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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Zur Lriimerunz an Ludolf Lamphausen

vergleichen, das unter Absonderung von Epirus, Jllyrien usw. (Österreich-Ungarn)
durch Makedonien-Preußen geeint worden ist. Aber wenn Alexander der Große
im Westen so starke und gefährliche Gegner gehabt hätte, wie das Deutsche
Reich sie hat, dann wäre er wohl auch nicht nach dem Osten gezogen. Es
fragt sich freilich, ob das Jahr 1885, der Burenkrieg, der russisch-japanische
Krieg nicht günstige Gelegenheiten zur Wiederaufnahme einer großen europäischen
Politik geboten hätten. Aus welchen Gründen das unterblieben ist. das wird
Wohl erst aus den diplomatischen Geheimarchiven zu ersehen sein, die sich kom¬
menden Geschlechtern öffnen werden.

Nachschrift des Verfassers.

Di
e inzwischen vollzognen Wahlen zur
Neichsduma haben meine Prognosen durchweg bestätigt. Unter allen "Fremd¬
stämmigen" Rußlands haben nur die revolutionären Polen, Juden, Letten und
Ehlen bedeutende Wahlerfolge erreicht, und von sämtlichen Völkern des weiten
Reiches waren ungeachtet aller deutschfeindlichen Treibereien nur Groß- und
Kleinrussen duldsam oder bequem genug, der Wahl der deutschen Abgeordneten
(Widmer in Bessarabien, Münch in Chersson, Dietz in Saratow, Schellhorn in
Samara) keinen nationalen Terrorismus, keine unlautern Umtriebe entgegen¬
zusetzen. An allen diesen Punkten vermochten die Deutschen nur dadurch zu
siegen, daß kein eiserner Ring der revolutionären und reichsfeindlichen Elemente
gegen sie geschmiedet wurde, und daß ihre russischen Nachbarn weniger zahlreich
und weit unpünktlicher an den Urnen erschienen als sie.




Zur Erinnerung an Ludolf (Lamphausen

MßiM>u den Männern, die während der großen Krisis der werdenden
deutschen Nation von 1843 bis 1852 eine ganz hervorragende
Rolle gespielt, außerdem aber auch durch Reinheit ihres Wesens
I und bedeutende menschliche Eigenschaften sich den Anspruch auf ein
I unvergängliches Andenken erworben haben, gehört der Rheinländer
Ludolf Camphausen. Sein Bild versucht auf Grund eines sehr reichen Materials
von Briefen, Reden und Akten eine Landsmännin von ihm, die Kölnerin Anna
Caspary, durch eine umfangreiche Monographie: Ludolf Camphausens
Leben*) mit Glück und Geschick wiederzuerwecken. Diese Monographie ist nicht
nur für den Historiker interessant, der das aus den Briefen Ludolfs und seines
Bruders Otto, des spätern preußischen Finanzministers (1869 bis 1878). gezogne
Material und manche noch unbekannte persönliche Äußerung Friedrich Wilhelms
des Vierten, Wilhelms des Ersten und seiner Gemahlin Augusta dankbar hin¬
nehmen wird, sondern für jeden gebildeten Menschen, ja man kann wohl sagen,
daß die Teile des Buches, in denen das allgemein Menschliche hervortritt, der



*) Ludolf Camphausens Leben. Nach seinem schriftlichen Nachlaß dargestellt von Anna
Caspary. Stuttgart und Berlin 1902, Cottasche Buchhandlung Nachfolger. XII u. 465 S.
Zur Lriimerunz an Ludolf Lamphausen

vergleichen, das unter Absonderung von Epirus, Jllyrien usw. (Österreich-Ungarn)
durch Makedonien-Preußen geeint worden ist. Aber wenn Alexander der Große
im Westen so starke und gefährliche Gegner gehabt hätte, wie das Deutsche
Reich sie hat, dann wäre er wohl auch nicht nach dem Osten gezogen. Es
fragt sich freilich, ob das Jahr 1885, der Burenkrieg, der russisch-japanische
Krieg nicht günstige Gelegenheiten zur Wiederaufnahme einer großen europäischen
Politik geboten hätten. Aus welchen Gründen das unterblieben ist. das wird
Wohl erst aus den diplomatischen Geheimarchiven zu ersehen sein, die sich kom¬
menden Geschlechtern öffnen werden.

Nachschrift des Verfassers.

Di
e inzwischen vollzognen Wahlen zur
Neichsduma haben meine Prognosen durchweg bestätigt. Unter allen „Fremd¬
stämmigen" Rußlands haben nur die revolutionären Polen, Juden, Letten und
Ehlen bedeutende Wahlerfolge erreicht, und von sämtlichen Völkern des weiten
Reiches waren ungeachtet aller deutschfeindlichen Treibereien nur Groß- und
Kleinrussen duldsam oder bequem genug, der Wahl der deutschen Abgeordneten
(Widmer in Bessarabien, Münch in Chersson, Dietz in Saratow, Schellhorn in
Samara) keinen nationalen Terrorismus, keine unlautern Umtriebe entgegen¬
zusetzen. An allen diesen Punkten vermochten die Deutschen nur dadurch zu
siegen, daß kein eiserner Ring der revolutionären und reichsfeindlichen Elemente
gegen sie geschmiedet wurde, und daß ihre russischen Nachbarn weniger zahlreich
und weit unpünktlicher an den Urnen erschienen als sie.




Zur Erinnerung an Ludolf (Lamphausen

MßiM>u den Männern, die während der großen Krisis der werdenden
deutschen Nation von 1843 bis 1852 eine ganz hervorragende
Rolle gespielt, außerdem aber auch durch Reinheit ihres Wesens
I und bedeutende menschliche Eigenschaften sich den Anspruch auf ein
I unvergängliches Andenken erworben haben, gehört der Rheinländer
Ludolf Camphausen. Sein Bild versucht auf Grund eines sehr reichen Materials
von Briefen, Reden und Akten eine Landsmännin von ihm, die Kölnerin Anna
Caspary, durch eine umfangreiche Monographie: Ludolf Camphausens
Leben*) mit Glück und Geschick wiederzuerwecken. Diese Monographie ist nicht
nur für den Historiker interessant, der das aus den Briefen Ludolfs und seines
Bruders Otto, des spätern preußischen Finanzministers (1869 bis 1878). gezogne
Material und manche noch unbekannte persönliche Äußerung Friedrich Wilhelms
des Vierten, Wilhelms des Ersten und seiner Gemahlin Augusta dankbar hin¬
nehmen wird, sondern für jeden gebildeten Menschen, ja man kann wohl sagen,
daß die Teile des Buches, in denen das allgemein Menschliche hervortritt, der



*) Ludolf Camphausens Leben. Nach seinem schriftlichen Nachlaß dargestellt von Anna
Caspary. Stuttgart und Berlin 1902, Cottasche Buchhandlung Nachfolger. XII u. 465 S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/587>, abgerufen am 27.12.2024.