvölker der
Steinzeit" und durch einen Abschnitt über die Kultur der Indogermanen.

Das Verzeichnis der benutzten Literatur und vor allem die zahlreichen An¬
merkungen unter dem Text bezeugen die wissenschaftliche Gründlichkeit der Dar¬
stellung und verraten eine ausgebreitete Belesenheit des Verfassers besonders in den
antiken Autoren, deren Zeugnisse er im allgemeinen höher zu bewerten geneigt ist
als die Ergebnisse der prähistorischen Forschung.

Das Streben nach wissenschaftlicher Zuverlässigkeit in allen Einzelheiten führt
aber an manchen Stellen zu einem Übermaß von zusammenhanglos aneinander
gereihten Einzelzügen, sodaß vielfach die Hauptlinien des Kulturbildes empfindlich
zurücktreten; es ist deshalb fraglich, ob bei dieser etwas mangelhaften künstlerischen
Ausprägung der Darstellungsform das fleißig gearbeitete Buch in den weitern
Kreisen der Gebildeten, für die es bestimmt ist, feine Leser befriedigen wird.

Als großenteils verfehlt muß die Illustration bezeichnet werden. Die 165 Ab¬
bildungen sind vom Verfasser zwar mit Geschick aus größern illustrierten Werken
und Zeitschriften ausgewählt, vom Verlag aber so reproduziert worden, daß sie
zumeist nicht auf der Höhe dessen stehn, was heute in dieser Beziehung geleistet
werden kann. Und doch wären, wo bei dem Fehlen oder der Vieldeutigkeit der
schriftlichen Überlieferung die aus jenen Urzeiten erhaltnen Geräte und Kunst¬
gegenstände eigentlich allein jene alten versunkner Kulturen zur Anschauung bringen,,
gute Abbildungen dieser wichtigsten Zeugen besonders instruktiv gewesen.


Eduard von Hartmann i

st am 5. Juni im fünfundsechzigsten Lebensjahre
verschieden. Wir haben seine ungemein fruchtbare Produktion in den Grenzboten
seit beinahe zwanzig Jahren Schritt für Schritt verfolgt und ihn nach allen Seiten
hin gewürdigt. Es bleibt uns nur übrig zu konstatieren, daß an ihm nicht bloß
die Gelehrtenwelt einen unermüdlichen Forscher ersten Ranges, sondern auch das
Vaterland einen Bürger verliert, der zeitlebens für ideale Lebensauffassung, ernste
Ethik, deutsche Gesinnung und kräftige nationale Politik gekämpft hat. Auf sein
letztes, erst vor wenig Wochen erschienenes Werk: Das Problem des Lebens, kommen
wir noch ausführlich zurück.




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[0624] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kultur der alten Kelten und Germanen. Georg Grupp, Fürstlich Öttingenscher Bibliothekar in Maihingen (Bayrisch-Schwaben), hat vor kurzem die „Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit" in zwei umfangreichen Bänden populär dargestellt. Auf knapperm Raume bietet er nun in einem neuen Werke: Kultur der alten Kelten und Germanen (Mit einem Rückblick auf die Urgeschichte. XII und 319 Seiten. München 1905. Allgemeine Verlagsgesellschaft) eine Schilderung der Kulturverhältnisse der beiden Völker. Es ist als ein glücklicher Gedanke zu be¬ zeichnen, daß hier — wohl zum erstenmal — die Kulturwelten dieser beiden Völker¬ gruppen im Rahmen einer Darstellung zur Anschauung gebracht werden, denn der Vergleich zwischen beiden, der dadurch überall nahegelegt wird, zeigt das Gemeinsame wie das Trennende mit wünschenswerter Deutlichkeit. In geschickter Gruppierung wird die Kultur der Kelten in dreizehn, dann die der Germanen in zwölf Einzelkapiteln besprochen. Eingeleitet werden diese beiden Hauptabschnitte durch einen Rückblick auf die „Jäger- und Hirtenvölker der Steinzeit" und durch einen Abschnitt über die Kultur der Indogermanen. Das Verzeichnis der benutzten Literatur und vor allem die zahlreichen An¬ merkungen unter dem Text bezeugen die wissenschaftliche Gründlichkeit der Dar¬ stellung und verraten eine ausgebreitete Belesenheit des Verfassers besonders in den antiken Autoren, deren Zeugnisse er im allgemeinen höher zu bewerten geneigt ist als die Ergebnisse der prähistorischen Forschung. Das Streben nach wissenschaftlicher Zuverlässigkeit in allen Einzelheiten führt aber an manchen Stellen zu einem Übermaß von zusammenhanglos aneinander gereihten Einzelzügen, sodaß vielfach die Hauptlinien des Kulturbildes empfindlich zurücktreten; es ist deshalb fraglich, ob bei dieser etwas mangelhaften künstlerischen Ausprägung der Darstellungsform das fleißig gearbeitete Buch in den weitern Kreisen der Gebildeten, für die es bestimmt ist, feine Leser befriedigen wird. Als großenteils verfehlt muß die Illustration bezeichnet werden. Die 165 Ab¬ bildungen sind vom Verfasser zwar mit Geschick aus größern illustrierten Werken und Zeitschriften ausgewählt, vom Verlag aber so reproduziert worden, daß sie zumeist nicht auf der Höhe dessen stehn, was heute in dieser Beziehung geleistet werden kann. Und doch wären, wo bei dem Fehlen oder der Vieldeutigkeit der schriftlichen Überlieferung die aus jenen Urzeiten erhaltnen Geräte und Kunst¬ gegenstände eigentlich allein jene alten versunkner Kulturen zur Anschauung bringen,, gute Abbildungen dieser wichtigsten Zeugen besonders instruktiv gewesen. Eduard von Hartmann i st am 5. Juni im fünfundsechzigsten Lebensjahre verschieden. Wir haben seine ungemein fruchtbare Produktion in den Grenzboten seit beinahe zwanzig Jahren Schritt für Schritt verfolgt und ihn nach allen Seiten hin gewürdigt. Es bleibt uns nur übrig zu konstatieren, daß an ihm nicht bloß die Gelehrtenwelt einen unermüdlichen Forscher ersten Ranges, sondern auch das Vaterland einen Bürger verliert, der zeitlebens für ideale Lebensauffassung, ernste Ethik, deutsche Gesinnung und kräftige nationale Politik gekämpft hat. Auf sein letztes, erst vor wenig Wochen erschienenes Werk: Das Problem des Lebens, kommen wir noch ausführlich zurück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/624>, abgerufen am 27.12.2024.