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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sehr großen Dienst geleistet, den die amtlichen österreichisch-ungarischen Kund¬
gebungen seitdem noch verstärkt haben.

Obwohl es nun keineswegs der erste Fall war, daß bei einer Begegnung
zweier Dreibundherrscher des abwesenden dritten freundschaftlich gedacht worden war,
hat doch dieser Depeschenwechsel dem Wiener Besuch Kaiser Wilhelms unstreitig eine
weit über den Augenblick hinausreichende Bedeutung verliehen. Er hat die seit
Algeeiras wenigstens in den Augen der Öffentlichkeit etwas vcrschobne europäische
Lage wieder zurechtgezogen. Nimmt mau hinzu, daß Kaiser Franz Joseph in wenig
Wochen voraussichtlich in Ischl den Besuch des Königs von England empfangen
wird, so ist wohl auch die naheliegende Folgerung berechtigt, daß sich von der
Wiener Zusammenkunft und der dortigen Betonung des Dreibundes auch ein Band
nach Ischl hinüberziehen wird. Die freundliche Sprache, die das amtliche England
neuerdings gegen Deutschland führt, wie das namentlich bei dem Besuch der deut¬
scheu Bürgermeister in London hervorgetreten ist, dürfte doch in den deutschen
amtlichen Kreisen schwerlich ohne Echo bleiben, es ist nicht ausgeschlossen, daß
schon bei den diesjährigen Herbstmanövern eine stärkere englische Vertretung von
diesen gebesserter Beziehungen Zeugnis ablegt. Aber auch sonst fehlt es nicht an
Anzeichen, daß bis im Herbste das Land von den Bäumen fallt, dem Gejammer
der deutschen Zeitungen und der Schadenfreude der auswärtigen über "die
Isolierung Deutschlands" jeder Boden entzogen sein wird.

Über die noch in weiter Ferne liegende russisch-englische Verständigung, und
was sie im Falle ihres Zustandekommens praktisch bedeuten würde, haben wir uns
im vorigen Hefte der Grenzboten ausgesprochen. Von dem englischen Flotten¬
besuch in Kronstäbe, der nach der Prophezeiung einiger Blätter das Werk der Ver¬
ständigung krönen sollte, ist es wieder still geworden. Es war auch schwerlich an¬
zunehmen, daß den russischen Behörden in Petersburg und in Kronstäbe angesichts der
innern Lage und nach den Vorgängen bet der russischen Marine in Kronstäbe der
Besuch einer fremden Flotte hätte irgend genehm sein können; auch könnten die
englischen Urlauber in den russischen Küstenstädten in recht unangenehme Situationen
kommen. Ob in den obern britischen Marinekreisen die Absicht eines solchen Besuchs
bestanden hat, mag dahingestellt bleiben, auf russischer Seite hätte schwerlich die
Absicht besteh" können, einen solchen Besuch zu empfangen oder seinen Empfang
wohlwollend zuzusagen. Nachdem die früher vor Kronstäbe gelegne russische Ostsee¬
flotte im Stillen Ozean vernichtet worden ist und Rußland einen Ersatz dafür noch
nicht herzustellen vermocht hat, würde ein englischer Flottenbesuch doch im leeren
Neste erfolgt sein und dadurch einen Beigeschmack erhalten haben, der schwerlich im
Sinne einer Verständigung liegen konnte.

Alle diese Dinge machen sich, nahe besehen und unter die politische Lupe ge¬
nommen, wesentlich anders als in den sensationellen Ankündigungen jener Presse,
die ja auch schon den König von England nach Petersburg reisen ließ. Wenn
nicht Dinge geschehn, die außerhalb jeder menschlichen Berechnung liegen, werden
wir wenigstens den politischen Barometer in diesem Sommer langsam aber stetig
steigen sehen. Wie sich die Wiener Begegnung selbst als ein aufklärendes und für die
europäischen Verhältnisse wohltätiges Ereignis erwiesen hat, darf man annehmen, daß
sie als solches nicht vereinzelt bleiben wird. Als wohltätig wirkendes Ereignis soll
ohne Zweifel auch der bevorstehende Besuch einer Anzahl eingeladner deutscher
Journalisten in England wirken, deren ein sehr freundlicher Empfang harrt. Die
nächste Folge wird die sein, daß der großartige Eindruck, den jeder kontinentale
Besucher Englands dort i" sich aufnimmt, die Stimmung und Haltung der deutschen
Presse beeinflussen und zu dem gegenseitigen Sichverstehn wesentlich beitragen wird.
Dessen Mangel hat schon dazu geführt, daß England und Deutschland heute ebenso
auf die Nordsee starren wie seit 1871 Deutschland und Frankreich auf die Vogesen.

Es ist das eigentümliche Schicksal des Dreibundes, zumal des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses, daß es gegen Gefahren geschlossen worden ist, die niemals


Maßgebliches und Unmaßgebliches

sehr großen Dienst geleistet, den die amtlichen österreichisch-ungarischen Kund¬
gebungen seitdem noch verstärkt haben.

Obwohl es nun keineswegs der erste Fall war, daß bei einer Begegnung
zweier Dreibundherrscher des abwesenden dritten freundschaftlich gedacht worden war,
hat doch dieser Depeschenwechsel dem Wiener Besuch Kaiser Wilhelms unstreitig eine
weit über den Augenblick hinausreichende Bedeutung verliehen. Er hat die seit
Algeeiras wenigstens in den Augen der Öffentlichkeit etwas vcrschobne europäische
Lage wieder zurechtgezogen. Nimmt mau hinzu, daß Kaiser Franz Joseph in wenig
Wochen voraussichtlich in Ischl den Besuch des Königs von England empfangen
wird, so ist wohl auch die naheliegende Folgerung berechtigt, daß sich von der
Wiener Zusammenkunft und der dortigen Betonung des Dreibundes auch ein Band
nach Ischl hinüberziehen wird. Die freundliche Sprache, die das amtliche England
neuerdings gegen Deutschland führt, wie das namentlich bei dem Besuch der deut¬
scheu Bürgermeister in London hervorgetreten ist, dürfte doch in den deutschen
amtlichen Kreisen schwerlich ohne Echo bleiben, es ist nicht ausgeschlossen, daß
schon bei den diesjährigen Herbstmanövern eine stärkere englische Vertretung von
diesen gebesserter Beziehungen Zeugnis ablegt. Aber auch sonst fehlt es nicht an
Anzeichen, daß bis im Herbste das Land von den Bäumen fallt, dem Gejammer
der deutschen Zeitungen und der Schadenfreude der auswärtigen über „die
Isolierung Deutschlands" jeder Boden entzogen sein wird.

Über die noch in weiter Ferne liegende russisch-englische Verständigung, und
was sie im Falle ihres Zustandekommens praktisch bedeuten würde, haben wir uns
im vorigen Hefte der Grenzboten ausgesprochen. Von dem englischen Flotten¬
besuch in Kronstäbe, der nach der Prophezeiung einiger Blätter das Werk der Ver¬
ständigung krönen sollte, ist es wieder still geworden. Es war auch schwerlich an¬
zunehmen, daß den russischen Behörden in Petersburg und in Kronstäbe angesichts der
innern Lage und nach den Vorgängen bet der russischen Marine in Kronstäbe der
Besuch einer fremden Flotte hätte irgend genehm sein können; auch könnten die
englischen Urlauber in den russischen Küstenstädten in recht unangenehme Situationen
kommen. Ob in den obern britischen Marinekreisen die Absicht eines solchen Besuchs
bestanden hat, mag dahingestellt bleiben, auf russischer Seite hätte schwerlich die
Absicht besteh» können, einen solchen Besuch zu empfangen oder seinen Empfang
wohlwollend zuzusagen. Nachdem die früher vor Kronstäbe gelegne russische Ostsee¬
flotte im Stillen Ozean vernichtet worden ist und Rußland einen Ersatz dafür noch
nicht herzustellen vermocht hat, würde ein englischer Flottenbesuch doch im leeren
Neste erfolgt sein und dadurch einen Beigeschmack erhalten haben, der schwerlich im
Sinne einer Verständigung liegen konnte.

Alle diese Dinge machen sich, nahe besehen und unter die politische Lupe ge¬
nommen, wesentlich anders als in den sensationellen Ankündigungen jener Presse,
die ja auch schon den König von England nach Petersburg reisen ließ. Wenn
nicht Dinge geschehn, die außerhalb jeder menschlichen Berechnung liegen, werden
wir wenigstens den politischen Barometer in diesem Sommer langsam aber stetig
steigen sehen. Wie sich die Wiener Begegnung selbst als ein aufklärendes und für die
europäischen Verhältnisse wohltätiges Ereignis erwiesen hat, darf man annehmen, daß
sie als solches nicht vereinzelt bleiben wird. Als wohltätig wirkendes Ereignis soll
ohne Zweifel auch der bevorstehende Besuch einer Anzahl eingeladner deutscher
Journalisten in England wirken, deren ein sehr freundlicher Empfang harrt. Die
nächste Folge wird die sein, daß der großartige Eindruck, den jeder kontinentale
Besucher Englands dort i» sich aufnimmt, die Stimmung und Haltung der deutschen
Presse beeinflussen und zu dem gegenseitigen Sichverstehn wesentlich beitragen wird.
Dessen Mangel hat schon dazu geführt, daß England und Deutschland heute ebenso
auf die Nordsee starren wie seit 1871 Deutschland und Frankreich auf die Vogesen.

Es ist das eigentümliche Schicksal des Dreibundes, zumal des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses, daß es gegen Gefahren geschlossen worden ist, die niemals


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[0617] Maßgebliches und Unmaßgebliches sehr großen Dienst geleistet, den die amtlichen österreichisch-ungarischen Kund¬ gebungen seitdem noch verstärkt haben. Obwohl es nun keineswegs der erste Fall war, daß bei einer Begegnung zweier Dreibundherrscher des abwesenden dritten freundschaftlich gedacht worden war, hat doch dieser Depeschenwechsel dem Wiener Besuch Kaiser Wilhelms unstreitig eine weit über den Augenblick hinausreichende Bedeutung verliehen. Er hat die seit Algeeiras wenigstens in den Augen der Öffentlichkeit etwas vcrschobne europäische Lage wieder zurechtgezogen. Nimmt mau hinzu, daß Kaiser Franz Joseph in wenig Wochen voraussichtlich in Ischl den Besuch des Königs von England empfangen wird, so ist wohl auch die naheliegende Folgerung berechtigt, daß sich von der Wiener Zusammenkunft und der dortigen Betonung des Dreibundes auch ein Band nach Ischl hinüberziehen wird. Die freundliche Sprache, die das amtliche England neuerdings gegen Deutschland führt, wie das namentlich bei dem Besuch der deut¬ scheu Bürgermeister in London hervorgetreten ist, dürfte doch in den deutschen amtlichen Kreisen schwerlich ohne Echo bleiben, es ist nicht ausgeschlossen, daß schon bei den diesjährigen Herbstmanövern eine stärkere englische Vertretung von diesen gebesserter Beziehungen Zeugnis ablegt. Aber auch sonst fehlt es nicht an Anzeichen, daß bis im Herbste das Land von den Bäumen fallt, dem Gejammer der deutschen Zeitungen und der Schadenfreude der auswärtigen über „die Isolierung Deutschlands" jeder Boden entzogen sein wird. Über die noch in weiter Ferne liegende russisch-englische Verständigung, und was sie im Falle ihres Zustandekommens praktisch bedeuten würde, haben wir uns im vorigen Hefte der Grenzboten ausgesprochen. Von dem englischen Flotten¬ besuch in Kronstäbe, der nach der Prophezeiung einiger Blätter das Werk der Ver¬ ständigung krönen sollte, ist es wieder still geworden. Es war auch schwerlich an¬ zunehmen, daß den russischen Behörden in Petersburg und in Kronstäbe angesichts der innern Lage und nach den Vorgängen bet der russischen Marine in Kronstäbe der Besuch einer fremden Flotte hätte irgend genehm sein können; auch könnten die englischen Urlauber in den russischen Küstenstädten in recht unangenehme Situationen kommen. Ob in den obern britischen Marinekreisen die Absicht eines solchen Besuchs bestanden hat, mag dahingestellt bleiben, auf russischer Seite hätte schwerlich die Absicht besteh» können, einen solchen Besuch zu empfangen oder seinen Empfang wohlwollend zuzusagen. Nachdem die früher vor Kronstäbe gelegne russische Ostsee¬ flotte im Stillen Ozean vernichtet worden ist und Rußland einen Ersatz dafür noch nicht herzustellen vermocht hat, würde ein englischer Flottenbesuch doch im leeren Neste erfolgt sein und dadurch einen Beigeschmack erhalten haben, der schwerlich im Sinne einer Verständigung liegen konnte. Alle diese Dinge machen sich, nahe besehen und unter die politische Lupe ge¬ nommen, wesentlich anders als in den sensationellen Ankündigungen jener Presse, die ja auch schon den König von England nach Petersburg reisen ließ. Wenn nicht Dinge geschehn, die außerhalb jeder menschlichen Berechnung liegen, werden wir wenigstens den politischen Barometer in diesem Sommer langsam aber stetig steigen sehen. Wie sich die Wiener Begegnung selbst als ein aufklärendes und für die europäischen Verhältnisse wohltätiges Ereignis erwiesen hat, darf man annehmen, daß sie als solches nicht vereinzelt bleiben wird. Als wohltätig wirkendes Ereignis soll ohne Zweifel auch der bevorstehende Besuch einer Anzahl eingeladner deutscher Journalisten in England wirken, deren ein sehr freundlicher Empfang harrt. Die nächste Folge wird die sein, daß der großartige Eindruck, den jeder kontinentale Besucher Englands dort i» sich aufnimmt, die Stimmung und Haltung der deutschen Presse beeinflussen und zu dem gegenseitigen Sichverstehn wesentlich beitragen wird. Dessen Mangel hat schon dazu geführt, daß England und Deutschland heute ebenso auf die Nordsee starren wie seit 1871 Deutschland und Frankreich auf die Vogesen. Es ist das eigentümliche Schicksal des Dreibundes, zumal des deutsch-öster¬ reichischen Bündnisses, daß es gegen Gefahren geschlossen worden ist, die niemals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/617>, abgerufen am 24.07.2024.