Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aus dem Unglücksjahre M7
Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Ost-
und westpreußen
L. Joachim Mitgeteilt von1

er Mann, dessen Aufzeichnungen uns hier beschäftigen sollen, ist
der Baron Peter Franz Percy, Chefchirurg der französischen
Armee unter dem Kaiser Napoleon. Er war im Jahre 1754 als
Sohn eines Militärchirurgen geboren, hatte sich dem Berufe seines
Vaters zugewandt und schon auf den untern Stufen seiner Lauf¬
bahn durch zahlreiche Studien, deren Ergebnisse mehrfach akademische Preise
erlangten, die Aufmerksamkeit der an diesen Dingen interessierten Kreise auf sich
zu lenken verstanden. Der Zusammenbruch des Königtums änderte nichts in
seiner amtlichen Stellung; vielmehr fand er in den Kriegen der französischen
Revolution die erwünschte Gelegenheit, seinen Beruf erst recht zu betätigen, und
er hat dann glänzende Beweise seiner hervorragenden Befähigung geliefert. Die
Organisation des Militärmedizinalwcsens war im alten königlichen Frankreich
auf einer vorzüglichen Stufe gewesen; die ersten Stürme der Revolution hatten
auch hiermit aufgeräumt, und kein andrer als Peter Franz Percy war es, dessen
eifrigen und unerschrocknen Bemühungen es inmitten der wechselvollen Ereignisse
und auf den blutigen Schlachtfeldern zu verdanken war, daß die französische
Feldchirurgie der napoleonischen Ära eine für die damalige Zeit mustergiltige
Höhe erreichte. Napoleon, unter dessen Augen Percy allerdings nicht selbst
gedient hatte, denn dieser war nur auf den deutschen Schlachtfeldern, nicht aber
in Italien und Ägypten tätig gewesen, kam erst als Kaiser mit ihm in persön¬
liche Berührung; doch waren ihm gewiß die Verdienste des hervorragenden
Chirurgen nicht unbekannt geblieben. Denn dieser hatte ja die fliegenden Am¬
bulanzen, die ersten Feldlazarette der modernen Kriegführung, zum Segen vieler
Tausende eingeführt und sonstige segensreiche Organisationen ins Leben gerufen.
Bis zu dem Range eines obirarAisn su ob.öl Ah ig, Ainnäs arinüs (wir würden
Generalstabschirurg sagen) emporgestiegen, kam dann Percy im Jahre 1805 in
den Feldzügen gegen Österreich und in dem blutigen Kriege von 1806/07 gegen
Preußen und Rußland in die Nähe des Kaisers und nicht selten in persön¬
lichen Verkehr mit ihm. Napoleon schätzte ihn sehr und belohnte seine Ver¬
dienste durch Ordensauszeichnung, Dotation und Erhebung in den französischen
Reichsfreihcrrenstcmd.

Percy, dessen auch rein menschliche Vorzüge wir bald kennen lernen werden,
hatte nun die Gewohnheit, überall dort, wo ihn sein schwerer Beruf hinrief,
im Quartier, auf dem Schlachtfelde wie am Biwakfeuer, tagebuchartige Auf-


Grenzboten II 1906 4g


Aus dem Unglücksjahre M7
Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Ost-
und westpreußen
L. Joachim Mitgeteilt von1

er Mann, dessen Aufzeichnungen uns hier beschäftigen sollen, ist
der Baron Peter Franz Percy, Chefchirurg der französischen
Armee unter dem Kaiser Napoleon. Er war im Jahre 1754 als
Sohn eines Militärchirurgen geboren, hatte sich dem Berufe seines
Vaters zugewandt und schon auf den untern Stufen seiner Lauf¬
bahn durch zahlreiche Studien, deren Ergebnisse mehrfach akademische Preise
erlangten, die Aufmerksamkeit der an diesen Dingen interessierten Kreise auf sich
zu lenken verstanden. Der Zusammenbruch des Königtums änderte nichts in
seiner amtlichen Stellung; vielmehr fand er in den Kriegen der französischen
Revolution die erwünschte Gelegenheit, seinen Beruf erst recht zu betätigen, und
er hat dann glänzende Beweise seiner hervorragenden Befähigung geliefert. Die
Organisation des Militärmedizinalwcsens war im alten königlichen Frankreich
auf einer vorzüglichen Stufe gewesen; die ersten Stürme der Revolution hatten
auch hiermit aufgeräumt, und kein andrer als Peter Franz Percy war es, dessen
eifrigen und unerschrocknen Bemühungen es inmitten der wechselvollen Ereignisse
und auf den blutigen Schlachtfeldern zu verdanken war, daß die französische
Feldchirurgie der napoleonischen Ära eine für die damalige Zeit mustergiltige
Höhe erreichte. Napoleon, unter dessen Augen Percy allerdings nicht selbst
gedient hatte, denn dieser war nur auf den deutschen Schlachtfeldern, nicht aber
in Italien und Ägypten tätig gewesen, kam erst als Kaiser mit ihm in persön¬
liche Berührung; doch waren ihm gewiß die Verdienste des hervorragenden
Chirurgen nicht unbekannt geblieben. Denn dieser hatte ja die fliegenden Am¬
bulanzen, die ersten Feldlazarette der modernen Kriegführung, zum Segen vieler
Tausende eingeführt und sonstige segensreiche Organisationen ins Leben gerufen.
Bis zu dem Range eines obirarAisn su ob.öl Ah ig, Ainnäs arinüs (wir würden
Generalstabschirurg sagen) emporgestiegen, kam dann Percy im Jahre 1805 in
den Feldzügen gegen Österreich und in dem blutigen Kriege von 1806/07 gegen
Preußen und Rußland in die Nähe des Kaisers und nicht selten in persön¬
lichen Verkehr mit ihm. Napoleon schätzte ihn sehr und belohnte seine Ver¬
dienste durch Ordensauszeichnung, Dotation und Erhebung in den französischen
Reichsfreihcrrenstcmd.

Percy, dessen auch rein menschliche Vorzüge wir bald kennen lernen werden,
hatte nun die Gewohnheit, überall dort, wo ihn sein schwerer Beruf hinrief,
im Quartier, auf dem Schlachtfelde wie am Biwakfeuer, tagebuchartige Auf-


Grenzboten II 1906 4g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299430"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341883_299040/figures/grenzboten_341883_299040_299430_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus dem Unglücksjahre M7<lb/>
Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Ost-<lb/>
und westpreußen<lb/><note type="byline"> L. Joachim</note> Mitgeteilt von1</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1710"> er Mann, dessen Aufzeichnungen uns hier beschäftigen sollen, ist<lb/>
der Baron Peter Franz Percy, Chefchirurg der französischen<lb/>
Armee unter dem Kaiser Napoleon. Er war im Jahre 1754 als<lb/>
Sohn eines Militärchirurgen geboren, hatte sich dem Berufe seines<lb/>
Vaters zugewandt und schon auf den untern Stufen seiner Lauf¬<lb/>
bahn durch zahlreiche Studien, deren Ergebnisse mehrfach akademische Preise<lb/>
erlangten, die Aufmerksamkeit der an diesen Dingen interessierten Kreise auf sich<lb/>
zu lenken verstanden. Der Zusammenbruch des Königtums änderte nichts in<lb/>
seiner amtlichen Stellung; vielmehr fand er in den Kriegen der französischen<lb/>
Revolution die erwünschte Gelegenheit, seinen Beruf erst recht zu betätigen, und<lb/>
er hat dann glänzende Beweise seiner hervorragenden Befähigung geliefert. Die<lb/>
Organisation des Militärmedizinalwcsens war im alten königlichen Frankreich<lb/>
auf einer vorzüglichen Stufe gewesen; die ersten Stürme der Revolution hatten<lb/>
auch hiermit aufgeräumt, und kein andrer als Peter Franz Percy war es, dessen<lb/>
eifrigen und unerschrocknen Bemühungen es inmitten der wechselvollen Ereignisse<lb/>
und auf den blutigen Schlachtfeldern zu verdanken war, daß die französische<lb/>
Feldchirurgie der napoleonischen Ära eine für die damalige Zeit mustergiltige<lb/>
Höhe erreichte.  Napoleon, unter dessen Augen Percy allerdings nicht selbst<lb/>
gedient hatte, denn dieser war nur auf den deutschen Schlachtfeldern, nicht aber<lb/>
in Italien und Ägypten tätig gewesen, kam erst als Kaiser mit ihm in persön¬<lb/>
liche Berührung; doch waren ihm gewiß die Verdienste des hervorragenden<lb/>
Chirurgen nicht unbekannt geblieben. Denn dieser hatte ja die fliegenden Am¬<lb/>
bulanzen, die ersten Feldlazarette der modernen Kriegführung, zum Segen vieler<lb/>
Tausende eingeführt und sonstige segensreiche Organisationen ins Leben gerufen.<lb/>
Bis zu dem Range eines obirarAisn su ob.öl Ah ig, Ainnäs arinüs (wir würden<lb/>
Generalstabschirurg sagen) emporgestiegen, kam dann Percy im Jahre 1805 in<lb/>
den Feldzügen gegen Österreich und in dem blutigen Kriege von 1806/07 gegen<lb/>
Preußen und Rußland in die Nähe des Kaisers und nicht selten in persön¬<lb/>
lichen Verkehr mit ihm.  Napoleon schätzte ihn sehr und belohnte seine Ver¬<lb/>
dienste durch Ordensauszeichnung, Dotation und Erhebung in den französischen<lb/>
Reichsfreihcrrenstcmd.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1711" next="#ID_1712"> Percy, dessen auch rein menschliche Vorzüge wir bald kennen lernen werden,<lb/>
hatte nun die Gewohnheit, überall dort, wo ihn sein schwerer Beruf hinrief,<lb/>
im Quartier, auf dem Schlachtfelde wie am Biwakfeuer, tagebuchartige Auf-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1906 4g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0389] [Abbildung] Aus dem Unglücksjahre M7 Erlebnisse und Wahrnehmungen eines hohen französischen Offiziers in Ost- und westpreußen L. Joachim Mitgeteilt von1 er Mann, dessen Aufzeichnungen uns hier beschäftigen sollen, ist der Baron Peter Franz Percy, Chefchirurg der französischen Armee unter dem Kaiser Napoleon. Er war im Jahre 1754 als Sohn eines Militärchirurgen geboren, hatte sich dem Berufe seines Vaters zugewandt und schon auf den untern Stufen seiner Lauf¬ bahn durch zahlreiche Studien, deren Ergebnisse mehrfach akademische Preise erlangten, die Aufmerksamkeit der an diesen Dingen interessierten Kreise auf sich zu lenken verstanden. Der Zusammenbruch des Königtums änderte nichts in seiner amtlichen Stellung; vielmehr fand er in den Kriegen der französischen Revolution die erwünschte Gelegenheit, seinen Beruf erst recht zu betätigen, und er hat dann glänzende Beweise seiner hervorragenden Befähigung geliefert. Die Organisation des Militärmedizinalwcsens war im alten königlichen Frankreich auf einer vorzüglichen Stufe gewesen; die ersten Stürme der Revolution hatten auch hiermit aufgeräumt, und kein andrer als Peter Franz Percy war es, dessen eifrigen und unerschrocknen Bemühungen es inmitten der wechselvollen Ereignisse und auf den blutigen Schlachtfeldern zu verdanken war, daß die französische Feldchirurgie der napoleonischen Ära eine für die damalige Zeit mustergiltige Höhe erreichte. Napoleon, unter dessen Augen Percy allerdings nicht selbst gedient hatte, denn dieser war nur auf den deutschen Schlachtfeldern, nicht aber in Italien und Ägypten tätig gewesen, kam erst als Kaiser mit ihm in persön¬ liche Berührung; doch waren ihm gewiß die Verdienste des hervorragenden Chirurgen nicht unbekannt geblieben. Denn dieser hatte ja die fliegenden Am¬ bulanzen, die ersten Feldlazarette der modernen Kriegführung, zum Segen vieler Tausende eingeführt und sonstige segensreiche Organisationen ins Leben gerufen. Bis zu dem Range eines obirarAisn su ob.öl Ah ig, Ainnäs arinüs (wir würden Generalstabschirurg sagen) emporgestiegen, kam dann Percy im Jahre 1805 in den Feldzügen gegen Österreich und in dem blutigen Kriege von 1806/07 gegen Preußen und Rußland in die Nähe des Kaisers und nicht selten in persön¬ lichen Verkehr mit ihm. Napoleon schätzte ihn sehr und belohnte seine Ver¬ dienste durch Ordensauszeichnung, Dotation und Erhebung in den französischen Reichsfreihcrrenstcmd. Percy, dessen auch rein menschliche Vorzüge wir bald kennen lernen werden, hatte nun die Gewohnheit, überall dort, wo ihn sein schwerer Beruf hinrief, im Quartier, auf dem Schlachtfelde wie am Biwakfeuer, tagebuchartige Auf- Grenzboten II 1906 4g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/389
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/389>, abgerufen am 24.07.2024.