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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist. Je höher die Flut rings um den Habsburgischen Thron steigt, um so fester
und sicherer ist der Kaiser der Fels in, Meer, in seiner Person die eherne Klammer,
die alle Völkerteile der Monarchie, namentlich beide Reichshälften zusammenhält.
Die tschechische Bewegung ebenso wie die magyarische hat in ihren Auswüchsen
längst einen antidynastischen, einen antimonarchischen Charakter angenommen, nur vor
der Person des hochbetagten Kaisers haben diese Agitationen Halt gemacht. In seiner
langen Regierungszeit ist ihm als Herrscher wie als Menschen keine Bitterkeit erspart
geblieben, er hat den Kelch bis ans die Neige geleert. Mit achtzehn Jahren
hat er inmitten von Wirren, die beide Reichshälften schwer erschüttert hatten, die
Regierung antreten müssen, und jetzt am späten Abend seines Lebens sieht er die
damals gebändigten Wogen von neuem und drohender aufschäumen. Es gelang
ihm damals, nicht nur die Herrschaft der Staatsautorität wiederherzustellen, sondern
auch Österreichs erschütterte Stellung in Deutschland so zu kräftigen, daß es sich
wieder als deutsche Vormacht behauptete. Aus der Katastrophe von 1866 ging
die Doppelmonarchie neu verjüngt hervor. Die Trennung von Deutschland kam
ihr in jeder Hinsicht zustatten, sie konnte dem jungen Deutschen Reiche kraftvoll in
die Bruderhand einschlagen. Die starke Anlehnung, die die Habsburgische Monarchie
an dem monarchischen Deutschland fand, war für sie ein Fundament ihres Ansehens,
eine Quelle ihrer Kraft; durch das nun siebenundzwanzigjährige Bündnis beider
Staaten wurde dieses Verhältnis besiegelt.

Die deutsche Reichspolitik hat nie daran gedacht, sich in die innern Verhält¬
nisse des Kaiserstaats oder in seine Beziehungen zu Ungarn einzumischen, noch
weniger ist es dem Kaiser in den Sinn gekommen, seinem väterlichen Freunde,
der des Monarchenhandwerks so kundig ist, einen Rat erteilen zu wollen. Das
war auch nicht nötig. Die festgefügten Beziehungen beider Herrscher zueinander,
die vertragsmäßig verbürgte Anlehnung Österreich-Ungarns an das Deutsche Reich
und der Anspruch wiederum, den Deutschland auf die gleiche Bündnistreue erheben
konnte, waren Rats genug und durch alle innern Wirrnisse Österreich-Ungarns ein
unverrückbarer Wegweiser. In der Frage der deutschen Kommandosprache hat
Kaiser Franz Joseph zudem wahrlich keines Beraters bedurft. Er fühlt sich für
seine Person heute noch als deutscher Fürst. Wenn er noch einer andern Mahnung
folgt als der seines eignen Gewissens, so ist es die des verewigten Erzherzogs
Albrecht, der ihn lebend und sterbend beschwor, von diesem letzten und festesten Anker
der Habsburger Monarchie, der Einheitlichkeit der Armee und ihrer Kommcmdo-
svrache, nicht zu lassen. Die ungarischen Blätter, die in Kaiser Wilhelm den Be¬
rater sehen, der ihre nationalen antidynastischen Pläne vereitelt hat, tun ihrem
Herrscher ebenso unrecht wie dem deutschen Reichsoberhaupt. Gewiß würden wir
es in Deutschland tief bedauern, wenn es den krankhaft überspannten Forderungen
ungarischer Parteien gelänge, die Axt an die Wurzeln des österreichisch-ungarischen
Heeres zu legen, die Quellen seiner einheitlichen Kraft zu verschütten, die seit mehr
als einem Vierteljahrhundert eine starke Bürgschaft des europäischen Friedens ist.
Aber ebensowenig wie wir auf den Zerfall Österreichs spekulieren -- wir würden
im Gegenteil zu jeder Maßregel bereit sein, die geeignet wäre, dem Zerfall vorzu¬
beugen --, ebensowenig hat sich die deutsche Politik je berufen geglaubt, in den innern
Angelegenheiten Österreichs oder Ungarns einen Rat aufzudrängen. Wohl um den
Kaiser Franz Joseph mißtrauisch zu machen und von Deutschland abzuwenden, hat
man verbreitet, daß Kaiser Wilhelm für einen seiner Söhne nach der ungarischen
Krone trachte, oder daß Deutschland die Annexion der deutschen Landesteile Öster¬
reichs vorbereite -- alle solche Pfeile prallen an dem Panzer der persönlichen
Freundschaft und des persönlichen Vertrauens beider Herrscher kraftlos ab. Hier
'"'d Bürgschaften errichtet, die durch keine wie immer geartete Verdächtigung, von
">em sie auch kommen möge, erreicht werden können. Gewiß werden beide Herrscher,
wenn sie einander Auge in Auge gegenüberstehn, Gedanken über die Weltlage zu
ansehen haben, schon die innere Situation des benachbarten Rußlands böte allen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist. Je höher die Flut rings um den Habsburgischen Thron steigt, um so fester
und sicherer ist der Kaiser der Fels in, Meer, in seiner Person die eherne Klammer,
die alle Völkerteile der Monarchie, namentlich beide Reichshälften zusammenhält.
Die tschechische Bewegung ebenso wie die magyarische hat in ihren Auswüchsen
längst einen antidynastischen, einen antimonarchischen Charakter angenommen, nur vor
der Person des hochbetagten Kaisers haben diese Agitationen Halt gemacht. In seiner
langen Regierungszeit ist ihm als Herrscher wie als Menschen keine Bitterkeit erspart
geblieben, er hat den Kelch bis ans die Neige geleert. Mit achtzehn Jahren
hat er inmitten von Wirren, die beide Reichshälften schwer erschüttert hatten, die
Regierung antreten müssen, und jetzt am späten Abend seines Lebens sieht er die
damals gebändigten Wogen von neuem und drohender aufschäumen. Es gelang
ihm damals, nicht nur die Herrschaft der Staatsautorität wiederherzustellen, sondern
auch Österreichs erschütterte Stellung in Deutschland so zu kräftigen, daß es sich
wieder als deutsche Vormacht behauptete. Aus der Katastrophe von 1866 ging
die Doppelmonarchie neu verjüngt hervor. Die Trennung von Deutschland kam
ihr in jeder Hinsicht zustatten, sie konnte dem jungen Deutschen Reiche kraftvoll in
die Bruderhand einschlagen. Die starke Anlehnung, die die Habsburgische Monarchie
an dem monarchischen Deutschland fand, war für sie ein Fundament ihres Ansehens,
eine Quelle ihrer Kraft; durch das nun siebenundzwanzigjährige Bündnis beider
Staaten wurde dieses Verhältnis besiegelt.

Die deutsche Reichspolitik hat nie daran gedacht, sich in die innern Verhält¬
nisse des Kaiserstaats oder in seine Beziehungen zu Ungarn einzumischen, noch
weniger ist es dem Kaiser in den Sinn gekommen, seinem väterlichen Freunde,
der des Monarchenhandwerks so kundig ist, einen Rat erteilen zu wollen. Das
war auch nicht nötig. Die festgefügten Beziehungen beider Herrscher zueinander,
die vertragsmäßig verbürgte Anlehnung Österreich-Ungarns an das Deutsche Reich
und der Anspruch wiederum, den Deutschland auf die gleiche Bündnistreue erheben
konnte, waren Rats genug und durch alle innern Wirrnisse Österreich-Ungarns ein
unverrückbarer Wegweiser. In der Frage der deutschen Kommandosprache hat
Kaiser Franz Joseph zudem wahrlich keines Beraters bedurft. Er fühlt sich für
seine Person heute noch als deutscher Fürst. Wenn er noch einer andern Mahnung
folgt als der seines eignen Gewissens, so ist es die des verewigten Erzherzogs
Albrecht, der ihn lebend und sterbend beschwor, von diesem letzten und festesten Anker
der Habsburger Monarchie, der Einheitlichkeit der Armee und ihrer Kommcmdo-
svrache, nicht zu lassen. Die ungarischen Blätter, die in Kaiser Wilhelm den Be¬
rater sehen, der ihre nationalen antidynastischen Pläne vereitelt hat, tun ihrem
Herrscher ebenso unrecht wie dem deutschen Reichsoberhaupt. Gewiß würden wir
es in Deutschland tief bedauern, wenn es den krankhaft überspannten Forderungen
ungarischer Parteien gelänge, die Axt an die Wurzeln des österreichisch-ungarischen
Heeres zu legen, die Quellen seiner einheitlichen Kraft zu verschütten, die seit mehr
als einem Vierteljahrhundert eine starke Bürgschaft des europäischen Friedens ist.
Aber ebensowenig wie wir auf den Zerfall Österreichs spekulieren — wir würden
im Gegenteil zu jeder Maßregel bereit sein, die geeignet wäre, dem Zerfall vorzu¬
beugen —, ebensowenig hat sich die deutsche Politik je berufen geglaubt, in den innern
Angelegenheiten Österreichs oder Ungarns einen Rat aufzudrängen. Wohl um den
Kaiser Franz Joseph mißtrauisch zu machen und von Deutschland abzuwenden, hat
man verbreitet, daß Kaiser Wilhelm für einen seiner Söhne nach der ungarischen
Krone trachte, oder daß Deutschland die Annexion der deutschen Landesteile Öster¬
reichs vorbereite — alle solche Pfeile prallen an dem Panzer der persönlichen
Freundschaft und des persönlichen Vertrauens beider Herrscher kraftlos ab. Hier
'"'d Bürgschaften errichtet, die durch keine wie immer geartete Verdächtigung, von
">em sie auch kommen möge, erreicht werden können. Gewiß werden beide Herrscher,
wenn sie einander Auge in Auge gegenüberstehn, Gedanken über die Weltlage zu
ansehen haben, schon die innere Situation des benachbarten Rußlands böte allen


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[0403] Maßgebliches und Unmaßgebliches ist. Je höher die Flut rings um den Habsburgischen Thron steigt, um so fester und sicherer ist der Kaiser der Fels in, Meer, in seiner Person die eherne Klammer, die alle Völkerteile der Monarchie, namentlich beide Reichshälften zusammenhält. Die tschechische Bewegung ebenso wie die magyarische hat in ihren Auswüchsen längst einen antidynastischen, einen antimonarchischen Charakter angenommen, nur vor der Person des hochbetagten Kaisers haben diese Agitationen Halt gemacht. In seiner langen Regierungszeit ist ihm als Herrscher wie als Menschen keine Bitterkeit erspart geblieben, er hat den Kelch bis ans die Neige geleert. Mit achtzehn Jahren hat er inmitten von Wirren, die beide Reichshälften schwer erschüttert hatten, die Regierung antreten müssen, und jetzt am späten Abend seines Lebens sieht er die damals gebändigten Wogen von neuem und drohender aufschäumen. Es gelang ihm damals, nicht nur die Herrschaft der Staatsautorität wiederherzustellen, sondern auch Österreichs erschütterte Stellung in Deutschland so zu kräftigen, daß es sich wieder als deutsche Vormacht behauptete. Aus der Katastrophe von 1866 ging die Doppelmonarchie neu verjüngt hervor. Die Trennung von Deutschland kam ihr in jeder Hinsicht zustatten, sie konnte dem jungen Deutschen Reiche kraftvoll in die Bruderhand einschlagen. Die starke Anlehnung, die die Habsburgische Monarchie an dem monarchischen Deutschland fand, war für sie ein Fundament ihres Ansehens, eine Quelle ihrer Kraft; durch das nun siebenundzwanzigjährige Bündnis beider Staaten wurde dieses Verhältnis besiegelt. Die deutsche Reichspolitik hat nie daran gedacht, sich in die innern Verhält¬ nisse des Kaiserstaats oder in seine Beziehungen zu Ungarn einzumischen, noch weniger ist es dem Kaiser in den Sinn gekommen, seinem väterlichen Freunde, der des Monarchenhandwerks so kundig ist, einen Rat erteilen zu wollen. Das war auch nicht nötig. Die festgefügten Beziehungen beider Herrscher zueinander, die vertragsmäßig verbürgte Anlehnung Österreich-Ungarns an das Deutsche Reich und der Anspruch wiederum, den Deutschland auf die gleiche Bündnistreue erheben konnte, waren Rats genug und durch alle innern Wirrnisse Österreich-Ungarns ein unverrückbarer Wegweiser. In der Frage der deutschen Kommandosprache hat Kaiser Franz Joseph zudem wahrlich keines Beraters bedurft. Er fühlt sich für seine Person heute noch als deutscher Fürst. Wenn er noch einer andern Mahnung folgt als der seines eignen Gewissens, so ist es die des verewigten Erzherzogs Albrecht, der ihn lebend und sterbend beschwor, von diesem letzten und festesten Anker der Habsburger Monarchie, der Einheitlichkeit der Armee und ihrer Kommcmdo- svrache, nicht zu lassen. Die ungarischen Blätter, die in Kaiser Wilhelm den Be¬ rater sehen, der ihre nationalen antidynastischen Pläne vereitelt hat, tun ihrem Herrscher ebenso unrecht wie dem deutschen Reichsoberhaupt. Gewiß würden wir es in Deutschland tief bedauern, wenn es den krankhaft überspannten Forderungen ungarischer Parteien gelänge, die Axt an die Wurzeln des österreichisch-ungarischen Heeres zu legen, die Quellen seiner einheitlichen Kraft zu verschütten, die seit mehr als einem Vierteljahrhundert eine starke Bürgschaft des europäischen Friedens ist. Aber ebensowenig wie wir auf den Zerfall Österreichs spekulieren — wir würden im Gegenteil zu jeder Maßregel bereit sein, die geeignet wäre, dem Zerfall vorzu¬ beugen —, ebensowenig hat sich die deutsche Politik je berufen geglaubt, in den innern Angelegenheiten Österreichs oder Ungarns einen Rat aufzudrängen. Wohl um den Kaiser Franz Joseph mißtrauisch zu machen und von Deutschland abzuwenden, hat man verbreitet, daß Kaiser Wilhelm für einen seiner Söhne nach der ungarischen Krone trachte, oder daß Deutschland die Annexion der deutschen Landesteile Öster¬ reichs vorbereite — alle solche Pfeile prallen an dem Panzer der persönlichen Freundschaft und des persönlichen Vertrauens beider Herrscher kraftlos ab. Hier '"'d Bürgschaften errichtet, die durch keine wie immer geartete Verdächtigung, von ">em sie auch kommen möge, erreicht werden können. Gewiß werden beide Herrscher, wenn sie einander Auge in Auge gegenüberstehn, Gedanken über die Weltlage zu ansehen haben, schon die innere Situation des benachbarten Rußlands böte allen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/403>, abgerufen am 24.07.2024.