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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Menschenfrühling

kündigte, auf einige Zeit zu verreisen. Zu dem dunkeln kleinen Herrn in Leipzig,
der Bücher druckte und verkaufte, und der ihn so oft und dringend eingeladen hatte.

Nachdem Onkel Willi diesen Satz gesprochen hatte, versank er in Nachdenken
und schaute lange auf ein großes Paket, das er in seine Reisetasche steckte.

Und was dann? fragte Anneli nach einer erwartungsvollen Pause. Denn daß
der Onkel wegreiste, war ihr doch etwas unheimlich.

Er zuckte die Achseln und fuhr sich über das Haar.

Es ist nichts weiter zu sagen, liebes Kind. Ich reise weg und werde, so Gott
will, bald wiederkommen. Bis dahin mußt du artig und fleißig sein.

Er vergaß ganz, daß Anneli Ferien hatte und also nicht fleißig zu sein brauchte,
und auch, daß sie kein Bedürfnis empfand, in dieser Zeit artig zu sein. Er
dachte nicht mehr an seine kleine Nichte. Schweigend ordnete er seine Sachen auf
dem Schreibtisch, zog seinen alten warmen Pelzrock an und ließ sich endlich von
Anneli an die Post bringen.

Als der wacklige Kasten mit den magern Pferden durch die Straßen des
Städtchens rollte, lief Anneli eine Weile nebenher, winkte mit der Hand und rief:
Lebe wohl, lebe wohl!

Aber Onkel Willi hatte den Kopf auf die Brust gesenkt und sah nicht in die Höhe.

Es war eben nach dem Mittagessen und frostklares Wetter. Anneli zog es
nicht zurück in das Schloß und zu Schwester Lene, sie bummelte in der Stadt
herum, stand erst vor einem Laden und dann vor Doktor Sudecks Haus. Die
Fenster waren noch verhängt, aber die Tür stand offen, und ein Mädchen fegte
den Flur. Es fiel Anneli ein, daß Karoline Lindig erzählt hatte, Sudecks würden
um Neujahr zurückerwartet. Weihnachten wollten sie noch anderswo verleben, weil
es hier zu traurig für sie werdeu würde.

Anneli hatte den Bericht gleichmütig angehört, und jetzt wußte sie auch nicht,
ob sie sich über Sudecks Rückkehr freuen sollte. Auf was freute man sich überhaupt?
Sie hatte sich auf Weihnachten gefreut, und sie hatte Christel lieb gehabt; aber die
Weihnachtsfreude war eine Enttäuschung geworden, und Christel lag unter dem
weißen Kreuz, und sie sollte sie erst in hundert Jahren wiedersehen.

Vor Anneli lief plötzlich ein ärmlich gekleideter Junge her. Er pfiff gellend
und schlenkerte an seinem Arm ein Paar verrosteter alter Schlittschuhe. Ein andrer
Junge stürzte hinter ihm drein. Er war noch zerlumpter, aber ein Paar alter Eisen
baumelte auch an seinem Gürtel.

Beide Knaben hatten es eilig, und Anneli lief ebenso schnell hinter ihnen her.
Bis zum See, dessen flaches Uferwasser mit einer Eisfläche bedeckt war. ans der
sich schon eine Anzahl Kinder tummelte. Der dicke Polizeidiener wandelte majestätisch
auf dem festen Boden hin und her, sprach einige warnende Worte und erzählte
jedem, der es hören wollte, wieviel Kinder schon in früheren Jahren hier ertrunken
wären. Aber nur einige frierende alte Männer trippelten bei ihm herum; die
Jugend stürzte mit Jubel und Hallo auf die glatte Fläche, und Anneli jubelte und
schrie mit.

Sie wußte später niemals so ganz genau, wie sie Schlittschuhlaufen gelernt
hatte. Aber sie konnte es plötzlich, hatte die häßlichen alten Dinger des einen
zerlumpten Knaben an ihren Füßen und entsann sich nur dunkel, daß sie ihr Taschen¬
tuch und eine kleine Tnchnadel als Leihgebühr dafür gegeben hatte. Sie fiel etliche¬
mal, stand auf, lachte und segelte weiter. So etwas Schönes gabs ans der ganzen
Welt nicht. Was schadeten ein Loch im Arm, eine Beule am Kopf?

Du wirst ganz ordentlich laufen lernen! sagte der zerlumpte Junge, während
er ihr die Schuhe wieder abschnallte. Morgen kannst wiederkommen, für ein Stück
Kuchen zeige ich dir eine Acht!

Es war dunkel, als Anneli nach Hause kam. Die Füße schmerzten sie, und
ihr Kopf brannte. Aber es war doch alles herrlich gewesen, und da Schwester
Lene infolge des Besuchs einer Verwandten Aureus Ausbleiben nicht beachtet hatte,


Menschenfrühling

kündigte, auf einige Zeit zu verreisen. Zu dem dunkeln kleinen Herrn in Leipzig,
der Bücher druckte und verkaufte, und der ihn so oft und dringend eingeladen hatte.

Nachdem Onkel Willi diesen Satz gesprochen hatte, versank er in Nachdenken
und schaute lange auf ein großes Paket, das er in seine Reisetasche steckte.

Und was dann? fragte Anneli nach einer erwartungsvollen Pause. Denn daß
der Onkel wegreiste, war ihr doch etwas unheimlich.

Er zuckte die Achseln und fuhr sich über das Haar.

Es ist nichts weiter zu sagen, liebes Kind. Ich reise weg und werde, so Gott
will, bald wiederkommen. Bis dahin mußt du artig und fleißig sein.

Er vergaß ganz, daß Anneli Ferien hatte und also nicht fleißig zu sein brauchte,
und auch, daß sie kein Bedürfnis empfand, in dieser Zeit artig zu sein. Er
dachte nicht mehr an seine kleine Nichte. Schweigend ordnete er seine Sachen auf
dem Schreibtisch, zog seinen alten warmen Pelzrock an und ließ sich endlich von
Anneli an die Post bringen.

Als der wacklige Kasten mit den magern Pferden durch die Straßen des
Städtchens rollte, lief Anneli eine Weile nebenher, winkte mit der Hand und rief:
Lebe wohl, lebe wohl!

Aber Onkel Willi hatte den Kopf auf die Brust gesenkt und sah nicht in die Höhe.

Es war eben nach dem Mittagessen und frostklares Wetter. Anneli zog es
nicht zurück in das Schloß und zu Schwester Lene, sie bummelte in der Stadt
herum, stand erst vor einem Laden und dann vor Doktor Sudecks Haus. Die
Fenster waren noch verhängt, aber die Tür stand offen, und ein Mädchen fegte
den Flur. Es fiel Anneli ein, daß Karoline Lindig erzählt hatte, Sudecks würden
um Neujahr zurückerwartet. Weihnachten wollten sie noch anderswo verleben, weil
es hier zu traurig für sie werdeu würde.

Anneli hatte den Bericht gleichmütig angehört, und jetzt wußte sie auch nicht,
ob sie sich über Sudecks Rückkehr freuen sollte. Auf was freute man sich überhaupt?
Sie hatte sich auf Weihnachten gefreut, und sie hatte Christel lieb gehabt; aber die
Weihnachtsfreude war eine Enttäuschung geworden, und Christel lag unter dem
weißen Kreuz, und sie sollte sie erst in hundert Jahren wiedersehen.

Vor Anneli lief plötzlich ein ärmlich gekleideter Junge her. Er pfiff gellend
und schlenkerte an seinem Arm ein Paar verrosteter alter Schlittschuhe. Ein andrer
Junge stürzte hinter ihm drein. Er war noch zerlumpter, aber ein Paar alter Eisen
baumelte auch an seinem Gürtel.

Beide Knaben hatten es eilig, und Anneli lief ebenso schnell hinter ihnen her.
Bis zum See, dessen flaches Uferwasser mit einer Eisfläche bedeckt war. ans der
sich schon eine Anzahl Kinder tummelte. Der dicke Polizeidiener wandelte majestätisch
auf dem festen Boden hin und her, sprach einige warnende Worte und erzählte
jedem, der es hören wollte, wieviel Kinder schon in früheren Jahren hier ertrunken
wären. Aber nur einige frierende alte Männer trippelten bei ihm herum; die
Jugend stürzte mit Jubel und Hallo auf die glatte Fläche, und Anneli jubelte und
schrie mit.

Sie wußte später niemals so ganz genau, wie sie Schlittschuhlaufen gelernt
hatte. Aber sie konnte es plötzlich, hatte die häßlichen alten Dinger des einen
zerlumpten Knaben an ihren Füßen und entsann sich nur dunkel, daß sie ihr Taschen¬
tuch und eine kleine Tnchnadel als Leihgebühr dafür gegeben hatte. Sie fiel etliche¬
mal, stand auf, lachte und segelte weiter. So etwas Schönes gabs ans der ganzen
Welt nicht. Was schadeten ein Loch im Arm, eine Beule am Kopf?

Du wirst ganz ordentlich laufen lernen! sagte der zerlumpte Junge, während
er ihr die Schuhe wieder abschnallte. Morgen kannst wiederkommen, für ein Stück
Kuchen zeige ich dir eine Acht!

Es war dunkel, als Anneli nach Hause kam. Die Füße schmerzten sie, und
ihr Kopf brannte. Aber es war doch alles herrlich gewesen, und da Schwester
Lene infolge des Besuchs einer Verwandten Aureus Ausbleiben nicht beachtet hatte,


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[0507] Menschenfrühling kündigte, auf einige Zeit zu verreisen. Zu dem dunkeln kleinen Herrn in Leipzig, der Bücher druckte und verkaufte, und der ihn so oft und dringend eingeladen hatte. Nachdem Onkel Willi diesen Satz gesprochen hatte, versank er in Nachdenken und schaute lange auf ein großes Paket, das er in seine Reisetasche steckte. Und was dann? fragte Anneli nach einer erwartungsvollen Pause. Denn daß der Onkel wegreiste, war ihr doch etwas unheimlich. Er zuckte die Achseln und fuhr sich über das Haar. Es ist nichts weiter zu sagen, liebes Kind. Ich reise weg und werde, so Gott will, bald wiederkommen. Bis dahin mußt du artig und fleißig sein. Er vergaß ganz, daß Anneli Ferien hatte und also nicht fleißig zu sein brauchte, und auch, daß sie kein Bedürfnis empfand, in dieser Zeit artig zu sein. Er dachte nicht mehr an seine kleine Nichte. Schweigend ordnete er seine Sachen auf dem Schreibtisch, zog seinen alten warmen Pelzrock an und ließ sich endlich von Anneli an die Post bringen. Als der wacklige Kasten mit den magern Pferden durch die Straßen des Städtchens rollte, lief Anneli eine Weile nebenher, winkte mit der Hand und rief: Lebe wohl, lebe wohl! Aber Onkel Willi hatte den Kopf auf die Brust gesenkt und sah nicht in die Höhe. Es war eben nach dem Mittagessen und frostklares Wetter. Anneli zog es nicht zurück in das Schloß und zu Schwester Lene, sie bummelte in der Stadt herum, stand erst vor einem Laden und dann vor Doktor Sudecks Haus. Die Fenster waren noch verhängt, aber die Tür stand offen, und ein Mädchen fegte den Flur. Es fiel Anneli ein, daß Karoline Lindig erzählt hatte, Sudecks würden um Neujahr zurückerwartet. Weihnachten wollten sie noch anderswo verleben, weil es hier zu traurig für sie werdeu würde. Anneli hatte den Bericht gleichmütig angehört, und jetzt wußte sie auch nicht, ob sie sich über Sudecks Rückkehr freuen sollte. Auf was freute man sich überhaupt? Sie hatte sich auf Weihnachten gefreut, und sie hatte Christel lieb gehabt; aber die Weihnachtsfreude war eine Enttäuschung geworden, und Christel lag unter dem weißen Kreuz, und sie sollte sie erst in hundert Jahren wiedersehen. Vor Anneli lief plötzlich ein ärmlich gekleideter Junge her. Er pfiff gellend und schlenkerte an seinem Arm ein Paar verrosteter alter Schlittschuhe. Ein andrer Junge stürzte hinter ihm drein. Er war noch zerlumpter, aber ein Paar alter Eisen baumelte auch an seinem Gürtel. Beide Knaben hatten es eilig, und Anneli lief ebenso schnell hinter ihnen her. Bis zum See, dessen flaches Uferwasser mit einer Eisfläche bedeckt war. ans der sich schon eine Anzahl Kinder tummelte. Der dicke Polizeidiener wandelte majestätisch auf dem festen Boden hin und her, sprach einige warnende Worte und erzählte jedem, der es hören wollte, wieviel Kinder schon in früheren Jahren hier ertrunken wären. Aber nur einige frierende alte Männer trippelten bei ihm herum; die Jugend stürzte mit Jubel und Hallo auf die glatte Fläche, und Anneli jubelte und schrie mit. Sie wußte später niemals so ganz genau, wie sie Schlittschuhlaufen gelernt hatte. Aber sie konnte es plötzlich, hatte die häßlichen alten Dinger des einen zerlumpten Knaben an ihren Füßen und entsann sich nur dunkel, daß sie ihr Taschen¬ tuch und eine kleine Tnchnadel als Leihgebühr dafür gegeben hatte. Sie fiel etliche¬ mal, stand auf, lachte und segelte weiter. So etwas Schönes gabs ans der ganzen Welt nicht. Was schadeten ein Loch im Arm, eine Beule am Kopf? Du wirst ganz ordentlich laufen lernen! sagte der zerlumpte Junge, während er ihr die Schuhe wieder abschnallte. Morgen kannst wiederkommen, für ein Stück Kuchen zeige ich dir eine Acht! Es war dunkel, als Anneli nach Hause kam. Die Füße schmerzten sie, und ihr Kopf brannte. Aber es war doch alles herrlich gewesen, und da Schwester Lene infolge des Besuchs einer Verwandten Aureus Ausbleiben nicht beachtet hatte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/507>, abgerufen am 24.07.2024.