Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Die Weltlage nach dem Schluß der Algeciras-Aonferenz Ein eignes Komitee, Ooinits an Rai-vo, hatte sich gebildet, französische Banken Deutschland hat der französischen Expansionspolitik in Nordafrika in frühern Diese Bestimmung ist besonders wichtig, weil sie der Ausgangspunkt der Im Laufe der folgenden Jahrzehnte trat Marokko enger mit den größern Die Weltlage nach dem Schluß der Algeciras-Aonferenz Ein eignes Komitee, Ooinits an Rai-vo, hatte sich gebildet, französische Banken Deutschland hat der französischen Expansionspolitik in Nordafrika in frühern Diese Bestimmung ist besonders wichtig, weil sie der Ausgangspunkt der Im Laufe der folgenden Jahrzehnte trat Marokko enger mit den größern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299081"/> <fw type="header" place="top"> Die Weltlage nach dem Schluß der Algeciras-Aonferenz</fw><lb/> <p xml:id="ID_104" prev="#ID_103"> Ein eignes Komitee, Ooinits an Rai-vo, hatte sich gebildet, französische Banken<lb/> hatten sich zur gemeinsamen Aktion gruppiert, um die Verlegenheiten des<lb/> Sultans nach Möglichkeit auszunutzen, die Abmachung mit England gab den<lb/> Segen und verriet zugleich die Absicht Frankreichs, nun mit allen Kräften an<lb/> die Erfüllung des lange gehegten Wunsches heranzutreten. Was dabei ab¬<lb/> sichtlich oder unabsichtlich übersehen wurde, war die Tatsache, daß Marokko in¬<lb/> zwischen wiederholt Gegenstand europäischer Verträge geworden war; einer<lb/> davon, die Konvention von Madrid, trug die Unterschrift Frankreichs und war<lb/> wesentlich auf Betreiben Frankreichs abgeschlossen worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_105"> Deutschland hat der französischen Expansionspolitik in Nordafrika in frühern<lb/> Zeiten gleichgiltiger und aus diesem Grunde wohlwollender gegenübergestanden,<lb/> als dieses heute, wo sich die Interessen der einzelnen Länder auf dem Weltmarkt<lb/> immer enger drängen, möglich sein kann. Je mehr unsre Bevölkerung zunimmt,<lb/> je mehr wir infolgedessen auf die Industrie und auf die Ausfuhr dieser Industrie<lb/> angewiesen sind, um so weniger können wir zugeben, daß die für diese Ausfuhr<lb/> noch offnen Länder einseitig von irgendeiner Macht besetzt werden, ohne daß<lb/> Garantien von Dauer für die offne Tür, d. h. für die unbehinderte Einfuhr<lb/> deutscher Erzeugnisse, gegeben werden. Die Marokkvkvnferenz von 1880 hatte<lb/> freilich im wesentlichen nur die Tendenz, die Gleichberechtigung des Schutzes zu<lb/> sichern. Es handelte sich damals in der Hauptsache um die Formulierung der<lb/> Bedingungen für den Schutz der Konsuln und der Konsularagenten sowie um die<lb/> Besteuerung der Fremden und der Schutzgenossen; Fragen der Erschließung des<lb/> Landes oder gar seiner Bevormundung, wie jetzt in Algeciras, standen damals<lb/> nicht auf der Tagesordnung. Es war gewissermaßen eine Abmachung, die die<lb/> Mächte mit Marokko zur Regelung der Schutzfrage trafen. Immerhin aber ist<lb/> bemerkenswert, daß diese Abmachung an zwei Stellen das Meistbegünstigungs¬<lb/> prinzip statuiert. Am Schluß des Artikel 6 wird ausgesprochen, daß jede Aus¬<lb/> nahme von den verabredeten Schutzbestimmungeu, die der Sultan erlaubt, jede<lb/> der vertragschließenden Mächte berechtige, dasselbe Zugeständnis für sich zu<lb/> verlangen, und der Artikel 17 besagt wörtlich: „Das Recht auf Behandlung als<lb/> meistbegünstigte Nation wird seitens Marokkos als allen auf der Konferenz von<lb/> Madrid vertretenen Mächten zustehend anerkannt."</p><lb/> <p xml:id="ID_106"> Diese Bestimmung ist besonders wichtig, weil sie der Ausgangspunkt der<lb/> deutschen Aktion von 1905 geworden ist und durch die Verhandlungen der<lb/> Konferenz von Algeciras sowie durch die dort getroffnen Abmachungen ihre<lb/> internationale Weihe empfangen hat. Die Konvention von 1880 war nnr eine<lb/> Erweiterung einer vorhergegangnen von 1863, die ebenfalls wie diese die Aus¬<lb/> übung des Schutzrechts zum Gegenstande hatte. Es ist offenbar, daß das<lb/> Interesse aller Staaten, die hierfür in Betracht kamen, ziemlich gleichmäßig<lb/> war, und da wir um jene Zeit besondre Interessen in Marokko nur in geringem<lb/> Umfange hatten, so ist es begreiflich, daß zur Erreichung des gemeinsamen<lb/> Zwecks der deutsche Vertreter angewiesen wurde, sich dem Frankreichs anzu¬<lb/> schließen. Es wird weiterhin auf diesen Punkt noch zurückzukommen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_107" next="#ID_108"> Im Laufe der folgenden Jahrzehnte trat Marokko enger mit den größern<lb/> europäischen Staaten in Verbindung. Es entsandte wiederholt Gesandtschaften</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Die Weltlage nach dem Schluß der Algeciras-Aonferenz
Ein eignes Komitee, Ooinits an Rai-vo, hatte sich gebildet, französische Banken
hatten sich zur gemeinsamen Aktion gruppiert, um die Verlegenheiten des
Sultans nach Möglichkeit auszunutzen, die Abmachung mit England gab den
Segen und verriet zugleich die Absicht Frankreichs, nun mit allen Kräften an
die Erfüllung des lange gehegten Wunsches heranzutreten. Was dabei ab¬
sichtlich oder unabsichtlich übersehen wurde, war die Tatsache, daß Marokko in¬
zwischen wiederholt Gegenstand europäischer Verträge geworden war; einer
davon, die Konvention von Madrid, trug die Unterschrift Frankreichs und war
wesentlich auf Betreiben Frankreichs abgeschlossen worden.
Deutschland hat der französischen Expansionspolitik in Nordafrika in frühern
Zeiten gleichgiltiger und aus diesem Grunde wohlwollender gegenübergestanden,
als dieses heute, wo sich die Interessen der einzelnen Länder auf dem Weltmarkt
immer enger drängen, möglich sein kann. Je mehr unsre Bevölkerung zunimmt,
je mehr wir infolgedessen auf die Industrie und auf die Ausfuhr dieser Industrie
angewiesen sind, um so weniger können wir zugeben, daß die für diese Ausfuhr
noch offnen Länder einseitig von irgendeiner Macht besetzt werden, ohne daß
Garantien von Dauer für die offne Tür, d. h. für die unbehinderte Einfuhr
deutscher Erzeugnisse, gegeben werden. Die Marokkvkvnferenz von 1880 hatte
freilich im wesentlichen nur die Tendenz, die Gleichberechtigung des Schutzes zu
sichern. Es handelte sich damals in der Hauptsache um die Formulierung der
Bedingungen für den Schutz der Konsuln und der Konsularagenten sowie um die
Besteuerung der Fremden und der Schutzgenossen; Fragen der Erschließung des
Landes oder gar seiner Bevormundung, wie jetzt in Algeciras, standen damals
nicht auf der Tagesordnung. Es war gewissermaßen eine Abmachung, die die
Mächte mit Marokko zur Regelung der Schutzfrage trafen. Immerhin aber ist
bemerkenswert, daß diese Abmachung an zwei Stellen das Meistbegünstigungs¬
prinzip statuiert. Am Schluß des Artikel 6 wird ausgesprochen, daß jede Aus¬
nahme von den verabredeten Schutzbestimmungeu, die der Sultan erlaubt, jede
der vertragschließenden Mächte berechtige, dasselbe Zugeständnis für sich zu
verlangen, und der Artikel 17 besagt wörtlich: „Das Recht auf Behandlung als
meistbegünstigte Nation wird seitens Marokkos als allen auf der Konferenz von
Madrid vertretenen Mächten zustehend anerkannt."
Diese Bestimmung ist besonders wichtig, weil sie der Ausgangspunkt der
deutschen Aktion von 1905 geworden ist und durch die Verhandlungen der
Konferenz von Algeciras sowie durch die dort getroffnen Abmachungen ihre
internationale Weihe empfangen hat. Die Konvention von 1880 war nnr eine
Erweiterung einer vorhergegangnen von 1863, die ebenfalls wie diese die Aus¬
übung des Schutzrechts zum Gegenstande hatte. Es ist offenbar, daß das
Interesse aller Staaten, die hierfür in Betracht kamen, ziemlich gleichmäßig
war, und da wir um jene Zeit besondre Interessen in Marokko nur in geringem
Umfange hatten, so ist es begreiflich, daß zur Erreichung des gemeinsamen
Zwecks der deutsche Vertreter angewiesen wurde, sich dem Frankreichs anzu¬
schließen. Es wird weiterhin auf diesen Punkt noch zurückzukommen sein.
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte trat Marokko enger mit den größern
europäischen Staaten in Verbindung. Es entsandte wiederholt Gesandtschaften
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